ZEIT ONLINE: Man hat den Eindruck, dass die deutschen Autohersteller ein bisschen hinterher sind, was Elektroautos angeht. Was meinen Sie?
Hitzlsperger: Ich glaube nicht, dass sie es komplett verschlafen haben. Beim Hybrid-Antrieb war es ja ähnlich. Es scheint sich noch nicht so recht zu lohnen, scheint noch zu teuer zu sein. Vielleicht wird noch vermehrt in die Entwicklung investiert, bis man einen Akku hat, der leicht ist und lange hält, so dass es sich auch für lange Strecken lohnt. Aber ich glaube nicht, dass die deutsche Automobilwirtschaft am Elektroauto zu Grunde gehen wird.
ZEIT ONLINE: Wie viele Versuche haben Sie für den Führerschein gebraucht?
Hitzlsperger: Zwei. Beim ersten Mal habe ich eine Frage zu viel falsch beantwortet.
ZEIT ONLINE: Lassen Sie ihre Freunde Ihr Auto fahren?
Hitzlsperger: Ohne Bedenken. Ich bin auch ein guter Beifahrer. Ich gebe keine Tipps, ich bremse nicht mit, ich halte die Klappe, sage nichts zum Fahrstil. Ich möchte das ja auch nicht, wenn ich fahre. Wenn ich Angst habe, steige ich gar nicht erst ein.
ZEIT ONLINE: Sie haben in Rom gelebt, in London, in Wolfsburg. Wo haben Sie die meisten Strafzettel bekommen?
Hitzlsperger: In London und da sind sie auch noch am teuersten. Da kann man keine fünf Minuten mal kurz irgendwo stehen bleiben, wenn man kein Kleingeld zur Hand hat. Es gibt sofort einen Strafzettel.
ZEIT ONLINE: Ist der Verkehr in Rom wirklich so chaotisch?
Hitzlsperger: Autofahren in Rom war einmalig. Es geht zügig voran und die Leute gestikulieren wild. Es ist manchmal chaotisch, ohne klare Verkehrsführung oder Straßenmarkierungen. Die Römer ignorieren sogar teilweise Rote Ampeln; bremsen kurz, gucken rechts und links und fahren, was natürlich verrückt ist. Aber der Verkehr fließt. Wer steht, wird angehupt. Und ich habe nur einen Unfall gesehen.
ZEIT ONLINE: Wie war die Umstellung auf den Linksverkehr in England. Waren Sie oft als Geisterfahrer unterwegs?
Hitzlsperger: Eigentlich habe ich das Autofahren in England gelernt. Ich bin mit 18 Jahren nach England gegangen und bin vorher in Deutschland nur wenige Monate gefahren. Trotzdem: Wenn man sich nicht auskennt und wenig los ist, dann biegt man schon mal falsch ab. Dann blendet einer auf und man weiß, dass man hier nicht fahren darf. Das ist mir ein paar Mal passiert, aber es ist zum Glück nie was passiert.
ZEIT ONLINE: In Zeiten des Klimawandels: Ist das Auto ein Auslaufmodell?
Hitzlsperger: Ich glaube nicht, dass das Auto komplett ausstirbt. Aber das Straßenbild wird sich verändern. Die Spritfresser bekommen irgendwann keine Zulassung mehr.
ZEIT ONLINE: Wenn Sie ein Auto wären, welches wären Sie?
Hitzlsperger: Ein Sportwagen in deutsch-englischer Co-Produktion. Deutscher Motor mit englischer Karosserie. Aston Martin oder Bentley.
Wie Thomas Hitzlsperger die Krawalle in London erlebt
Unser Kolumnist lebt in London, die Krawalle finden in seiner Nähe statt. Im Gespräch erzählt er, welche Ursachen er vermutet und wie besorgt seine Nachbarn sind.
VON OLIVER FRITSCH
ZEIT ONLINE: Sie leben seit Januar in London. Was genau passiert dort jetzt?
Thomas Hitzlsperger: Eine ganze Menge. Menschen versammeln sich, zerstören Geschäfte, zünden Häuser und Autos an, rauben Supermärkte aus, schlagen Fenster ein, legen sich mit der Polizei an.
ZEIT ONLINE: Wie nahe erleben Sie das?
