Stephen Red
Scherenschnitte bei Nacht - Band 2
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Die Horror Serie „Scherenschnitte bei Nacht“ präsentiert sich hier mit ihrem zweiten Band. Wieder ist es an der Zeit, dass der Horror seinen Weg findet. Stephen Red zeigt einmal mehr, dass er mit seiner unglaublichen Fantasie dem Leser immer neue Facetten dieses Genres näher bringen kann. Lest über die Abgründe menschlichen Denkens, genauso wie über die Ziele einzelner Objekte. So gibt es einen Bürokomplex, welcher seine ganz eigenen Ziele verfolgt. Einmal ist es ein Haus, ein anderes Mal, wohl eher eine Struktur der Macht, ein Abbild des Bösen. Bei einer weiteren Geschichte wird eiskalten Killern das Fürchten gelehrt. Oder lest nach, wie eine simple Mutprobe aus einem ganz normalen Tag, etwas Böses entstehen lässt. Diese und weitere Geschichten sind hier in diesem zweiten Band nachzulesen.
Stephen Red, geboren 1973, ist ein neuer Autor, der in den Genres Horror, Fantasy, Thriller sowie Mystery zuhause ist. Durch seine unbändige Fantasie wird er mit immer neuen Geschichten zeigen, was hier alles möglich ist. Seit langem schon verfasst er Kurzgeschichten und Romane, welche nun nach und nach veröffentlicht werden. Mit diesem zweiten Band seiner Horror Serie »Scherenschnitte bei Nacht« legt er ein weiteres Zeugnis ab, wie viel Fantasie für Horrorgeschichten in ihm steckt.
An dieser Stelle möchte ich mich bei ein paar lieben netten Menschen bedanken:
Lilly, Naddi, Nicole, Christiane
Ferner danke ich meinen Fans, die mir seit langem oder auch erst seit kurzem folgen.
Nicks Mutprobe
Ein imposanter Adler war am Himmel zu sehen. Er blickte auf alles hernieder, was unter ihm lag. Auf der Suche nach Beute visierte er immer wieder die Oberfläche des Sees an. Aber nichts rührte sich. Das Wasser war spiegelglatt, nicht das geringste Kräuseln war zu sehen. Und dennoch, seine Beharrlichkeit wurde stets belohnt.
Estelle und Gitte lagen am Strand auf ihren Handtüchern. Sie genossen die Wärme der Sonne auf ihrer Haut. Beide Mädchen waren siebzehn Jahre alt. Sie lagen gerne hier, denn diese Stille war genau nach ihrem Geschmack. Der Potomack-See war ein Juwel in dieser malerischen Landschaft. Ringsum standen Bäume dicht an dicht. Nur in Richtung Norden bildete eine Steilküste die markante Seite des Sees. Von ihrem Liegeplatz aus lag etwas weiter hinten, vielleicht so 50 Meter entfernt, ein kleiner Steg, an dem ein Segelboot vertäut lag.
Dieser Steg wie auch das Boot samt Blockhaus gehörten Quist, einem hiesigen Einsiedler. Man erzählte sich, dass er vor ungefähr drei Jahren hierher übersiedelte. Zuvor lebte er in Vancouver und arbeitete dort als Kfz-Mechaniker. Er hatte eine Freundin und war glücklich. Naja, was man so sinngemäß als Glück bezeichnen wollte: Haus, Garten, Auto, Job, Freundin. Aber das war für ihn nicht der Sinn des Lebens. Er wollte raus, in die freie Wildbahn, wieder das Leben spüren. Seine Freundin teilte diese Meinung nicht und so trennten sich ihre Wege doch recht schnell wieder. Er verkaufte alles, woran er über die Zeit sein Herz gehängt hatte, und nahm das Geld mit, um sich neu zu erfinden. In Ontario sollte es sein. Mit dem Geld kaufte er sich ein schönes großes Grundstück am Rande des Potomack und genügend Holz für ein Blockhaus. Er informierte sich selbst, wie man ein solches Haus in Eigenregie baut, und begann einfach damit. Zu Anfang von den Einheimischen hier noch sehr belächelt, biss er sich durch und errichtete sein neues Zuhause. Doch, man kann schon sagen, dass er es ganz gut hinbekam. Vom alten Roody, einem Wildtierjäger, welcher immer wieder durch die Lande streifte, lernte er, wie man Tiere jagt, Fische fängt und Lebensmittel bevorratet. Außerdem wurde ihm gezeigt, wie viel Holz er für den Winter zurücklegen musste und wann er mit der Arbeit dafür beginnen sollte. Die ersten beiden Jahre waren noch glatte Katastrophen, aber mit diesem dritten Jahr begann er, es professionell aufzuziehen.
