Besessen. Nicole Seidel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nicole Seidel
Издательство: Bookwire
Серия: Dämonenfeuer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738026351
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      Tukulor sah ihn kommen und warf sich zur Seite, trotzdem erwischte ihn der Flammenpfeil nahe der Schulter. Kleidung und Haut verbrannten an dieser Stelle.

      Santo wagte einen unvorhergesehenen Angriff auf den Lord, in dem er sich ihm entgegenwarf und sein Messer in den ungeschützten Leib stoßen wollte. Jucon fing den Stoß mit seiner Hand ab und mit eisernem Griff hielt der das Handgelenk des Räubers umgriffen. Immer fester schlossen sich die Finger und drohten das Gelenk zu brechen - obgleich der Räuber um einiges kräftiger wirkte als der Lord. Entsetzt starrte Santo in das wutverzerrte Gesicht Jucon Alde'Atairs.

      Makellos weiße Zähne blitzten hinter vollen Lippen und in den fliederfarbenen Augen des Lords stand totale Verachtung und eine totbringende Kälte, die den überirdisch-magischen Glanz des Wahnsinns nicht ganz verschleiern konnte.

      Santo schrie, als das grünmagische Feuer seinen Arm hinunter wanderte und in einem Bruchteil einer Sekunde seinen ganzen Leib einhüllte. Der Räuber verbrannte. Der Geruch von verkohltem Fleisch war unerträglich. Jucon sog ihn durch die bebenden Flügel seiner Nase in seine Lungen hinein und schien darin einen wohligen Duft zu riechen.

      Tukulor hingegen erbrach sich. Drohend stand der nackte Lord über dem verletzten Valdivianer. Er empfand kein Mitleid. Aber auch die Verachtung war verflogen. Der Lord hatte sich beruhigt. Sein Gesicht glich wieder der gleichgültigen Maske, die er Tag für Tag anlegte. Nur Traurigkeit sprach aus seinen glasigen Augen. Und auch der Schleier des Wahnsinns würde sich aus dem zarten Flieder nicht fortschleichen.

      Tukulor, der am Boden kauerte, starrte auf den hellhäutigen, unbekleideten Mann, der nun mehr als harmlos wirkte und vergessen ließ, dass er soeben zwei Kameraden auf so schreckliche Weise getötet hatte. Doch angesichts des bestialischen Gestanks, seiner Schulterwunde und den erbarmungslosen Blick seines Gegners musste Tukulor es als gegeben hinnehmen. Und nichts konnte den sonderbaren Blonden daran hintern, ihn Tukulor, den Räuber, Eindringling und Dieb, zu töten.

      "Wer bist du?" wollte daher der Valdivianer wissen.

      "Das hast du mich schon einmal gefragt", entgegnete Jucon emotionslos.

      "Du wirst mich auf jeden Fall töten, dann kannst du mir auch verraten, wer du bist!"

      "Ich muss nichts!" Der Lord hob seinen schmutzigen Fuß und drückte den Kopf des Räubers in sein Erbrochenes. "Ich bin Lord Jucon Alde'Atair Am' Corona. Letzter der Atair und Herrscher über die Provinz Coron. Und nun stirb!" Jucon hatte sein Messer gezogen und beugte sich zu dem Verletzten. Er ließ ihm nicht mehr die Zeit, um Gnade zu betteln, sondern durchschnitt ihm genüsslich langsam die Kehle.

      Das ferne Schreien eines Todgeweihten ließ Mandigo und seine beiden Kameraden zusammenzucken.

      "Das war Tudor", stellte Zedyd mit Angst bebender Stimme fest.

      "Kann sein", brummte der bullige Anführer, "kommt weiter." Er hatte sich den Haupttrakt vorgenommen und befand sich bereits ein Stockwerk über der Eingangshalle.

      In jedem Zimmer, das sie betreten hatten, fanden sie nur verstaubte Möbel, verrottete Vorhänge und Überzüge, Unrat am Boden und lichtlose Schatten vor. Wenn sie mal auf herumliegende wertvolle Gegenstände trafen - wie zum Beispiel silberne Pokale - hatte der feuchte Zahn der Zeit eine unansehnliche Patina-Schicht darüber gelegt. Angewidert schleuderte Mandigo eine angelaufene Halskette durch den Schlafraum einer Dame und wieder drang von irgendwoher ein Todesschrei an ihre Ohren.

      "Was geht hier vor!" brüllte der Räuberhauptmann. "Pavo sieh dich draußen mal um!"

      Der mit Namen Pavo verließ das Gemach, durchquerte den Vorraum und trat in den Gang. Er blickte nach links und sah nichts außer dem lautlosen Spiel von staubdurchzogenen Schatten, Nebeldunstfetzen und tanzenden Sonnenstrahlen. Dann blickte er rechts den Korridor entlang und erlebte das gleiche Spiel.

      Er wollte schon zurückgehen, als er aus der Stille heraus ein tapsendes und scharrendes Geräusch hörte. Die Nackenhärchen stellten sich ihm auf. Pavo blickte abermals den linken Gang entlang, wo er die näherkommende Geräusche vermutete. Sie waren plötzlich verstummt. War da eine Bewegung im Schatten an der Wand?

