Schatten der Zitadelle. Robin Mayerle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robin Mayerle
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847677093
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Es bedeutete keine große Anstrengung für ihn, denn Klettern war er durch sein Leben in der Wildnis gewohnt. Als er oben angekommen war, konnte er mit seinen scharfen Augen erst das ganze Ausmaß der Verwüstung überblicken. Das Dorf maß nicht wenige Einwohner, aber dennoch war beinahe jedes Haus ausgeraubt, zerstört oder stand in Flammen.

       Aber auf dem Platz sind zu wenig tote Dorfbewohner für so einen großen Ort. Was ist mit den Anderen geschehen?

      Er blickte in Richtung des dunklen Flecks am Himmel. Von hier aus konnte er Theta zwar auch nicht finden, aber wesentlich besser erkennen, was die Ursache für das seltsame Phänomen war. Er kniff die Augen zusammen, um genauer sehen zu können und glaubte, ein großes Gebäude am Himmel auszumachen.

       Die ganze Situation wurde ihm immer unbehaglicher. Ein komplett zerstörtes Dorf, Tethas plötzliches Verschwinden und ein in der Luft schwebendes Gebäude.

       Das riecht nach Ärger.

      Behände schwang er sich wieder vom Dach des Gebäudes und landete unversehrt auf dem Boden. Eine alte Kunst seines Volkes, der Mor'grosh. Es hatte nicht nur Vorteile, ein Halbork zu sein, aber das gehörte mit Sicherheit dazu.

      Eilends sprintete er zu dem merkwürdigen Objekt, dem er die Verantwortung für die seltsamen Geschehnisse zuschrieb.

       Als er näher kam, wurden immer mehr Details dieses zitadellenähnlichen Baus erkennbar. Es schimmerte schwarz-bläulich und schien aus einem Ganzen gefertigt zu sein, denn man sah keine Fugen oder andere Verbindungselemente. Seine Form war im Grundriss viereckig und auf dem flachen Dach thronte eine stabförmige Spitze. Sie war violett und etwa fünf Fuß lang. An der Unterseite war eine Art Plattform angebracht, die wahrscheinlich dazu diente, in das Innere des Gebäudes zu gelangen.

       Aber das wirklich Beeindruckende war die Tatsache, dass die schwarze Zitadelle schwebte. Beinahe fiel ihm die Kinnlade herunter, so fassungslos war er. Wie war das möglich?

       Nachdem er nun beinahe unter dem Bau stand, hörte er knurrende Laute. Theta! Er hetzte in die Richtung, aus der die Geräusche gekommen waren. Am Ende einer Gasse stand sie, wütend fauchend, um sich mehrere Angreifer vom Leib zu halten. Broxx hatte diese Wesen noch nie gesehen. Ihre Haut glänzte in der gleiche Farbe wie die Zitadelle und trotzdem konnte man beinahe durch sie hindurchsehen. Agil bewegte er sich auf die Feinde zu. Es waren drei an der Zahl, doch mit wenigen geübten Streichen seiner beiden Äxte schaltete er die Gegner aus. Sie blieben jedoch nicht einfach so liegen, sondern veränderten die Farbe und schienen die Gestalt von Menschen anzunehmen. Verwirrt und verwundert blieb er stehen und rieb sich den Kopf vor Erstaunen, als er ein Kreischen hörte. Am Ende der Straße, auf der er und die Bärin sich befanden, stand ein Weiteres dieser Geisterwesen und gab laute Schreie von sich. Er stürmte auf es zu und streckte auch dieses mühelos nieder, doch noch ehe er seine Waffen wegstecken konnte, eilten von allen Seiten weitere Gegner herbei. Die Beiden waren umzingelt und die Feinde rückten langsam auf sie zu. Als sie einen engen Kreis gezogen hatten, griffen sie an. Sie waren nicht ansatzweise so stark oder geschickt, wie ein kampferprobter Kopfgeldjäger wie Broxx, aber dennoch konnten sie ihm aufgrund ihrer schieren Masse stark zusetzen.

      Der Kampf dauerte lange an und zehrte an seinen Kräften. Nur mit größter Mühe wehrte er die meisten Angriffe der Geisterwesen ab, erlitt jedoch einige Schnittwunden.

       Worauf seine Äxte auch trafen, überall waren diese schemenhaften Gestalten, die, wie er nach und nach erkannte, sowieso gewöhnlichen Menschen ähnelten. Doch wie aus dem Nichts tauchte nun ein fünfzehn Fuß großes Exemplar auf, das ihn mit seinen gewundenen Hörnern an einen Oger erinnerteund ihn fast um das Doppelte überragte.

       Die kleineren Gegner machten dem Riesen ehrfürchtig Platz.

       Wild stürmte es auf Broxx zu, nur knapp verfehlte der Hieb des mächtigen Streitkolben Broxx’ Körper. Dieser war gerade noch rechtzeitig zurückgewichen und versuchte jetzt, seinen Gegner über die Seiten zu attackieren. Aber diesem reichte ein Handstreich aus, um den Angriff aus der Bahn zu lenken.