Die beiden Mädchen lagen auf seinem Grund und Boden. Das wussten sie, das wusste er. Aber keinen von ihnen störte es. Im Gegenteil, sie waren für ihn ein schöner Anblick, wie sie sich da so in ihren knappen Bikinis auf ihren Handtüchern räkelten. Vor allem Estelle hatte es ihm angetan. Sie war ein Traum von einer Frau: lange Beine, ein toller runder Po, ein flacher Bauch und eine gute Handvoll Brust. Dazu lange blonde Haare, die fast immer zum Zopf gebunden waren. Ihre Freundin Gitte hingegen hatte ebenfalls lange schlanke Beine, einen schönen Po, ein Sixpack von Bauch und kleine Brüste. Sie war durch und durch eine Sportlerin. Sicherlich für so manchen Jungen ein toller Anblick, aber nicht für ihn. Er liebte es natürlicher. Auch dass Gitte sich die Fingernägel lackierte und sich ihre feuerroten Haare kurz schnitt, passte ihm so gar nicht.
Das sagte er den beiden Mädchen natürlich nie, denn er wollte sie ja nicht verschrecken, sondern weiterhin heimlich beobachten. An so heißen Tagen, wie es heute einer war, lagen die beiden auch schon mal oben ohne. Gitte sagte zu Estelle: „Meinst du, er spannt noch lange da durch sein Astloch im Haus?“ Darauf entgegnete Estelle nur: „Lass ihn doch. Er ist halt einsam und wir sind ja nicht die hässlichsten Mädchen, oder?“ – „Nein, das sind wir weiß Gott nicht. Aber ich hätte doch schon lieber einen Mann in unserem Alter, der uns bespannt. Oder möchtest du dich von ihm berühren lassen?“ – „Nein!“ sagte Estelle energisch. „Spannen ist eins, begrapschen etwas gänzlich anderes.“
Genau in diesem Moment sahen sie auf der gegenüberliegenden Seite des Sees einen Jeep vorfahren. Ihm entstiegen Nick, Cody und Adam. Die Drei waren die Söhne vom Holzhändler der Gegend. Estelle stand schon lange auf Cody. Er war klug, hatte einen Körper wie ein junger Gott und wusste genau, wohin er wollte im Leben. Und genau daran arbeitete er tagtäglich. Er half seinem Vater, wo immer er konnte. Gitte hingegen stand total auf Adam. Er war der perfekte Gentleman: Hielt Frauen die Tür auf, schenkte ihnen Blumen, war romantisch bis ins Mark. Er war ebenfalls sehr intelligent und träumte davon, nach Vancouver auf die Universität zu gehen, um Schauspiel zu studieren. Nick hingegen war der Träumer von den Dreien. Er wusste noch gar nicht so recht, was er mal im Leben machen wollte. Zum Studieren fehlte ihm der Ehrgeiz und das Holzgeschäft seines Vaters reizte ihn auch nicht sonderlich. Am liebsten würde er Pilot werden und in die Air Force eintreten. Aber da war sein Vater strikt gegen. Und so blieb ihm nur das Herumgammeln. Er lebte von Tag zu Tag und schrieb ab und an eine Geschichte auf. Was mit kleinen Gedichten für den Freundeskreis anfing, entpuppte sich über die Jahre zur ernsthaften, wenn auch kleinen Schreiberei. So ergatterte er eines Tages einen Job bei der hiesigen Zeitung und war fortan als Reporter unterwegs. Für ihn war es ein gelebter Traum, für die anderen Söhne eher ein Herumtreiber-Dasein.
Die Drei legten ihre Handtücher nebeneinander und schielten über den See zu Gitte und Estelle. „Mensch, da sind ja unsere Mädels“, sagte