Ave Maria für eine Leiche. Günther Tabery. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Günther Tabery
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738035131
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ein kleines Bad, das einen sauberen Eindruck machte.

      Nachdem er etwas ausgepackt hatte, ging er hinaus in den Flur. Dieser hatte die Form eines langen Ls. Das Eckzimmer konnte man von der Treppe aus nicht einsehen. Aus Neugier schaute er in alle Zimmer hinein und war danach zufrieden mit seiner Wahl, denn er hatte den schönsten Blick von seinem Balkon.

      Entspannt lief er hinunter. Unten war Beatrice Rissmann gerade im Gespräch mit Rosa und Ansgar Blum, dem Ehepaar, das für das Essen zuständig war. Diese waren beide recht korpulent, hatten runde und rosige Gesichter und man hatte den Eindruck, dass ihnen das Essen gut schmeckte.

      „Um 18 Uhr werden alle Gäste angereist sein. Bis dahin sollte der Tisch eingedeckt und das Essen servierfertig sein“, erklärte Beatrice. „Den Wochenplan besprechen wir dann später, wenn wir wissen, welche Vorlieben und Wünsche unsere Gäste haben.“ Sie entdeckte Martin. „Oh, Herr Fennberg. Darf ich vorstellen? Dies sind Frau und Herr Blum, zuständig für Ihr leibliches Wohl. Wenn Sie besondere Wünsche haben, was das Essen betrifft, dann können Sie dies auf ein Blatt Papier schreiben und es den beiden abgeben.“

      Die beiden Blums nickten höflich und verschwanden in Richtung Küche.

      „So, und nun zeige ich Ihnen unser schönes Haus.“ Sie führte ihn in den großen, lichtdurchfluteten Aufenthalts- und Essensraum, der hell gestrichen und mit modernen, farbenfrohen Bildern bestückt war. An der einen Wand stand eine einladende schwarze Ledercouchgarnitur mit Sessel und einem Beistelltisch. „Hier können Sie sich entspannen und mit den anderen Gästen ins Gespräch kommen oder etwas spielen. Spiele und Karten finden Sie hier.“ Sie zeigte auf eine Vitrine aus den Fünfzigern. „Das Essen wird dort an dem großen Tisch eingenommen.“ Dieser war aus massivem, dunklem Kirschholz angefertigt und bot zehn Menschen Platz. Darauf stand ein dekoratives Gesteck aus gelben Gerbera und roten Rosen. „Frühstück gibt es ab 9 Uhr, Mittagessen um 12 Uhr und Abendessen um 18 Uhr. Die Toiletten gehen vom Flur ab.“ Sie zeigte auf zwei große, rot eingefasste Türen. „Mein Büro liegt gleich neben dem Aufenthaltsraum. Wenn Sie mich begleiten, dann zeige ich Ihnen unser großes Anwesen.“ Sie hakte sich ihm ein und zog ihn heraus auf die Terrasse. „Das Grundstück verläuft von der Straße aus bis zu der kleinen Lichtung.“ Sie deutete auf eine wild bewachsene Wiese, die etwa 150 Meter entfernt lag. „Auf der anderen Seite schließt sich gleich der Wald an, den Sie sicher mit unserem Fremdenführer Herrn Jonathan Mittensen erkunden können. Er wird sich morgen bei Ihnen allen vorstellen. Bei gutem Wetter finden unsere Yogakurse hier auf dem Platz gleich vor der Terrasse im Freien statt. Schauen Sie sich ruhig ein wenig um. Und nun muss ich noch einiges erledigen, bis die übrigen Gäste anreisen.“ Damit ließ sie ihn auf der Terrasse zurück.

      Er schaute in die Ferne und war glücklich. Dies ist wohl der richtige Ort um eine schöne, entspannte Woche zu verbringen, dachte er. Zur Freude hüpfte er einmal auf und ab, fiepte abschließend und ging in sein Zimmer.

      2

      Nachdem die restlichen Gäste angereist waren, trafen sich alle um 18 Uhr zum Abendessen im Aufenthaltsraum. Martin schaute in die Runde. Ihm gegenüber saß eine von Natur aus schöne Frau, blond, blauäugig mit einem unglaublich großem strahlenden Mund. Ihre Figur war üppig und sie war stilvoll angezogen mit einem rot-goldenen Seidenkleid, bestückt mit Pailletten und Stickereien. Sie trug auffallend schönen Schmuck und war vielleicht Anfang 30, dachte Martin. Ihm hatte sie sich als Martha Lindeau vorgestellt. Zu seiner rechten saß Ole Roggenstern, ein junger, sportlicher Student Ende 20, mit träumerischen Augen und einem schelmischen Lachen. Zu seiner Linken zwei weitere Frauen: Eine etwas spröde mit kurzen blonden Haaren und Brille, Jeans und Kapuzenshirt, die einen leicht frustrierten Gesichtsausdruck hatte, Petra Neuzinger, daneben eine vollbusige Urmutter, mit langen braunen Haaren, roten Wangen und beigefarbenem Leinenkleid, Karen Randur. Beide waren etwa Anfang 40. Neben Ole Roggenstern ruhte zu seiner Rechten ein mittelalter Mann, Maximilian Dörflein, mit hellen, wachen Augen und kurz gelocktem Haar.

