Die Todesliste. Irene Dorfner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Irene Dorfner
Издательство: Bookwire
Серия: Leo Schwartz
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742716514
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noch brauchen“, sagte Tatjana genervt.

      Leo konnte auf den unsympathischen Mann vorerst auch verzichten und folgte Tatjana, die bereits an der Eingangstür des Fitnessstudios wartete. Für einen kurzen Moment war Tatjana irritiert: War das da hinten nicht der Wagen, den sie mehrmals im Rückspiegel gesehen hatte? Sie wischte den Gedanken beiseite, schließlich glichen sich die Fahrzeuge wie ein Ei dem anderen. Und wer sollte ihnen folgen? Und warum? Wurde sie durch ihren Job jetzt auch schon paranoid? Sie kannte das von vielen Kollegen, die von Jahr zu Jahr immer misstrauischer wurden und denen alles und jeder verdächtig vorkam. Wurde sie jetzt auch schon komisch? Vielleicht brauchte sie einfach nur Urlaub. Das letzte Mal, als sie sich erholen konnte, war lange her. Sie war nicht paranoid, sie war nur urlaubsreif. Es war jetzt auch für sie endlich an der Zeit, mal so richtig auszuspannen.

      Carter Waves war wütend. Er hatte herausgefunden, dass Hans Hielber im Urlaub war. Ein Telefonat mit der Zentrale der Mühldorfer Polizei hatte genügt, um an diese Information zu kommen. Verdammt, damit hatte er nicht gerechnet. Er atmete tief durch und versuchte, sich zu beruhigen, auch wenn ihm das sehr schwerfiel. Waves war schon immer aufbrausend, fast cholerisch gewesen, was ihm in der Vergangenheit stets Ärger einbrachte. Diesmal musste er sich zusammenreißen und ruhig bleiben. Nicht auszudenken, wenn er diesen Job vermasselte! Schließlich zählte John auf ihn und diesmal wollte er ihn nicht enttäuschen. Es gab eine Planänderung, die er nicht zu verantworten hatte und die er akzeptieren musste. Gut, dann musste er eben mit seiner Rache an Hiebler warten, bis der aus dem Urlaub zurück war, was kommenden Sonntag der Fall sein würde. Heute war Donnerstag. Bis Hiebler zurück war, hatte er genug Zeit, um sich um Schwartz und die Alte in Ulm zu kümmern. Zum Glück hatte er noch keinen Rückflug gebucht.

      Als Leo Schwartz aus dem Polizeigebäude gekommen war, hatte er ihn sofort erkannt. Die Fotos seiner Opfer, die ihm Bloomberg zusammen mit einem Bündel Geldscheine überreicht hatte, hatte er sich eingeprägt. Diesem Schwartz musste er auf den Fersen bleiben, einen günstigen Moment abwarten und ihn dann abknallen. Nach diesem Job ging es dann direkt nach Ulm. Die Alte würde ein Kinderspiel werden.

      Aber jetzt galt seine ganze Aufmerksamkeit vorerst nur Leo Schwartz.

      3.

      Rudolf Krohmer hatte sich auf seine Couch gelegt und die Augen geschlossen. Das half ihm, wenn er Sorgen hatte und seine Frau nicht erreichbar war. Luise war heute mit einer Freundin beim Shoppen in München und dabei wollte er sie nicht stören. Die wenigen Male, in denen sie sich solch eine Auszeit gönnte, waren sehr rar.

      Krohmer war niedergeschlagen. Die Tatsache, dass einer seiner langjährigsten Mitarbeiter in Kürze für immer ging, gefiel ihm nicht. Er mochte Werner Grössert, außerdem hasste er Veränderungen. Aber er musste sich damit abfinden, dass seine gewohnte Mannschaft bald nicht mehr existierte. Jetzt galt es, nach vorn zu blicken und nach einem neuen Kollegen Ausschau zu halten.

      Nach noch nicht einmal zwanzig Minuten stand seine Sekretärin vor ihm. Noch bevor er sie anmaulen konnte, bemerkte er ihr Gesicht: Es muss etwas passiert sein.

      „Der Staatsanwalt hatte einen Herzinfarkt“, sagte Maria Rettermaier immer noch erschrocken. Die Nachricht kam vor einer Minute rein. „Eberwein ist in der Kantine einfach umfallen.“

      „Doch nicht etwa bei uns?“

      Maria nickte nur.

