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Die Zuckerfabrikaner-Der verbotene Turm
Autor:Thomas Karl / mail: [email protected]
Illustration: Juliana Wasirin / mail: [email protected]
published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
Copyright: © 2013 Thomas Karl
ISBN 978-3-8442-5253-8
1.Betreten verboten!
Timmy, der mit richtigen Namen eigentlich Tim Petersen heißt, genoss den herrlichen Tag. Mit freiem Oberkörper lag er auf dem Klettergerüst des Spielplatzes und aalte sich vergnügt in der Sonne herum. Sein bester Freund Ben kam wie immer zu spät, doch das war Tim von ihm gewohnt.
Wollte man sich mit Ben pünktlich treffen, so musste man den Termin eine halbe Stunde früher legen, als es geplant war. Somit stellte man sicher, dass Ben zur eigentlich gedachten Zeit pünktlich erschien. So einfach war das.
An diesem Tag hatten sich die Jungen jedoch nicht fest verabredet. Es hieß „so gegen zehn Uhr“. Da es nun aber schon halb elf war, konnte man jeden Augenblick mit Ben rechnen und genau so kam es dann auch.
Fröhlich pfeifend bog er um die Häuserecke von der Zuckerfabrik Nummer 9. Die Hände steckten lässig in seinen Hosentaschen. Mit seinem etwas entenartigen Gang schlenderte er schnurstracks auf den Spielplatz zu. „He, Tim! Wie schaut es aus?“, fragte er gut gelaunt. Tim, der sich immer noch gemütlich in der Sonne rekelte, hatte etwas Mühe damit, sich aufzurichten. Teils lag es an seiner Müdigkeit, teils wohl an dem kleinen Bauch, den er vor sich her trug. „He, Ben! Bei mir ist alles okay und bei dir? Was wollen wir heute machen?“
Verschmitzt lächelnd schaute Ben seinen Freund an. Er hatte für heute etwas besonderes geplant, doch davon wollte er noch nichts verraten. „Schauen wir einfach mal, was der Tag bringt!“, lautete seine knappe Antwort, dabei winkte er Tim zu sich herunter.
Nachdem sich Timmy wieder komplett angezogen hatte, sprang er vom Klettergerüst herab und betrachtete voller Neugier seinen Freund. Ben ließ sich nicht lange bitten, erhob seinen Zeigefinger in die Höhe und streckte seinen Arm geradeaus. Langsam kreiste er damit über das erste Gebäude der Zuckerfabrik, dann zum Zweiten und letztendlich sogar am Dritten vorbei. Als ein mächtiger, viereckiger Turm den Weg seiner Fingerspitze kreuzte, hielt er an und grinste verstohlen.
„Dort gehen wir heute rein!“, stellte er kurzerhand fest.
Tim fiel die Kinnlade herunter. Sie wollten heute in den verbotenen Turm der Fabrik gehen? Er konnte es nicht fassen.
Dazu muss man nun einige Dinge wissen: Der Turm gehörte zu einer alten Zuckerfabrik, in der die beiden mit ihren Familien wohnten. Er war das Vierte und hinterste Gebäude dieses riesigen Anwesens und schloss sich nahtlos an einer Seite an die drei Hauptgebäude an. Zusammen bildeten alle Häuser, samt dem Turm, aus der Luft betrachtet, ein übergroßes „U“.Die drei ersten länglichen Gebäude wurden für die unterschiedlichsten Sachen genutzt. In manchen Teilen wurde zum Beispiel ganz normal gewohnt, in anderen wiederum Autos repariert oder in einigen Räumen sogar Musik von irgendwelchen Gruppen gemacht. Es war eine bunte Mischung.
Das machte die Zuckerfabrikaner, so nannten sie sich selber, schon zu etwas Besonderem, weil hier einfach Dinge veranstaltet wurden die es sonst nirgends gab. Dadurch, das dort so viele verschiedene Menschen wohnten, passierten auch die komischsten Sachen. Ob nun plötzlich eine Rockband ein Konzert auf dem Spielplatz im Innenhof gab, gleich mit Bratwurst- und Bierverkauf, oder ein Mittelalterfest von einem anderen Bewohner veranstaltet wurde, ...hier passierte einfach alles. Auch, wenn man es gar nicht für möglich hielt.
Doch egal was hier auch angestellt wurde, es gab eine eiserne Regel und die galt für alle.
Niemand, aber auch wirklich niemand, durfte den alten Turm betreten! Die Erwachsenen sagten, dass er zu baufällig und viel zu gefährlich sei, um in ihn hinein zu gehen.
Timmy schluckte schwer und schaute zu Ben: „Du weißt schon, das es uns verboten wurde, den Turm zu betreten, oder?“ Ben nickte wissend, aber es war ihm egal. Ohne jede weitere Diskussion steuerte er direkt auf den mächtigen Turm zu.
