Treffpunkt Brandenburger Tor. Hermann Mezger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hermann Mezger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844268201
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      Treffpunkt Brandenburger Tor

      Impressum

      Treffpunkt Brandenburger Tor

      Hermann Mezger

      Copyright: © 2013 Hermann Mezger

      published by: epubli GmbH, Berlin

      www.epubli.de

      ISBN 978-3-8442-6820-1

      Die Handlung dieses Buches ist frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Ereignissen, Personen, – lebend oder verstorben – Firmen und Institutionen wäre rein zufällig. Das Buch ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verfassers unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Übersetzungen, Vervielfältigungen aller Art, Mikroverfilmung und die Einspeisung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

       Covergestaltung: hank-mediengestaltung.de unter Verwendung von 123RF Stock Fotos der Fotografen Axel Lauer (Brandenburger Tor), Galina Peshkova (Hände) und Aleksandr Sulga (Spritze).

      1. Kapitel

      Es war nur ein roter Punkt. Ein kreisrundes, rotes Glimmen, kaum sichtbar und doch das Einzige, was die Aufmerksamkeit eines Beobachters hätte auf sich ziehen können. Und es war ein Morgen, nass und grau, dreckig und kalt, wie er nur in Moskau anzutreffen ist. In jeder anderen Metropole dieser Welt, hätten die Bewohner bei diesem Schmuddelwetter geflucht oder wären in tiefe Depressionen verfallen. Nicht so in Moskau. Hier erträgt man jedwedes Wetter mit Ruhe und Gelassenheit, zieht sich entsprechend an, drückt die Kopfbedeckung tiefer ins Gesicht und lässt die Aktentasche unter dem Mantel verschwinden.

      So war hier die einzig wahrnehmbare Regung das rote Glimmen der Zigarette, das bei jedem Zug aufleuchtete und wieder verebbte. Der Mann, der sie genüsslich rauchte, die Filterpapiere noch im Schoß, saß auf dem Beifahrersitz eines Wagens und blickte durch die Fensterscheibe hinaus auf den Platz. Der Fahrer neben ihm warf abwechselnd gelangweilte Blicke auf seine Armbanduhr und auf die Einfahrt der Tiefgarage, vor der sie parkten. Als ein tiefer Zug an der Zigarette einen weiteren Schwall Zigarettenqualm ankündigte, unterdrückte der Fahrer ein Seufzen. Dem Beifahrer war diese Unmutsbekundung keineswegs entgangen. Er ließ das Fenster herunter und schnippte die Kippe hinaus in den Regen. Noch bevor sie auf dem Boden aufkam, erlosch das rote Glimmen mit einem kaum hörbaren Zischen und überließ die Szenerie wieder ganz dem Regenschleier, der farblos und schwer auf Moskau drückte. Die brennende Zigarette sollte nicht das Einzige sein, das in diesem Moment erlosch.

      Nur wenige Meter entfernt, im schummrigen Licht der Tiefgarage, zog ein Mann namens Burew gerade den Schlüssel aus der Innentasche seiner cremefarbenen Steppweste. Auf dem Weg zu seinem Auto und noch ganz vertieft in das gedankliche Auflisten all seiner anstehenden Termine, bemerkte er die dunkle Gestalt, die ihm folgte, erst als es schon zu spät war. Bevor er reagieren konnte wurde Burew von einem Faustschlag zu Boden gestreckt. Er hatte noch Zeit, an die mögliche Verschmutzung seiner Weste zu denken, bevor er mit dem Kopf auf dem harten Beton aufschlug. Kurz darauf wurde seine Halsschlagader durchtrennt und er verlor das Bewusstsein. Den anschließenden Messerstich ins Herz spürte er schon gar nicht mehr. Röchelnd drehte er den Kopf zur Seite, seine Finger zuckten einige Male kraftlos, bis sie sich für immer zu einer Faust verkrampften. Burew starb neben der auf Hochglanz polierten Karosserie seines Dienstwagens.

      Seine Aktentasche war bei dem Angriff zu Boden gefallen und lag nun in der sich ausbreitenden Blutlache. Der Angreifer, zunächst noch an der Tasche interessiert, fluchte leise, als er diese im Blut liegen sah und beförderte sie mit einem Tritt unter Burews Auto. Ungewollt tappte er dabei mit den Füßen in das Blut. Bevor er sich zum Gehen wandte, zog sich der Täter die Baseballmütze tiefer ins Gesicht. Auf dem Weg zum Ausgang hinterließen seine Schuhsohlen blutige Abdrücke, die mit jedem Schritt schwächer wurden.

      Draußen vor der Tiefgarage saßen noch immer die zwei Männer in ihrem Auto, träge vom frühen Aufstehen und vom unablässigen Plätschern des Regens. Nach dem erneuten Blick auf die Uhr seufzte der Fahrer auf, stützte den Ellbogen an der Tür ab und blickte gelangweilt nach draußen.

