Die Oktaven-Geografie der Orakelstätten
Dass die Klänge scheinbar überirdischer Wesen bei den Menschen auch Trance-Zustände auslösten, mit deren Hilfe diese sogar manipuliert werden konnten, zeigt nichts eindrucksvoller als die griechische – unter anderem in der Argonauten-Sage vorkommende- Legende über die Sirenen. Laut Sagen und Aufzeichnungen, u.a. von Homer, waren die Sirenen wunderschöne, auf einer Insel beheimatete, geflügelte weibliche, in anderen Erzählungen auch männliche Wesen, welche sich durch einen betörenden, überirdischen Gesang bemerkbar machten. Hörten Seefahrer diesen Gesang, waren sie scheinbar derart wie hypnotisiert, dass sie gar nicht mehr anders konnten, als die Insel der Sirenen anzufahren. Was die Seefahrer jedoch nicht wussten: die Sirenen beabsichtigten letztlich ihren Tod, sobald diese ihr Festland betraten. Ebenfalls in der griechischen Argonauten-Sage gelang es den Helden, dem Gesang der Sirenen zu entkommen. Zum Glück hatten diese einen der wohl berühmtesten Sänger der Antike, nämlich keinen geringeren als Orpheus mit an Bord. Dieser spielte so laut auf seiner Leier, dass niemand, bis auf einen, der an Bord befindlichen Seefahrer den Gesang der Sirenen noch vernehmen konnte[14].
Die griechische Mythologie indes weist noch zahlreiche weitere Indizien für die Musikalität nicht irdischer Wesen oder Götter auf. So war es insbesondere der Gott Apoll, welcher den Künsten der Musik frönte und diese in den Orakelstätten förderte.
Interessant ist, dass zahlreiche Orakel-Stätten des antiken Mittelmeerraums laut dem Orientalisten Robert K.G. Temple von den Ägyptern, sinnbildlich gesehen, durch eine sogenannte geodätische Oktave miteinander verbunden wurden. Wichtig ist festzuhalten: 7 Breitengrade stellten für die alten Ägypter (laut Temple) die Entsprechung zu einer Oktave dar. Eine Oktave besteht aus 8 Tönen, umfasst jedoch in ihrer Gesamtheit „fünf Ganz- und zwei Halbtonschritte“. Innerhalb der Musiktheorie wird diese Notenfolge also in „sieben Intervalle“ unterteilt. Vergleicht man die Notenlinien der sieben Intervalle mit einer Karte, welche von den eingezeichneten Breitengraden des Mittelmeerraums überzogen ist, so erkennt man verblüffender weise sofort die Parallele zu einer musikalischen Oktave.
Ein Grad nördlich vom ägyptischen Behdet liegt El Merg (Barka) in Libyen. Von dort bis hin zum Tritonsee (Zypern), Omphalos, Kythera, Delos, Delphi und Dodona, sieht jeder, dass diese 8 Kultstätten genau entlang bzw. auf jenen als Linien dargestellten Breitengrade liegen und somit zusammengenommen, von oben gesehen, das darstellen, was die antiken Ägypter als sogenannte geodätische Orakeloktave betrachteten. Laut Temple sahen die Ägypter übrigens in Behdet „das geodätische Zentrum der alten Welt“[15].
Die Frage, welche sich unweigerlich stellt, lautet, wie kamen die alten Ägypter dazu, der Musik eine so große Bedeutung beizumessen, dass sie ganz bewusst die Orakelstätten um sie herum mit einer geodätischen Oktave verbanden?
Wir wissen, dass einer dieser Stätten, nämlich Delos, dem griechischen Gott Apoll gewidmet war, welcher der Musik auch heilende Kräfte beimaß.
Waren die Fähigkeit zur Entwicklung komplexer Musik und die damit verbundenen Klänge in ihrer Ursprünglichkeit also ein Geschenk der Götter an die Menschen?
Abbildung 3
Tempel des Apolls (Türkei).