       Die kleineren Wesen führten nun ein hitziges Gefecht mit Theta. Sie musste sich gegen mehrere Feinde gleichzeitig wehren, wobei sie, auch wenn ein ausgewachsener Bär wie sie eine unbändige Kraft verkörperte, aufgrund ihrer Unbeweglichkeit stark benachteiligt war. Von hinten konnten ihre Gegner sie gut angreifen und so drehte und wendete sie sich wie eine Furie, um nicht getroffen zu werden.

       Während sie zahlreiche Gegner zur Strecke brachte und trotzdem die Flut der Feinde nicht endete, kämpfte Broxx noch immer gegen das riesige, fremdartige Wesen.

       Unzählige Angreifer waren den beiden Gefährten schon zum Opfer gefallen, doch die Härte des Kampfes und die schiere Masse an Kontrahenten forderte ihren Tribut. Der Mor'grosh spürte, wie sein Körper immer kraftloser wurde und es ihm schwerer viel, seinem Gegner stand zu halten. Da er dieses Hin und Her nicht mehr lange durchhalten würde, beschloss er, seine letzte Kraft in einen einzigen vernichtenden Schlag zu legen und so den Riesen niederzustrecken.

      Er sprang hoch, die Äxte über den Kopf erhoben, um auf dessen Rücken zu landen. Doch sein Versuch wurde jäh unterbrochen. Das Geisterwesen hatte ihn im Flug am Hals gepackt und hielt ihn daran in der Luft. Aus dem Augenwinkel konnte er erkennen, wie in diesem Moment auch die verwirrte Theta überwältigt wurde, dann wurde ihm schwarz vor Augen...

      ***

      Langsam öffnete Broxx die Augen.

      Sein Kopf schmerzte furchtbar und seine Glieder lechzten nach Bewegung. Bei dem Versuch, sich zu strecken, schürfte er die dick verkrusteten Handgelenke wieder auf. Erst jetzt registrierte er, dass er sich in einer Gefängsniszelle befand.

       Er blickte sich um. Die Wände schienen feucht und schmierig und das einzige Stück der Einrichtung war ein Loch, ganz in seiner Nähe, das wahrscheinlich dazu dienen sollte, seine Notdurft zu verrichten. Die Gitterstäbe, wie auch seine Fesseln, waren aus massiven, unzuberbrechlichen Metall gefertigt. Sämtliche Versuche, sich zu befreien, waren vergebens, auch mit der Kraft seiner kampfgestählten Arme.

       Da er keinerlei Fluchtmöglichkeit ausmachen konnte, ergab er sich vorerst verzweifelt seinem Schicksal.

       Einige Stunden später kam eine der Kreaturen, die ihn gefangen genommen hatten – sie war wesentlich kleiner als ihre Artgenossen und ein langer Bart schmückte das Kinn - an seine Zelle und schob ihm etwas zu Essen herein.

       „He, du, was wollt ihr von mir?“, brüllte er, doch als keine Antwort kam, machte er sich gierig über den zähflüssigen Brei her, auch wenn er nicht wusste, was das war. Es schmeckte nicht sonderlich, aber es mussten Tage vergangen sein, seit er das letzte Mal etwas zwischen die Zähne bekommen hatte, demnach zu urteilen, wie sein Magen knurrte.

       Eine Weile überlegte er noch, wie lange er wohl schon hier eingesperrt war und was die Wesen von ihm wollten, doch bald wurde er wieder schläfrig und seine Sinne schwanden ihm.

      Die Tage verstrichen und er vegitierte vor sich hin. Ab und an wurde ihm zu Essen gebracht, doch den Brei konnte er schon bald nicht mehr ertragen. Immer drängender und wütender versuchte er, Antworten zu erhalten, denn das Unwissen machte ihn wahnsinnig.

       Aber nie beantwortete eines der fremden Wesen seine Fragen.

      Lange Zeit verging, Wochen flossen dahin. Immer wieder hörte er, wie andere Gefangene gebracht oder abgeholt wurden und immer mehr Fragen warfen sich auf.

       Was tun diese Kreaturen? Was wollen sie von mir? Wo ist Theta? Werde ich jemals hier rauskommen?

      Nach gefühlt unendlich langer Zeit wurde schließlich auch er von einem besonderes großen Exemplar seiner mysteriösen Gefängniswärter aus seiner Zelle geholt. Er streckte und dehnte seine Muskeln, nach einer solchen Ewigkeit ohne Bewegung waren sie sehr schwach.

       Aber sofort wurden seine Fesseln enger gezurrt und die Kreatur schleifte ihn lange, glatte Korridore entlang, in einen großen Raum.

       Dieser mutete äußerst seltsam an. Große Fässer mit grünem Inhalt standen überall herum, es brodelte in verschiedenen Fläschchen und an den Wänden hingen Zeichnungen von verschiedenen Kreaturen, die wie Baupläne aussahen.