Käpten Rumbuddel und Pietje. Helmut Höfling. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Helmut Höfling
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844260878
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als das Ruder, denn mit seiner Kochmütze hätte er auch seine ganze Würde verloren. Das bildete er sich jedenfalls ein.

      Und Pietje…? Der Satansbraten konnte mal wieder nicht nahe genug dabei sein! Er war an die äußerste Bugspitze gelaufen und beugte sich über die Reling, um möglichst tief in das Riesenmaul des Teufelsrachens blicken zu können.

      So war ich noch der Einzige, der sich gegen das Schicksal stemmte. Genauer gesagt: gegen die Speichen des Ruders, um die Fliegende Möwe doch noch vor dem Teufelsrachen zu bewahren.

      Da erschütterte ein fürchterliches Fauchen die Luft! Der Steuermann riss für einen Augenblick den Kopf hoch, so dass er geradewegs in den Rachen des Ungeheuers starrte.

      „Es verschlingt uns mitsamt dem Schiff!“, stöhnte er.

      „Na warte, dem Biest werd ich’s geben!“, rief Pietje und lief über das Deck.

      „Wo rennst du denn hin, Pietje?“, wollte der Koch wissen.

      „In die Kombüse, die Kartoffeln und Fische holen!“

      „Heiliger Klabautermann!“, brummte ich. „Der Junge ist verrückt geworden. Was sollen jetzt noch Kartoffeln und Fische nützen?“

      Beschwörend hob Smutje die Arme. „Und noch dazu angebrannte…!“, jammerte er.

      Ich hatte schon tausend Gefahren getrotzt und alle mutig bestanden. Aber ich muss gestehen, dass auch ich jetzt das letzte Stündlein für uns alle gekommen hielt.

      Ein solch grässliches Ungeheuer wie den Teufelsrachen hatte ich noch nie gesehen! Erst schien es mir nur aus einem einzigen Riesenschlund zu bestehen, mit scharfen Zähnen darin wie Sägen von einem Dutzend Sägewerke. Aber dann erkannte ich, dass dieses Ungeheuer auch noch unzählige Fangarme hatte, mit denen es meilenweit alles umschlingen und in sein Riesenmaul hineinschieben konnte. Für ein solches Riesenmaul war unsere Fliegende Möwe nicht mehr als ein Heringshappen!

      Nach menschlichem Ermessen waren wir verloren. Trotzdem stemmte ich mich mit dem Mut der Verzweiflung weiter gegen das Ruder. Ich wollte mich nicht wie eine Maus verkriechen, sondern aufrecht der Gefahr ins Auge sehen.

      Und wieder fauchte der Teufelsrachen. Er spie sogar Feuer aus seinem Schlund wie ein Drache.

      „Wir müssen das Steuer halten!“, brüllte ich mit überschnappender Stimme, um das Tosen des Meeres und das Fauchen des wütenden Ungetüms zu übertönen.

      „Das ist zwecklos, Käpten, wir schaffen es nicht!“, rief mir Smutje zu.

      Bei dem fürchterlichen Fauchen des Teufelsrachens hatte er einen Augenblick lang erschrocken die Hände vors Gesicht gehalten – und im Nu war ihm die weiße Küchenhaube davongeweht. Jetzt stand er da, innerlich geknickt und mit herabhängenden Armen. Es war schwer zu sagen, was ihn mehr lähmte: die Angst vor dem Teufelsrachen oder der Verlust seiner Mütze.

      Als ich dann zur Seite blickte, sah ich plötzlich Pietje auftauchen. Todesmutig beugte sich der Lausebengel über die Reling. Er hielt einen großen Kessel im linken Arm, langte mit der rechten Hand hinein und holte eine angebrannte Kartoffel heraus.

      „Der Junge ist verrückt!“, krächzte der Koch. „Jetzt füttert er das Ungeheuer auch noch!“

      Pietje holte zum Wurf aus und schleuderte dem Teufelsrachen die Kartoffel mitten ins Riesenmaul. Und, o Wunder, der Teufelsrachen klappte sein Maul zu, um die Kartoffel runterzuschlucken!

      „Pietje, du bist ein Goldjunge!“, schrie ich außer mir vor Freude.

      Während der Teufelsrachen sein Maul schloss, bekam der Steuermann vor Staunen die Maulsperre. Plötzlich rief er:

      „Jetzt sperrt das Biest sein Riesenmaul wieder auf!“

      Pietje feixte und sagte ganz ruhig: „Dann werfe ich wieder eine Kartoffel rein – und noch ’nen Fisch dazu.“

      Das tat er dann auch – und wieder machte der Teufelsrachen sein Maul zu, um die Leckerbissen zu schlucken. Vor lauter Begeisterung ließ ich das Ruder los und machte einen Freudensprung.

