Honore-Gabriel de Riquetti Comte de Mirabeau
Hic & Hec
Die Stufenleiter der Wollust
Meine Herkunft und meine Bildung
Dass ich auf die Welt gekommen bin, verdanke ich der Zerstreuung eines ehrwürdigen R. R, eines Jesuitenpaters aus Avignon, der mit meiner Mutter, einer Wäscherin des dortigen Ordenshauses, promenierend, in der Dunkelheit den ihm bekannten engen Pfad einschlug statt des breiten, aber ihm nur wenig vertrauten Hauptweges.
Ich war kaum sechs Jahre alt, als mich seine väterliche Liebe aus Barmherzigkeit in die niederste Klasse der Klosterschule aufnehmen ließ; dort verrichtete ich alle Dienste, die man von meinem Alter erwarten durfte. Dank den glücklichen Anlagen, mit denen mich die Natur ausgestattet hatte, zog ich meinen Nutzen daraus. So konnte ich mit zwölf Jahren bereits die Tertia ausfegen und für Pater Natophilos, der dort Regens war, Besorgungen erledigen.
Ich war frühreif in allem; mein hochaufgeschossener und schlanker Wuchs, mein rundes, zartes Gesicht, mein kastanienbraunes Haar und meine großen verständigen schwarzen Augen ließen mich älter erscheinen, als ich in Wirklichkeit war: Man hielt mich für einen Knaben von vierzehn Jahren. Meine niedere Herkunft und meine ärmliche Kleidung ließen keine nähere Bekanntschaft mit meinen Schulkameraden zu und hielten mich somit ihrer Sittenverderbnis fern. So gab ich mich allein dem Studium hin. Der Regens, zufrieden mit den Fortschritten, die ich machte, gewann eine Vorliebe für mich. So gewährte er mir die Gunst, sein Zimmer in Ordnung zu bringen, sein Bett zu machen und ihm alles zu besorgen, was er so brauchte. Als Belohnung gab er mir nach Schulschluss Privatstunden auf seinem Zimmer. So durfte ich bereits Autoren lesen, die man ansonsten in der Öffentlichkeit nicht in die Hand bekam und auch nicht übersetzte.
Eines Tages – ich war damals reichlich dreizehn Jahre – hielt er mich zwischen seinen Beinen fest, um mir bei der Übersetzung einer Satire des Petronius mit den Augen zu folgen; dabei bemerkte ich, wie sich sein Gesicht erhitzte, seine Augen zu funkeln begannen, er schneller atmete und ab und zu schnaufte. Ich beobachtete das mit Besorgnis erregender Neugier, die mich, da ich nicht mehr ganz bei der Sache war, einen Übersetzungsfehler machen ließ.
»Was denn, du kleiner Schelm«, sagte er mit einem Ton in der Stimme, die mich vor Angst erbeben ließ, »nicht einmal ein Sextaner würde einen solchen Fehler machen! Du hast die Rute verdient!«
Ich mochte noch so um Entschuldigung und um Gnade flehen, es war alles vergebens. Das Urteil war gesprochen, und ich musste mich der Strafe unterwerfen. Er bewaffnete sich also mit einem Bündel dünner Ruten, befahl mir alsdann, meine Hose herunterzulassen, stieß mich auf sein Bett, und in der Besorgnis, ich könnte mich vielleicht der Züchtigung entziehen, legte er mir seinen linken Arm um die Hüfte, dergestalt, dass seine Hand mein Edelreis zu fassen bekam, dessen Gebrauch ich noch nicht kannte, obgleich seine zeitweilige Steifheit mir seit einem Jahr mancherlei Anlass zum Grübeln gegeben hatte.
»Also, du Schlingel, ich werde dir deine Schwäche, die Syntax zu beherrschen, schon einbläuen!«
Alsdann versetzte er mir leichte Schläge mit seinen Ruten auf meine Hinterbacken, sie dabei mehr anreizend, als sie zu verletzen. Meine Furcht oder vielleicht auch nur das sanfte Reiben seiner Hand ließ das auferstehen, was er festhielt.
»Na, du Schlingel, was fühle ich denn da an dir? Ah, nun wirst du sie erst richtig zu spüren bekommen!« Dabei fuhr er mit seiner sanften Rutenstreichelei fort, bis dass, überwältigt von Wollust, sich ein Strom von warmem Nektar ergoss, der seine Bemühungen krönte und mich bis zur Glückseligkeit erhob. Darauf legte er die Ruten beiseite und fragte:
»Wirst du das nächste Mal besser auf die Syntax achten?«
»Ach, Pater«, antwortete ich, »es gibt kein süßeres Mittel, als von Eurer Hand korrigiert zu werden!«
»Du siehst also ein, dass ich zornig werden musste, und verzeihst mir? Nun gut, dann sei in Zukunft fleißiger! Wenn du dies tust, werde ich dich ebenso sehr belohnen, wie ich dich soeben mit der Rute bestraft habe.«
Voller Freude küsste ich ihm die Hand, er umarmte mich, strich mir über meine hinteren Globen und bedeckte mich mit Küssen.
