Der Tod und seine Sense. Thomas Seidl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Seidl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847668145
Скачать книгу
doch, oder? Ihr seid doch die Cheetals, oder? Alle Frauen liegen euch zu Füßen. Ich habe ein... einmal ein Konzert von euch in Eintorglauf gesehen. Ihr wart umwerfend.“

      „Ja, das waren wir, aber wir haben vor einem halben Jahr unsere Zitrone verloren. Sie war unsere Muse. Sie war alles für uns! Ohne sie sind wir nichts mehr, und so ziehen wir jetzt durch das Land und spielen einfach so, in der Hoffnung, wir würden sie irgendwie in uns selbst wiederfinden.“

      „Ja, richtig! Eure Zitrone war euer Markenzeichen. Ich kann mich noch genau daran erinnern. Es ist schlimm, wenn man das Wichtigste verliert.“ Turf schaute sehr betrübt drein, doch der Tod begann zu drängeln.

      „Irgendwann ist überall die Zeit zu gehen und Abschied zu nehmen, also trauert nicht zu lange, denn es macht keinen Sinn. Haltet eure Zitrone in eurem Herzen, und ihr werdet wieder zu euch finden.“

      Turf war sehr überrascht über das Feingefühl des Todes und wollte auch etwas Schlaues sagen, doch da legte die Band los.

      „Und eins, zwei, drei … Wir leben in einer gelben Welt, gelben Welt, gelben Welt, denn gelb ist das, was uns gefällt.“ Bla, bla, blablabla … So sang die Band noch zehn Minuten weiter. Der Tod konnte sich das Geheule nicht weiter anhören, aber Turf gefiel es und wiegte sich mit der Musik hin und her.

      Endlich war es dem Tod gelungen, Turf von den Zitronensängern loszureißen, und nachdem sie der Band Lebewohl gesagt hatten, marschierten sie weiter.

      Bald brach die Nacht herein, und Turf und der Tod mussten einen Schlafplatz finden. Auf einer kleinen Anhöhe gleich neben der Straße bereiteten sie sich ein Lager vor. Ein kleines Feuer sollte sie wärmen, obwohl dies natürlich für den Tod nicht wichtig war, denn mit seinem Klappergestell konnte er weder erfrieren noch brauchte er wirklich Schlaf, aber Turf war hundemüde und erschöpft.

      Kaum hatte sich Turf mit ein paar großen Ästen zugedeckt, als er plötzlich ein Geräusch hörte. „Wer ist da?“, schrie er laut. „Komm schon, zeig dich, wer immer du bist!“

      Aber niemand antwortete. Turf versuchte weiterzuschlafen, denn er dachte, sich das alles nur eingebildet zu haben. Aber das Geräusch kehrte wieder. „Wer ist da?“, rief Turf jetzt schon ein wenig verängstigt. Und wieder bekam er keine Antwort. Der Tod, der neben ihm lag, schnarchte laut weiter, und es schien so, als könnte ihn nichts wecken.

      Turf rüttelte ihn. „Tod, wach auf! Tod! Komm schon, wach auf, hier ist jemand!“

      Der Tod setzte sich auf. „Was ist los, Turf?“, murrte er.

      „Hier ist jemand, ich höre ständig Geräusche.“

      „Turf, hier ist niemand! Wir sind irgendwo in der Wildnis, das wird wahrscheinlich nur ein herumstreunendes Tier sein, also leg dich nieder und schlaf weiter.“

      Turf tat, was ihm der Tod sagte, obwohl er ein ungutes Gefühl hatte. Er legte sich wieder nieder und versuchte einzuschlafen, aber es ging nicht. Dann hörte er das Geräusch wieder. Schnell schoss er hoch und sah sich um.

      Der Tod bemerkte das und war sichtlich genervt. „Turf! Nur wegen dir machen wir hier Rast! Also erhole dich, denn morgen haben wir noch einen langen Marsch vor uns.“

      Da hüpfte wie aus dem Nichts ein Mann herbei. „Halt! Ihr seid sicher Verbrecher! Ergebt euch oder ich werde euch eine Lektion erteilen!“

      Turf starrte ihn an. Der Mann hatte ein komisches Kostüm an und ein kleines Laken über sein Gesicht gewickelt. „Warum ist dein Gesicht verhüllt?“, fragte Turf verwundert.

      „Ich bin der Lakenmann“, brummte der Fremde. „Ich kämpfe gegen das Unrecht und ihr seid Verbrecher, also ergebt euch!“

      „Oder?“, fragte der Tod leicht hämisch nach.