      „Nur weiter so, Junge!“, jubelte ich. „Vielleicht kommen wir doch noch mit heiler Haut davon. Und ihr, Leute, reißt das Steuer rum!“

      Das brauchte ich nicht zweimal zu sagen. Denn plötzlich war wieder Leben in die Besatzung gekommen. Der Steuermann, Smutje und die halbe Mannschaft stürzten sich mit Feuereifer aufs Ruder.

      Aber noch war die Gefahr nicht gebannt! Die Fliegende Möwe schlingerte und legte sich scharf backbord, ohne jedoch vom Kurs auf den Teufelsrachen abzukommen. Das Ungeheuer fauchte unbändig, als verlange es noch mehr zu fressen. Deshalb rief ich dem Schiffsjungen zu:

      „Pietje, füttere das Biest weiter!“

      „Keine Bange, Käpten!“, erwiderte der Bengel. „Ich hab noch genug angebrannte Kartoffeln und Fische. Besser der Teufelsrachen frisst sie, als dass ich sie nachher zur Strafe selbst verdrücken muss.“

      Eine Kartoffel und einen Fisch nach dem anderen warf der Teufelskerl dem Teufelsrachen ins gefräßige Maul, so dass das Ungeheuer dauernd schlucken musste und gar nicht dazu kam, seine Fressgier an uns zu stillen.

      Während der Teufelsrachen derart beschäftigt war, gelang es uns, den Bug des Schiffes haarscharf an ihm vorbeizusteuern. Die Rahen knarrten, und die Spitze des Großmastes durchpflügte die kochende See: So scharf lag unsere Fliegende Möwe auf der Seite! Aber besser auf der Seite als im Bauch des Teufelsrachens liegen!

      „Nur noch ein kleines Stück, Leute“, feuerte ich die Mannschaft am Ruder an, „dann haben wir’s geschafft.“

      Es waren aufregende Sekunden. Das Herz schlug uns bis zum Hals. Wir alle schielten zu Pietje hinüber und wünschten uns, sein Kessel mit den angebrannten Kartoffeln und Fischen möge nie leer werden – wenigstens nicht, solange wir uns noch im Sog des Teufelsrachens befanden. Unermüdlich feuerte der Bengel unser Mittagessen ins Riesenmaul des Ungeheuers, bis wir mit unserem Schiff endlich an ihm vorbei waren.

      „Wir sind gerettet!“, jubelte der Steuermann.

      Ein vielstimmiges Geschrei brandete über das Deck. Die Männer lagen sich in den Armen und tanzten vor Freude. Zum letzten Mal griff Pietje in den Kessel, und da er ihn leer fand, schleuderte er ihn übermütig dem überlisteten Teufelsrachen ins Maul.

      Ich stürzte auf den Schiffsjungen zu und drückte ihn an meine breite Kapitänsbrust. „Pietje, du Teufelskerl, wie bist du nur auf den Einfall gekommen?“

      Der Bengel lachte lausbübisch und meinte: „Ich bin ja nicht auf den Kopf gefallen, Käpten. Vorhin hat mich doch Smutje durchgehauen.“

      „Weil er unser Essen hat anbrennen lassen“, erklärte der Koch.

      „Und zur Strafe sollte ich den Fraß allein runterschlingen“, fuhr Pietje fort. „Als das Ungeheuer auftauchte, da dachte ich mir: Jetzt weg mit dem Zeug, dann brauchst du es nicht mehr selbst zu essen!“

      „Und weil das Ungeheuer jeden Happen hinunterschlucken musste, fand es keine Zeit mehr, uns mitsamt dem Schiff zu verschlingen“, fiel ich lachend ein.

      „Tja, Pietje“, sagte Smutje gerührt und schlug dem Jungen auf die Schulter, dass er in die Knie sank. „So hast du uns allen das Leben gerettet! Tut mir leid, Pietje, dass ich dich vorhin so verbimst habe.“

      Da griff der Junge mit beiden Händen nach seinen Pobacken und sagte schmollend:

      „Die Prügel kann man ja leider nicht zurücknehmen.“

      „Die schreib ich dir dann gut bis zum nächsten Mal, wenn du mal wieder was ausgefressen hast“, meinte der Koch lachend, und wir alle stimmten in das Gelächter mit ein.

      Als kleinen Ausgleich für die Prügel bot Smutje dem Schiffsjungen die Brüderschaft an. Dazu tranken sie ein Gläschen oder auch zwei – natürlich Rum, den ich stiften musste. Und seit der Stunde duzten sich der Kleine und der Dicke.

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