Erna geht zu Fuss. Dirk Bausch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dirk Bausch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745013566
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mit Druckluft aus seiner Airbrush Anlage zu beseitigen. Ich protestierte energisch. Ein zu rigoroses Vorgehen kann zu schweren Schäden beim Patienten führen. Alle meine Bedenken, die ich anführte tat er ab und so ließ ich mich breitschlagen. Wir versuchten den Schlauch vom Kompressor mit der dünneren der beiden Sonden zu verbinden. Aus der dickeren Sonde kam erst nur Flüssigkeit, dann vernahm ich ein Glucksen. Vorsichtig versuchte ich die dünne Sonde zu verschieben. Nach etlichen Versuchen gelang es sie zu bewegen. Ich konnte den Fremdkörper bis in den Magen vorschieben. Von dort aus nimmt er mit dem anderen Futter seinen natürlichen Weg. Ich weiß nicht, wer von den Anwesenden mehr erleichtert war. Schnell entfernte ich meine Utensilien aus dem Tier. Zur Überprüfung meines Erfolges bat ich dem Pferd Wasser zum Trinken an und es trank in großen Zügen fast den ganzen Eimer aus. Es waren fast drei Stunden vergangen, bis ich meinen Erfolg verkünden konnte. Erschöpft packte ich alles zusammen, wusch meine Instrumente und mich. Dann machte ich mich auf den Heimweg.

      Ich habe oft Schlundverstopfungen behandeln müssen. Alle waren unterschiedlich in Verlauf und Therapie, aber niemals wieder habe ich einen Kompressor benutzen müssen. Es ist mir auch lieber so.

      Nur ein Fall ist mir noch in besonderer Erinnerung. Es handelte sich um ein 33Jähriges Pferd ohne Zähne. Irgendjemand war auf die Idee gekommen diesem Pferd zum Geburtstag einen Apfel zu spendieren. Dieser blieb prompt stecken. Nach der üblichen krampflösenden Injektion, gelang es mir, das verklemmte Stück Apfel nach oben aus der Nase heraus zu massieren. Ein glückliches Ende für das uralte Pferd. Auf meine Frage, wieso das zahnlose Tier einen Apfel und nicht Apfelmus bekam, bekam ich die Antwort, dass das Tier es so wollte. Die Tierbesitzerin bezeichnete sich als Tierkommunikatorin und konnte angeblich nonverbal mit Tieren in Verbindung treten. Ob das arme Pferd den Apfel aus Versehen oder aus selbstmörderischer Absicht verschlang, habe ich nie herausfinden können.

      Die dusslige Kuh

      Wieder einmal ist es nachts und ich werde von Herrn Werbellow angerufen. Herr Werbellow wohnt an einer Fernverkehrsstrasse, außerhalb der Stadt. Es gibt dort nur wenige Häuser, so ist mein Ziel leicht zu finden. Mir steht ein Mann Mitte vierzig gegenüber. Er ist sehr hoch gewachsen und ebenso füllig. Sein Haar ist lang gewachsen, ohne ungepflegt zu sein. Es geht übergangslos in seinen ungeordneten Bart über. Er trägt immer ein altes abgewetztes Basecap. Arbeiten tut er bei einer gemeinnützigen Verkehrsorganisation und ist eine Seele von Mensch. Den Hund, den er hatte, war eine Mischung zwischen allen möglichen Rassen. Er war braun, kurzhaarig und riesengroß. Dieser Hund war genau wie sein Besitzer, nur konnte er im Gegensatz zu diesem, mich nicht leiden. Nicht, dass er bösartig war, aber er versteckte sich immer, wenn ich den Hof betrat.

      Die üblichen Impfungen konnte ich nur mit dem Blasrohr durchführen. Es wurde von Mal zu Mal schwieriger, den Hund zu treffen. Der Hund wurde mit der Zeit so pfiffig, dass er dem langsam fliegenden Blasrohrpfeil ausweichen konnte. Jetzt kam das berühmte Basecap zum Einsatz. Herr Werbellow hielt dem Hund das mir zu gewandte Auge, mit demselben zu. So konnte ich den erfolgreichen Schuss ansetzen. Sobald die Prozedur überstanden war, ließ sich das riesige Tier von mir streicheln.

      Heute war alles anders. Der Hund hatte einen etwa faustgroßen Ball verschluckt. Dieser Ball war genau so groß, dass er auf jeden Fall im Magen stecken bleiben musste. Der Hund war fröhlich und wie immer, nur der Herr Werbellow und seine Frau waren aufgeregt. Frau Werbellow sah aus, wie der weibliche und hatte h

      Zwilling ihres Mannes. Ebenso groß. Die Frisur war dieselbe, nur trug sie kein Basecap und keinen Bart. Beide rauchten eine Zigarette nach der anderen. Ich weiß nicht, ob sie das immer so tun oder ob es eine Folge der Aufregung war. Der Umgangston zwischen beiden war sehr rau, aber herzlich. So sagte er bei meinem Eintreffen: „ Die dusselige Kuh hat mit dem Köter Ball gespielt und nu hat det dumme Viech den ollen Ball runter geschluckt!“ So oder ähnlich liefen alle Unterhaltungen zwischen beiden ab. Zu mir war er immer höflich und korrekt. Ich denke, dass dieser etwas abnormale Gesprächsablauf zwischen den Eheleuten, von den beiden für üblich gehalten wurde. Jedenfalls hat sich Frau Werbellow nie über den rüden Umgangston beschwert.