      Eine Gestalt, die barfuß nähertapste, schabte erneut mit den Fingernägeln über das bröckelnde Mauerwerk. Näherte sich ihm da ein Kamerad? Pavo konnte den Näherkommenden noch nicht erkennen und wartete unsicher.

      Ob es nun ein harmloser Bewohner dieses eigenartigen Schlosses oder gar eine totbringende Bestie war, die Antwort darauf fand sich schnell und plötzlich! Und bedeutete für den bis dahin ahnungslosen Valdivianer den endlosen Tod.

      Der Lord sprang behände aus den Schatten und schleuderte eine grüne Feuerschlange nach Pavo. Sie umfing diesen und brannte ihm den Kiefer weg, bevor er auch nur schreien konnte. Panisch wand er sich in deren Umklammerung, die inzwischen den gesamten Körper des Räubers umschlungen hatte. Dies geschah mit einer Lautlosigkeit und Langsamkeit, wie sie nur der unerbittliche Tod hervorrufen konnte. Ein grotesker Tanz des Untergangs. Ein Spiel mit dem Leben, das in diesem Fall als Verlierer hervor ging. Pavo erstickte und verbrannte zugleich, wortlos und unbedeutend. Die Feuerschlange erlosch und hinterließ ein undefinierbarer verkohlter Fleischklumpen. Jucon war bereits achtlos an dem Schauspiel vorbei und hatte den Vorraum betreten.

      Der Silberblonde hörte Stimmen, sie fluchten. Ein kurzes Lächeln schlich sich auf die maskenhaften, makellosen Züge und verschwand ebenso schnell wieder. Lautlos kam er zur Tür, als sie auch schon aufgestoßen wurde.

      Hart flog sie gegen ihn und brachte den Lord zu Fall. Mandigo, der sie aufgeschoben hatte, reagierte sofort. Er rief Zedyd etwas zu und rammte seinen Stiefelabsatz in den unbedeckten Unterleib des Lords. Ein weiterer harter Tritt in die Seite folgte, dem Jucon ebenfalls nicht abwehren konnte. Er verlor sein Messer und krümmte sich am Boden. Zedyd nahm die Waffe an sich und hielt sie dem Lord an die ungeschützte Kehle.

      Der Räuberhauptmann stand über ihm und betrachtete den weißblonden Jüngling eingehends. Ob er verwundert über Jucons unerwartetes nacktes Auftauchen war, war nicht aus seinem narbigen, graubärtigen Gesicht heraus zu lesen. "Wen haben wir denn da?" schmunzelte Mandigo und sein Fuß drückte gegen Jucons Leiste.

      "Lass mich ihm die Kehle durchschneiden", bettelte Zedyd.

      Doch der bullige Valdivianer schüttelte den Kopf. "Nein, er wird uns zuvor noch einige Dinge verraten müssen. Fessle ihn, Zedyd."

      Wolof hob den Kopf und blickte zur Tür, vor der der verbrannte Pavo lag. Dahinter war sein Herr, das roch und hörte er. Aber da waren noch zwei weitere Personen, gaben ihm seine Instinkte wieder.

      Der Wolf schritt zur angelehnten Tür und schob sie mit der Schnauze auf. Im düsteren Licht des Tages sah er wie ein schlaksiger Mann dabei war seinen Lord mit Lederriemen zu fesseln. Ein Knurren warnte, dann sprang Wolof auf Zedyd zu. Dabei übersah er Mandigo, der seinen Dolch in den Nacken des sprungbereiten Wolfs stieß. Jaulend ließ Wolof von dem kleineren ab und griff den bulligen Messerstecher an.

      Zedyd war abgelenkt genug, dass sich Jucon die Lederbänder abstreifen konnte, bevor es dem Räuber gelungen war, damit seine Hände zu binden. Der Lord sprang auf die Beine und aktivierte eine grünglimmende Feuerschlange mit einem einzigen magischen Wort zwischen seinen Händen.

      Während Mandigo mit dem blutigen Wolf um sein Leben rang erdrosselte Jucon den mageren Räuber. Das leuchtende Band legte sich um den zerbrechlichen Hals und gierige Flammen züngelten um den Kopf. Zedyd schrie wie ein lebendes Ferkel am Spieß, bis das magische Feuer ihm das Antlitz zerfraß und er nicht mehr schreien konnte. Ein Herzschlag später war der Räuber tot.

      Mandigo hatte dem Wolf einige Stichwunden beibringen und ihn von seinem Arm lösen können. Blutend lag Wolof schweratmend am Boden. Über ihm wollte der Räuberhauptmann nun den Todesstoß versetzen, doch Jucon bemerkte dies rechtzeitig. Er schlug mit flammenumwickelter Faust zu. Mehrere Male. Mandigo taumelte von der ungebändigten Wut des hellhäutigen zurück.

      Bisse und Brandwunden schwächten ihn. Kein einziger Abwehrschlag konnte Mandigo anbringen, so unkontrolliert und schnell ließ Jucon seine Schläge auf ihn niedersausen. Er trieb den Räuberhauptmann bis zur Wand