      „Was wollte Eberwein hier?“

      „Er wollte Sie dringend sprechen. Ich bat ihn, in der Kantine einen Kaffee zu trinken, da Sie Ihre Ruhe haben wollten.“

      „Ganz ruhig, Frau Rettermaier.“ Krohmer bemerkte, dass seine Sekretärin zitterte. Nahm sie sich die Sache so sehr zu Herzen? „Wie geht es Eberwein?“

      „Ich weiß es nicht, die Ärzte sind bei ihm.“

      Jetzt verstand Krohmer, dass Eberwein immer noch hier war. Er machte sich sofort auf den Weg zur Kantine. Viele Kollegen hatten sich dort versammelt und beobachteten, was dort gerade geschah. Der Notarzt kümmerte sich um Eberwein, der nicht ansprechbar war. Krohmer drängelte sich an den Schaulustigen vorbei, für die er sich schämte. Als er bemerkte, dass es einige tatsächlich wagten, mit ihren Handys Fotos zu machen oder gar zu filmen, wurde er wütend.

      „Unterlassen Sie das! Haben Sie keinen Anstand?“, schrie er die betreffenden Kollegen an, die sofort beschämt ihre Handys einsteckten. „Haben Sie nichts zu tun? Weg hier, aber schnell!“, herrschte er die Kollegen an, die sich daraufhin sofort davonmachten. Dann wandte sich Krohmer an den Notarzt.

      „Wie geht es ihm? Kommt er durch?“

      „Das kann ich nicht sagen. Wir bringen ihn ins Krankenhaus, dann sehen wir weiter.“

      „Hat er noch etwas gesagt?“

      „Nur wirres Zeug.“

      Krohmer musste hilflos mit ansehen, wie Eberwein weggebracht wurde. Dann wandte er sich an das Personal der Kantine.

      „Hat jemand gesehen, was passiert ist?“

      „Der Staatsanwalt hat sich an die Brust gefasst und ist vom Stuhl gekippt. Das ging rasend schnell, niemand konnte reagieren. Dort ist er gesessen.“

      Auf dem Tisch lag noch Eberweins Handy, das Krohmer an sich nahm. Sonst hatte der Staatsanwalt nichts hinterlassen. Ob er es wagen konnte, sich das Handy genauer anzusehen? Warum nicht? Als Krohmer die letzten gewählten Nummern erkannte, war er überrascht. Eberwein hatte auffallend oft versucht, Schwartz, Grössert und Struck zu erreichen. Sogar Hieblers Nummer erkannte er. Was sollte das? Was wollte er von den Kollegen?

      Krohmer ging die gespeicherten Nummern durch und wählte die Nummer von Eberweins Frau. So schonend wie möglich musste er ihr mitteilen, was passiert war. Endlich verstand sie und unterbrach einfach das Gespräch, was Krohmer sehr gut verstand. Wie er wohl an ihrer Stelle reagieren würde?

      Als er aufgelegt hatte, klingelte das Handy und Krohmer ging dran.

      „Sie haben angerufen, Herr Eberwein?“, meldete sich Werner Grössert.

      „Krohmer hier. Der Staatsanwalt hatte einen Herzinfarkt.“ Dann legte er auf.

      Werner war erschrocken, damit hatte er nicht gerechnet. Das Schicksal des Staatsanwaltes war tragisch, aber das ließ ihn die Vorfreude nicht trüben. War das falsch? Mag sein, aber er konnte nicht anders.

      4.

      Im Neuöttinger Fitnessstudio war nicht viel los, was um diese Uhrzeit niemanden verwunderte. Einige ältere Herren stemmten gelangweilt die wenigen Gewichte. Nur einer nahm den Sport sehr ernst, denn er schwitze stark und stöhnte unter der Last. Drei Damen mittleren Alters saßen an der Bar und tranken ein für Leo undefinierbares Gebräu. Er vermutete einen dieser Fitnessdrinks, die ganz sicher widerlich gesund schmeckten. Tatjana machte sich darüber keine Gedanken. Sie war erstaunt darüber, dass die Damen im arbeitsfähigen Alter um diese Uhrzeit im Fitnessstudio waren. Aber das ging sie nichts an, deshalb waren sie nicht hier.

      „Kriminalpolizei. Wir möchten den Geschäftsführer sprechen“, sagte sie laut an die junge Frau hinter Bar gewandt und zeigte ihren Ausweis. Sofort sahen alle in ihre Richtung. Leo war das unangenehm, schließlich gingen sie nur einer anonymen Anzeige nach.

      Die junge Frau war erschrocken und holte den Chef. Der fünfundvierzigjährige, drahtige, braungebrannte, muskulöse, riesige Mann im hellblauen Jogginganzug kam nur wenige Minuten später auf die Kriminalbeamten zu.

      „Erich Perzlmeier“, stellte er sich mit einem festen Händedruck vor, wobei er die beiden bat, in der Kaffeeecke Platz zu nehmen.

      Leo starrte nur auf die fette Goldkette, an der ein goldener Panther hing, auf dem viele Edelsteine glitzerten. Ob der Klunker echt war?

      „Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Ein Wasser oder einen unserer beliebten Fitnessdrinks?“

      „Gott bewahre!“, entfuhr es Leo, der