Foto: Domaris / Pixileo.de
„Apoll, der gemeinsam mit Zeus und Athene zu der Dreiheit der obersten Gottheiten gehörte, wurde von den Hellenen als der Gott der Musik – und gleichzeitig der Wissenschaft - verehrt. Im leuchtenden Glanz bewegte er sich durch die Himmelsräume, dabei schlug er seine Leier und verzauberte die Himmlischen wie Sterblichen musikalisch. Interessant ist die Auffassung der Griechen, Apoll habe aus der Regellosigkeit und der Willkürlichkeit durch die Musik die Welt zur Ordnung geführt. So verstanden die antiken Griechen musikalische Darbietungen als kultgebundene Kunstwerke: „Die Musik [war] ein wesentlicher Bestandteil kultischer Vorgänge, ein unmittelbarer Anruf und eine Ehrung der Götter und zugleich für den Menschen ein magisches Mittel der [...] Erlösung.“ Weiter schreibt Nack Wägner in „Hellas. Land und Volk der alten Griechen“[16]: „Bei der nach griechischer Vorstellung engen Verbindung des eigenen Lebens zu dem Weltdasein musste sich auch das Weltall mit Musik erfüllen. Nach der mythisch-poetischen Ansicht der Griechen zogen selbst Himmelskörper im harmonischen Einklang mit der Musik der Sphären ihre Bahnen über den Himmel.“ Musik, die eine Welt der Ordnung schuf, Musik, die das Weltall erfüllte, Musik als Möglichkeit zur unmittelbaren Anrufung der Götter: haben wir es bei diesen Vorstellungen mit einer fernen Erinnerung an kosmische Kommunikationsmöglichkeit durch Musik zu tun?“ [17]
Wie weiter oben bereits erwähnt, verbindet sich mit der Wirkung der Musik als heilendes Instrument auch der Einfluss auf die Psyche bzw. das Bewusstsein des Menschen. Manche Klänge oder auch Rhythmen dienten so zum Beispiel als Mittel, um veränderte Bewusstseinszustände, wie etwa Trance, zu erreichen. Schamanen bedienen sich bereits seit Jahrtausenden dieser Methode. Auch Buchstabenfolgen, wie etwa die indogermanische Silbe „Om“, weisen, wenn sie auf einer bestimmten Frequenz (meist durch Kehlkopflaut) intoniert werden, eine Trance-Wirkung auf. Für die Buddhisten war und ist die Silbe „Om“ der Urklang des Universums[18]. In seinem Buch „Das Sirius Rätsel“ weist Tempel auch auf eine weitere Übereinstimmung des Wortes „Om“ mit der ähnlich lautenden griechischen Orakelstätte „Omphalos“ hin[19].
Musik: Kontaktmedium zu den Göttern
In diesem Zusammenhang stellt sich mir die Frage, woher denn die antiken und vor ihnen sicherlich auch die steinzeitlichen Menschen eigentlich wussten, dass bestimmte Klänge einen Einfluss auf ihr Bewusstsein hatten. War die Entwicklung von Musik und damit einhergehender Bewusstseins verändernder Zustände ausschließlich Evolutions- und damit zufallsbedingt, oder steckt weitaus mehr dahinter?
Sehen wir die Gabe zur Entwicklung von bestimmten Klängen und Musik – neben ihrer natürlichen Entwicklung innerhalb einer kulturellen Evolution - darüber hinaus als ein Geschenk außerirdischer Götter an die Menschen, so könnte sie wirklich dazu gedient haben, die spirituelle Bewusstseinsentwicklung der Spezies Homo sapiens zu beeinflussen. In diesem Zusammenhang wäre es nach meinem Dafürhalten sogar denkbar, dass eine außerirdische Intelligenz die Gene unserer hominiden Vorfahren so programmiert haben, dass sie – neben anderen kognitiven Leistungen - auch dazu in der Lage waren, die Entwicklung ästhetischer Fähigkeiten, wie etwa Musik, zu ermöglichen. Beeindruckend ist auch, dass nur der Mensch, abgesehen vielleicht von Walen, dazu in der Lage ist, Musik zu komponieren, zu empfinden und damit als ein Mittel unter anderem zur Kommunikation und Bewusstseinserweiterung zu nutzen.
Sakrale Tempel waren ebenfalls immer ein Ort, wo der Mensch versucht hat, unter anderem mittels Musik Kontakt zur göttlichen Sphäre herzustellen.
Große spirituelle Bauwerke, wie etwa beispielsweise die gotischen Kathedralen, wurden von ihrer Geometrie her geradezu als steinerner, harmonischer Klangkörper konzipiert, welcher „die menschliche Stimme auf eine ganz besondere Art zum Schwingen“ bringt[20].
Ebenfalls in Stonehenge scheinen akustische Effekte eine nicht unwesentliche Rolle gespielt zu haben. So fanden Wissenschaftler der englischen Universitäten Salford und Huddersfield heraus, dass die Steine von Stonehenge den Klang archaischer Musikinstrumente wie etwa Trommeln oder Hörner reflektierten und immer wieder zurückwarfen, wodurch ein geradezu hypnotisierender Klangteppich