»Da du ja mit deiner Strafe so zufrieden warst, mein liebes Kind«, fuhr er dann fort, »müsstest du eigentlich meine Mühen mit Gleichem vergelten.«
»Niemals würde ich mir unterstehen … Hand an meinen Regens zu legen und ihn zu schlagen!«
»Versuch es, er bittet dich darum! Wenn nicht, gebietet er es dir.«
Schamhaft errötend ergriff ich die Ruten, er ließ seine Hose herunter und entblößte seinen Hintern. Nur sehr vorsichtig wagte ich ihn mit den Ruten zu berühren, er aber schrie mir heiser zu: »Stärker, viel stärker! Die Fehler der Lehrer müssen strenger gezüchtigt werden als die der Schüler.«
Ich fasste mir schließlich ein Herz, packte sein Zepter, wie er es mit mir gemacht hatte, und peitschte so heftig auf ihn los, dass ihm vor Vergnügen die Tränen kamen.
Von diesem Tage an herrschte zwischen uns engstes Vertrauen; er täuschte eine Erkältung vor, um jemanden bei sich als Hilfe haben zu können, und ließ also mein Bett in ein Zimmerchen stellen, das neben dem seinen lag, doch geschah dies nur der Form halber, denn sobald er sich niedergelegt hatte, rief er mich zu sich, damit ich, von ihm umschlungen, schlief oder wachte. Auf diese Weise wurde er mein Sokrates und ich sein Alkibiades.
Der Reihe nach aktiver und passiver Teil, setzte er seinen Ehrgeiz darein, meine Erziehung zu vervollkommnen.
Als ich vierzehn Jahre alt war, beherrschte ich Griechisch und Latein, besaß Grundkenntnisse in Logik und Philosophie und kannte mich auch schon ein wenig in der Theologie aus. Doch um mich in dieser angeblichen Wissenschaft gründlicher auszubilden, die so oft den Dolch des Fanatismus gewetzt hatte, musste ich, da Pater Natophilos fast ausschließlich für die schöne Literatur zuständig war, in andere Hände übergehen und meine Studien unter Professor Acontini fortsetzen.
Nichtsdestoweniger behielt ich meine Schlafstätte bei Pater Natophilos, der recht wohl begriff, dass ich, um in meiner neuen Laufbahn besser vorwärts kommen zu können, verpflichtet sein würde, Acontini die gleichen Gefälligkeiten erweisen, und so setzte er mir zuliebe selbst die Artikel des Teilungsvertrages auf. Um für den Kurs in Theologie zugelassen werden zu können, bedurfte es der Zustimmung des Superiors. Natophilos stellte mich diesem vor, und da ich nach seinem Geschmack war, so blieb mir nichts anderes übrig, als ihm meine Studiengebühr in Naturalien zu entrichten.
In dem nun folgenden Jahr verbrachte ich meine Tage mit dem Studium der Theologie, die Nächte aber, um mir die Gunst meiner Lehrer zu verdienen. Auf Grund meiner Fortschritte hatte ich mir einen Namen gemacht, und mir eröffneten sich schon die glänzendsten Aussichten, als die Katastrophe hereinbrach, die die Gesellschaft Jesu vernichtete.
Niedergeschmettert durch diesen Schicksalsschlag, beschlossen Natophilos und Acontini, sich nach Italien abzusetzen; Natophilos jedoch, um mich nicht mittellos zurückzulassen und mir einen Brotverdienst zu verschaffen, empfahl mich Madame de Valbouillant, die für ihren siebenjährigen Sohn einen neuen Hauslehrer suchte, da der bisherige gerade gestorben war.
Mein Ansehen und Aussehen, verbunden mit dem Zeugnis, das meine beiden Lehrer mir ausstellten, waren ausschlaggebend, dass ich trotz meines jugendlichen Alters den Posten zugesprochen bekam.
Bei den Valbouillants
Madame de Valbouillant mochte etwa vierundzwanzig Jahre alt sein, sie hatte perlweiße Zähne, dunkle Augen, eine Stupsnase, üppiges braunes Haar, eine herrlich zarte Haut, einen schwellenden Busen, einen prallen Hintern und Hände von entzückender Schönheit. Mein Zögling war ihr einziges Kind, ihr Gemahl weilte seit sechs Monaten in Italien zwecks Regelung einer Erbschaft, die ihm zugefallen war. Pater Natophilos stellte mich ihr vor und trug auch Sorge, dass ich mit der Kleidung eines Abbe und ein wenig Wäsche ausgestattet war.
Die Dame empfing mich sehr wohlwollend, ja liebenswürdig, und versprach Pater Natophilos, mich so zu behandeln, dass zwischen ihr