      Beatrice Rissmann eröffnete als Besitzerin das erste gemeinsame Essen mit einer kleinen Ansprache: „Meine Lieben, ich freue mich Sie hier bei uns willkommen heißen zu dürfen. Vor Ihnen liegt eine Woche der Ruhe, in der Sie sich ganz zurückziehen können. Frei nach Marc Aurel, dem römischen Kaiser und Philosoph gesprochen: `gibt es nirgends eine stillere und ungestörtere Zufluchtsstätte als die Menschenseele´. Dies soll unser Leitspruch sein für unsere gemeinsame Zeit.“ Sie strahlte in die Runde. Organisatorisch fuhr sie fort: „Den Leiter des Yogakurses Herrn Ballhaus werden sie morgen früh gleich kennen lernen. Ich selbst werde die Kunstkurse anleiten und hoffe, dass wir einiges Kreatives zustande bringen werden. Wenn Ihnen irgendetwas missfällt, Sie Anregungen oder Kritik haben, dann lassen Sie es uns wissen und wir werden versuchen, Ihre Vorschläge umzusetzen. Lassen Sie uns nun vor dem Essen gemeinsam anstoßen.“ Sie nahm ein Glas Sekt und hielt es in die Höhe. „Auf eine schöne gemeinsame Woche.“

      Alle stießen ihre Gläser zusammen. „Und nun wünsche ich Ihnen einen guten Appetit.“ Mit diesen Worten bedankte sie sich für die Aufmerksamkeit.

      Maximilian Dörflein sagte gleich darauf laut in die Runde: „Lasst uns nicht so förmlich sein. Sagen wir "du" zueinander? Ich bin der Maximilian.“

      Die andern stimmten mit ein. Alle nahmen ihre Gläser und stießen mit jedem an auf "du" und "du". Die Stimmung war gleich etwas gelöster und verlor diesen offiziellen Touch. Es duftete exotisch nach indischem Curry, Lamm und frischem Gemüse. Dazu wurde Basmatireis gereicht. Zum Nachtisch gab es hausgemachten Pudding und Obstsalat. Das Essen schmeckte zur Zufriedenheit Rosa Blums allen.

      Als die Teller leer auf dem Tisch standen und alle zufrieden waren, verteilte sich die Gruppe im Raum. Martha Lindeau und Maximilian Dörflein saßen auf der Couch, Karen Randur und Petra Neuzinger standen an der Terrassentür und Ole und Martin blieben mit einer Tasse Kaffee am Tisch sitzen.

      Martin beobachtete gerne andere Menschen. Andere würden vielleicht sagen, er wäre neugierig. Er selbst empfand es als äußert interessant, die Eigenheiten anderer zu entdecken. Er ließ seine Blicke schweifen. Maximilians Stimme ertönte. „Ich bin so froh Martha, dass wir uns hier wieder sehen. Es ist ja schon lange her. Was macht die Karriere? Wirst du nächste Spielzeit auch wieder in Frankfurt singen?“

      Martha Lindeau war eine lyrische Sopranistin, die ursprünglich aus Berlin stammte, in Hannover studiert hatte und seit sechs Jahren Mitglied der Oper Frankfurt war. Sie war verheiratet und lebte mit ihrem Mann zusammen in Mannheim.

      „Leider nein. Mein Vertrag wurde nicht verlängert.“ Sie lächelte ihn an. „Ich werde nicht weiter im Ensemble singen, sondern Stückverträge eingehen. Da gibt es wunderbare Angebote aus Stuttgart, Hamburg und Berlin.“

      „Und welche Rollen wirst du singen? Wieder die Desdemona in Otello, von Verdi? Darin warst du wunderbar“, fragte er interessiert.

      Sie nickte und ihr Blick schwebte in die Ferne: „Genau, ich werde mich auf Verdi und Puccini spezialisieren.“

      „Sehr schön.“ Er machte eine Pause. Martha beobachtete ihn genau. „Und du weißt“, fuhr er fort, „wenn du wieder Hilfe brauchst - ich bin jederzeit für dich da.“

      Martha Lindeau schwieg daraufhin und trank einen Schluck. Maximilian schenkte sich noch ein Glas Wein ein. Martin blickte weiter er, hörte zu seiner Linken:

      „Hast du Familie? Mann und Kinder?“

      „Nein“, erwiderte die andere.

      „Warum nicht?“ fragte die eine verdutzt.

      „Weil jetzt nicht die Zeit dazu ist. Ich habe viel zu tun auf der Arbeit. Und außerdem gehört dazu auch ein Vater. Und der ist momentan nicht in Sicht.“

      „Aha“, erwiderte Karen Randur. „Ich habe drei ganz tolle Kinder und auch einen Hund und ich möchte sie um nichts auf der Welt wieder hergeben. Sie sind das Allerbeste, was mir in meinem Leben passieren konnte.“ In ihrer Stimme klang etwas Salbungsvolles. „Neulich geschah etwas ganz Tolles: Da kam Finn, mein Kleiner, zu mir, der ist erst vier und hat von ganz alleine `Mama´