Tim blieb noch eine Weile wie angewurzelt stehen, doch dann eilte er stumm seinen Freund hinterher.
Als sie ankamen, rüttelte Ben am Türknauf. Nichts tat sich. Die Tür war abgeschlossen. Während Tim erleichtert durchatmete und sich schon drehte, um zu gehen, sprang Ben an eine kleine Mauer, die genau am Turm endete und zog sich mühsam daran hoch. Gekonnt, wenn auch leicht schwankend, balancierte er zum Turm hinüber. Die Scheibe eines Fensters war dort eingeschlagen. Vorsichtig fasste er hindurch und öffnete das Fenster von innen. Schneller als man gucken konnte, kletterte er hindurch und Tim hörte nur noch ein lautes Krachen.
„Ben, ist alles in Ordnung? Ben? He, Ben, ob alles in Ordnung ist?“. Doch es gab keine Antwort.
Voller Sorge dachte Tim darüber nach, was er machen könnte. Tausende Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Nervös begann er an seinen Fingernägeln zu kauen. Immer wieder spuckte er hastig kleine Nagelstücke aus. Die Spannung stieg ins Unermessliche. „Ben? Ben? Ist alles okay?“, schrie Tim schon fast, als sich doch noch die Tür von innen her öffnete. „Pst..! Schrei nicht so, sonst hört uns noch jemand!“, herrschte ihn sein Freund unfreundlich an. „Oh Mann, ich dachte dir ist etwas passiert, weil du nicht geantwortet hast. Was hast du denn gemacht?“, fragte Tim völlig entnervt nach. Ben zog eine Augenbraue hoch: „Mir und etwas passieren? Das glaubst du doch selber nicht? Was soll mir schon passieren? Als ich rein geklettert bin, habe ich einen Stein von der Fensterbank gestoßen, das war alles! Und dann habe ich mich natürlich erst einmal umgesehen, du Angsthase!“. Ben schaute seinen Kumpel verächtlich an. Ihm war noch nie etwas passiert und somit konnte er die Sorgen von Tim überhaupt nicht verstehen. Mit einer höflichen Verbeugung und einem Lächeln im Gesicht bat er seinen Freund herein.
Der Turm hatte seine besten Zeiten schon lange hinter sich. Der Putz bröckelte schon in großen Stücken von den Wänden. Spinnweben zierten jede Ecke und es lag ein muffiger Geruch in der Luft. Durch die letzten verbliebenen Fensterscheiben konnte man kaum noch ins Freie blicken. Dicke Staubschichten hatten sich im Laufe der Jahre auf ihnen angesammelt. Ben kam nicht drum herum, seinen Namen hineinzuschreiben. Die Versuchung war einfach zu groß. In dicken Buchstaben schrieb er ihn auf das größte Fenster, welches er im Eingangsbereich fand.
Langsam tasteten sich die Jungen vorwärts, obwohl es draußen noch taghell war, konnte man drinnen kaum die Hand vor Augen sehen. Überall lauerten Stolperfallen. Holzbretter, Eisenstangen, ja sogar einzelne Reifen versperrten ihnen nur all zu oft den Weg. Als sie an einer eisernen Treppe ankamen, die nach oben führte, staunten sie nicht schlecht. Anders als es zu erwarten war, schien diese völlig Intakt zu sein. Wenn man sie genauer betrachtete wirkte sie fast wie neu, was den beiden Jungen schon etwas merkwürdig vorkam.
Ben stellte sich auf die erste Stufe und blickte hoch bis unters Dach. „Ein ganz schön weiter Weg!“, dachte er bei sich und atmete durch. Mutig setzte er den nächsten Schritt. Tim hingegen blieb erst einmal unten stehen, er wollte erst ganz sicher sein, dass die Treppe auch wirklich hielt.
Ben sprang im Spurt die nächsten Stufen hinauf, bis er auf der ersten Etage angekommen war. Auf dieser Ebene hüpfte er einige Male auf der Stelle und stampfte dabei so fest auf, wie er nur konnte. Die Treppe hielt.
Erleichtert pfiff er Timmy zu sich hinauf. Vor ihnen lag die erste Tür. Mit großer Erwartung drückten sie die Klinke herunter, doch sie blieb verschlossen. So sehr sie sich auch bemühten, es rührte sich nichts.
Ben rannte weiter den Turm hinauf, doch auf jeder Etage erwartete ihn das Gleiche. Jede Tür, auf die er traf, blieb ihnen versperrt.
Nun stand er ganz oben unter dem Dach und die letzte Tür lag vor ihm. Nur wenig außer Atem, blickte