      „Oder ich bringe euch zur Strecke!“

      Der Tod lächelte, soweit er das konnte ? zumindest sah es so aus ? und legte sich wieder nieder. „Weck mich, wenn dieser Verrückte wieder weg ist!“ Dann hörte man den Tod auch schon wieder schnarchen.

      Turf aber war leicht verängstigt. „Wir, wir sind keine Verbrecher, wirklich nicht!“

      Aber der Lakenmann war sich seiner Sache sicher. „Doch, ihr seht aus wie Verbrecher und darum seid ihr das auch!“

      Turf schaute ihn ungläubig an. „Wie sehen denn Verbrecher aus?“, wollte Turf wissen.

      „Na, wie ihr halt!“, schnaubte der Lakenmann zurück.

      Turf wunderte sich, denn niemand hatte in ihm jemals einen Verbrecher gesehen, eher das Gegenteil, alle hatten sich immer gedacht, Turf könne niemandem jemals ein Haar krümmen. „Ich bitte dich! Schau mich mal an, ich kann keiner Fliege was zuleide tun“, versuchte Turf den komischen Mann zu beruhigen.

      „Du vielleicht nicht, aber dein Freund sieht mir gefährlich aus.“

      „Das ist der Tod, du Dummkopf!“, erklärte Turf entrüstet.

      „Das ist der Tod? Wirklich der Tod? Ich habe von ihm gehört, doch ich dachte immer, er sei größer. Und überhaupt – wo ist seine Sense, wenn er der Tod ist?“

      „Ja, das ist auch das Problem. Sie wurde ihm gestohlen, und wir sind auf der Suche danach.“

      „Sie wurde gestohlen? Das ist ein Auftrag für den Lakenmann! Ich werde sie wiederfinden und euch bringen. Aus großer Macht folgt große Verantwortung, denn ich bin der Verteidiger der Unterdrückten. Ich bin das Heil gegen das Unheil. Ich bin…“, dann stotterte er plötzlich ganz aufgeregt, „Ich bin … Ich bin … na, ihr wisst schon, auf jeden Fall, ein Fall für den Laaakenmaaaaannnn …!“, schrie er, so laut er konnte. Dann schwang er sich mit einem beherzten Sprung aus dem Sichtfeld des Feuers und verschwand.

      Was für ein Irrer!, dachte Turf und legte sich neben dem schlafenden Tod auch wieder schlafen.

      Am nächsten Morgen machten sich die beiden weiter auf nach Helmsweg. Nach einem langen Marsch erblickten sie die hohen Mauern der Stadt. Was waren sie froh endlich da zu sein! Aber die Mauer, welche die ganze Stadt umschloss, war gigantisch hoch. Am Tor wurden sie von der Miliz aufgehalten.

      „Halt, wer da?“, brüllte einer von ihnen.

      „Wir wollen nur Helmsweg besuchen“, erklärte Turf.

      „Wir haben aber Anweisung von unserem König, dass wir niemanden durchlassen dürfen. Also geht eurer Wege.“

      „A...ber, aber wir müssen dringend in die Stadt“, meinte Turf mit Nachdruck.

      „Dann braucht ihr einen Passierschein, denn sonst darf weder wer raus noch rein. Die ganze Stadt ist abgeriegelt, denn die Hasen sind los.“

      „Ihr habt waaas?“, fragte Turf mit einem gewissen Unverständnis.

      „Ihr wisst doch, die Hasenplage vor vielen, vielen, vielen Jahren oder Jahrzehnten ? ich weiß nicht, ich war damals noch nicht geboren ?, aber die Hasen sind wieder los. Also darf hier niemand rein oder raus!“

      Der Tod tippte Turf auf die Schulter. „Wir müssen einen anderen Weg finden!“

      Sie drehten sich um und wanderten an der Mauer entlang.

      „Tod, wie sollen wir anders als durch das Tor in die Stadt kommen? Siehst du nicht, wie hoch die Mauern sind?“

      „Weißt du, Turf, das Schicksal wird uns leiten, und wenn wir in die Stadt kommen müssen, werden wir auch in die Stadt kommen. So ist das Leben eben.“

      „Du redest vom Leben, Tod? Du holst doch alle, die sterben! Du hast doch gar keine Ahnung!“

      Plötzlich plumpste ein Mann vom Himmel genau vor ihre Füße.

      Turf erschrak.

      Doch der Mann stand einfach wieder auf. „Ui, ich bin nicht tot, wie kann das sein? Ich bin von der Mauer gefallen, welch ein Wunder. Gott beschützt mich!“

      Der Tod trat einen Schritt näher an den Mann, der immer noch am