      Nun zu meinem Patienten. Der Hund fand die ganze Aufregung unnötig. Und hüpfte aufgeregt im Zwinger umher. Als er mich sah, versteckte er sich sofort in der Hütte.

      Nun begann die übliche Prozedur. Herr Werbellow betrat den Zwinger. Der Hund wollte gleich wieder spielen nur fehlte irgendwie der Ball zum Spielen. Ich befüllte den Blasrohrpfeil. Diesmal nicht mit der Vaccine sondern mit einem Emetikum. Das ist ein Medikament, das starkes Erbrechen hervorruft. Ich hoffte, dass der Hund so den verschluckten Ball wieder hervor bringt. Er wäre die einfachste Lösung und würde mir eine aufwendige Operation ersparen. Oft traf ich nicht gleich beim ersten Mal, aber diesmal klappte es sofort. Nun musste ich nur auf die Wirkung des Medikaments warten. Es dauerte nicht lange und der Hund übergab sich unter fürchterlichem Gebrüll. Toll dachte ich. Wir untersuchten das Hervorgewürgte. Neben allerlei Undefinierbarem fanden wir auch etwas Oranges, das sich als der zerbissener Ball entpuppte. Herr Werbellow begann sofort, aus dem unförmigen Gebilde einen Ball zu formen. Plötzlich stellte er fest, dass die Teile nicht vollständig waren. Aha, also musste ich die Prozedur wiederholen. Ein erneuter Blasrohrschuß und wieder banges warten, bis der Hund sich erbricht. Wieder übergibt sich der Hund unter fürchterlichem Gebrüll. Nun durchsuchten wir zum zweiten Mal das Erbrochene. Aber kein Stückchen Ball war zu finden. Sofort dachte ich an die bevorstehende Operation und meinen verlorenen Schlaf. Noch immer wühlten Herr und Frau Werbellow in dem Erbrochenen mit einer Hand. In der anderen hatten sie die obligatorische Zigarette. Und da, da hörte ich den Satz, der mir untrennbar mit Herrn Werbellow verbunden bleiben wird. „ Mensch Alte, bist du blöd. Da liegt er doch der Ball!“ Ich wusste nicht, ob ich mich über den Fund freuen soll oder über die rüde Ansprache entsetzt sein sollte. Frau Werbellow war nicht im Geringsten irritiert. Vor Freude über den Fund und das glückliche Ende dieser Episode zündeten sich beide erneut eine Zigarette an. Ich fuhr nach Hause, glücklich die Nacht nicht im OP verbringen zu müssen. Auf der Fahrt dachte ich die ganze Zeit über an den Satz beim Auffinden der fehlenden Ballteile nach. Bis heute denke ich jedes Mal wenn ich an diesem Haus vorbei fahre an den Satz: „ Mensch Alte bist du blöd…..“

      Eine besonders saubere Katze

      Wir haben ganz normale Sprechstunde. Die unterschiedlichsten Menschen sitzen mit den verschiedensten Tieren im Wartezimmer. Da sitzt die Schildkröte neben der Deutschen Dogge oder die Hauskatze neben dem Hamster. Manchmal sitzt auch eine Ziege oder ein Schaf im Wartezimmer. In seltenen Fällen haben sich auch schon Alpakas, Vogelspinnen oder exotische Schlangen dort eingefunden. Es ist eben eine ganz normale Sprechstunde. Bis der Anruf kam. Ich nehme den Hörer ab und höre einen Schrei. „Meine Katze sitzt in der Waschmaschine!“ Ich brauche etwas Zeit mich zu besinnen. Dann höre ich nochmals „ Ich habe heute Geschäftseröffnung und noch schnell eine Waschmaschine angestellt“ Na Frauen wollen immer perfekt sein. „Nach einer Weile habe ich meine Katze vermisst. Und sie dann in der laufenden Waschmaschine entdeckt!“ Und dann kam die entscheidende Frage. „Was soll ich denn jetzt mit ihr machen?“ Jetzt muß ich einfügen, dass es sich um eine Perserkatze handelte. In meiner spontanen und etwas vorlauten Art sage ich „ Na haben sie keinen Trockner?“ Diese kesse Antwort wird mir heute noch, zwanzig Jahre später, vorgeworfen. Nun war am anderen Ende der Leitung für einen Moment lang Totenstille. Dann kam eine vorsichtige Frage „Das war doch nicht ernst gemeint?“ „Natürlich nicht, kommen sie so schnell wie möglich zu mir.“ Da fiel mir ein, daß man so eine Waschmaschine gar nicht so schnell aufbekommt. Jedenfalls stand kurz darauf die Frau, die auch noch Wäsche hieß, mit der Katze in der Praxis. Beide waren nass. Die Perserkatze vom Waschen und Frau Wäsche von den Tränen, die sie über das Geschehen vergoss. Die Katze legte sie auf den Tisch und verschwand mit den Worten. „Ich muß wieder zu meiner Geschäftseröffnung.“ Als erstes muß ich die Leute im Wartezimmer vertrösten. Es wird wohl länger dauern. Die ganze Ordonanz ist vom Geruch nach Weichspüler erfüllt. Und die Katze liegt regungslos auf dem Tisch. Wenigstens atmet sie noch, wenn auch sehr angestrengt und röchelnd. Wir müssen erstmal das Waschmaschinenwasser aus der Lunge bekommen und die Reaktionen des Körpers darauf eindämmen. Nach fast zwei Stunden zähen Kampfes mit allerlei Injektionen, Infusionen und einer Sauerstoffmaske gelang es die Waschmaschinenkatze zurück