      Der junge Mann mit der Baseballmütze, der beschwingten Schrittes die Einfahrt zur Garage herauf kam, erweckte sein Interesse nur, weil er Turnschuhe trug.

      „Turnschuhe! Bei dem Wetter? Bei dem pieptʼs wohl!“

      Sein Beifahrer hob den Kopf und verfolgte den jungen Mann mit den Augen, bis dieser um die Ecke gebogen war.

      „Sollten wir nicht lieber mal nachsehen, wo der Chef so lange bleibt?“

      „Er wird mal wieder verschlafen haben.“ Der Fahrer zuckte die Achseln und schaute noch immer dem Regen zu.

      „Dann geh ihn mal wecken“, brummte er schließlich.

      Sein Kollege blickte missmutig drein, betrachtete noch missmutiger den Regen auf der Windschutzscheibe, seufzte und stieg schließlich aus dem Auto. Er rannte zum Eingang des Hochhauses über der Tiefgarage, kauerte sich eng an die Wand und drückte auf einen Klingelknopf. Von einem Bein auf das andere tretend wartete er ein paar Sekunden, dann klingelte er erneut. Als jede Antwort ausblieb, blickte er zurück zum Auto, hob ratlos die Hände und zuckte mit den Achseln. Der Andere stieg nun ebenfalls aus, kam herüber und rief durch den Regen: „Lass uns mal nachsehen, ob sein Wagen noch in der Tiefgarage steht.“

      Um dem Regen zu entkommen, rannten sie die Einfahrt hinunter. Als sie das Rolltor passierten und wieder ein Dach über dem Kopf hatten, verlangsamte sich ihr Tempo schlagartig. Gemächlichen Schrittes schlenderten sie auf den Stellplatz zu, auf dem Burews Wagen normalerweise parkte. Unterwegs fiel einem von ihnen eine kleine Blutspur auf. Wie elektrisiert zupfte er seinen Begleiter am Ärmel. Erst ein Blutspritzer, dann ein blutiger Schuhabdruck, schwach zwar, und noch einer, besser ausgeprägt, und noch einer, und noch einer, führten sie direkt zu ihrem am Boden liegenden Chef. Wie angewurzelt blieben beide stehen und starrten geschockt in die noch offenen Augen ihres Vorgesetzten, der vor ihnen in seinem Blut lag. Mit zittrigen Händen zog der eine von ihnen das Filterpapier aus der Innentasche seiner Jacke und begann, sich eine Zigarette zu drehen. Sein Kollege war noch immer so geschockt, dass er nicht protestierten konnte.

      „Weiß man denn schon...?“

      „Es sieht nicht nach einem Raubmord aus. Und wir haben einen Schuhabdruck Größe 43. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.“

      Es war inzwischen Mittagszeit und die blutgetränkte Leiche Burews war umgeben von geschäftigen Polizisten in weißen Kunststoffanzügen. Ein Fotograf ging am Tatort auf und ab, schoss Bilder von jedem erdenklichen Detail und sprach mit dem Leiter der Spurensicherung. Die Presse hatten sie fernhalten können, doch, so viel war sicher, schon am Abend würden die Straßen gefüllt sein mit den durchdringenden, skandalschwangeren Stimmen der Zeitungsverkäufer, die jeden vorbeigehenden Pendler erreichen und todsicher für die Verbreitung der neuesten Sensation sorgen würden: „Sonderausgabe! Sonderausgabe! Burew, Chef der russischen Drogenabwehr bestialisch ermordet! Sonderausgabe! Burew erstochen! Sonderausgabe!...“

      2. Kapitel

      Der Kieler Kriminalrat Behrendtsen war ein gemütlich wirkender Mann. Das rührte vor allem von dem runden Bauch her, den er für gewöhnlich mit bunten Hosenträgern zu bändigen suchte. Die Augen hinter der Hornbrille blickten wachsam, aber keineswegs aufdringlich. Eine etwas zu groß geratene Knollennase dominierte sein Gesicht. Das Hemd steckte immer ordentlich in der Hose, wenn auch oft ungebügelt. Das ohnehin immer spärlicher werdende Haar hatte er sich schließlich rasiert und trug nun gerne eine braune Tweedmütze über dem kahlen Hinterkopf. Für gewöhnlich war Behrendtsen bekannt für die stoische Ruhe, die er ausstrahlte. Das hieß aber nicht, dass er nicht auch aus der Haut fahren konnte. Meist war dies der Fall, wenn ihm etwas zu lang dauerte, oder er warten musste.

      Doch in diesem Moment war da etwas in den Fältchen um seine Augen, das Besorgnis ausdrückte. Ihm gegenüber saß Hauptkommissar Holger Bramme. Auch wenn die zwei Männer äußerlich nicht unterschiedlicher hätten sein können, bestand zwischen ihnen eine bemerkenswerte Verbundenheit. Eine Verbundenheit, wie sie nur während einer langjährigen