Hitzlsperger: Davon erfahren hab ich am Sonntag im Internet, inzwischen erlebe ich das alles sehr nah. Am Montag gab es keine Meile von meiner Wohnung entfernt Krawalle. Ich lebe an der Grenze zu Hackney im Nordosten Londons. Ich hab mich mit meinem Nachbarn darüber unterhalten, dass wir nur unsere Straße hochgehen müssten – dann könnten wir sie schon sehen. Kurze Zeit später war ich im Fitnessstudio und habe während dem Training alles live am Fernseher mitverfolgt, was in der Nachbarschaft passiert. Das war schon bizarr.
ZEIT ONLINE: Fühlen sich Ihre Mitmenschen und Sie bedroht?
Hitzlsperger: Die Stimmung ist besorgt, denn die Polizei bekommt die Lage derzeit nicht in den Griff, was in London einige wundert. Angst spüre ich selbst keine.
ZEIT ONLINE: Haben die Leute Vertrauen in die Polizei?
Hitzlsperger: Ja, und außerdem werden die öffentlichen Plätze mit Kameras überwacht, was die Identifizierung der Täter leichter macht. Doch noch sind die Gegner schneller, sie verabreden sich über Blackberry Messenger. Der Hersteller des Programms hat der Polizei Unterstützung zugesichert, wie ich lese. Twitter und Facebook sind offenbar nicht so gut geeignet.
ZEIT ONLINE: Wer sind die Randalierer? Warum tun die das?
Hitzlsperger: Es sind wohl vor allem Jugendliche, auch Männer in meinem Alter. Sie entstammen sozialen Brennpunkten und verwüsten nun ihre Viertel, etwa Tottenham und Brixton, aber auch den Stadtteil Islington, in dem man das nicht erwartet hätte, gab es Zwischenfälle.
ZEIT ONLINE: Londons reichere Gegenden bleiben im Allgemeinen bislang verschont. Hat der Protest überhaupt eine politische Dimension?
Hitzlsperger: Die drastischen Sparmaßnahmen der Regierung spielen womöglich eine Rolle. Auslöser war aber ein Mord in der vergangenen Woche und anschließende Demonstrationen vor einer Polizeistation. Danach eskalierte die Situation, nun breiten sich die Unruhen übers Land aus. Der Frust ist deutlich spürbar, viele haben keine Arbeit und kein Geld.
ZEIT ONLINE: Können Sie das als Fußballprofi verstehen?
Hitzlsperger: Dass es derartige soziale Unterschiede gibt, ist nicht neu. Aber das ist keine Rechtfertigung dafür, auf Polizisten loszugehen, Eigentum anderer zu beschädigen oder Geschäfte zu plündern.
ZEIT ONLINE: Von den Kürzungen der Regierung ist auch das Sozialwesen betroffen.
Hitzlsperger: Der Sparkurs trifft viele, aber vor dem Hintergrund der Probleme in der Euro-Zone sind die Maßnahmen wohl nötig. Die Leute, denen es ohnehin nicht gut geht, trifft es dann am härtesten, und nun entlädt sich der Frust dieser Menschen.
ZEIT ONLINE: Wie reagieren Englands Politiker auf die Gewalt?
Hitzlsperger: Die kommen zurück aus ihrem Urlaub. Sicherheitspolitiker kündigen eine harte Gangart an. Man fürchtet um den Ruf und die Sicherheit Londons, gerade mit Blick auf die Olympischen Spiele im nächsten Jahr. Das liest und hört man jetzt häufig.
ZEIT ONLINE: Wie verhalten sich die Medien?
Hitzlsperger: Es ist natürlich das Thema, der Guardian und die Times zeigen dasselbe Titelbild: Eine Frau wird von einem brennenden Haus befreit. Der Ton ist angemessen, die Boulevardpresse habe ich aber noch nicht gelesen.
ZEIT ONLINE: England hat sein morgiges Länderspiel gegen Holland abgesagt. Gibt es weitere Reaktionen aus der Fußballszene?
Hitzlsperger: Da ich momentan auf Vereinssuche bin, fehlt mir der tägliche Kontakt. Ich habe mitbekommen, dass auch mein Ex-Club West Ham United ein Pokalspiel abgesagt hat.
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