Die Grüne Welle. Alexander Gairing. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alexander Gairing
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742776761
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allem Elis. Sie kam mir oft lachend entgegen, wenn ich allein unterwegs war und sagte: „Wo warst du so lange?“, und fügte gleich mit einem schönen Lächeln hinzu: „Ich habe dich vermisst.“ Wenn ich so etwas Nettes hörte, freute ich mich. Vor allem hatte ich den Eindruck, sie wusste, wie sie mich ansprechen kann. Eines Tages arbeitete ich in meiner Garage, ganz unbewusst drehte ich mich um und sah, dass Elis mitten auf unserem Weg, circa fünfzig Meter von mir entfernt, stand. Ich denke, dass sie eine Zeitlang fast wie angewurzelt dort stand und mich genau beobachtete. Ich dachte mir nichts dabei, drehte mich wieder um und schraubte weiter an meinem Stromkabel. Nach einer Weile drehte ich mich nochmal um. Elis stand noch immer seelenruhig da und schaute direkt zu mir. Ich fragte mich, was sie dort machte und wendete mich wieder meiner Arbeit zu. Nach kurzer Zeit sah ich wieder nach ihr. Sie stand noch immer auf der gleichen Stelle, fixierte mich ganz genau, sehr prüfend. Ich war überrascht. Zum Donnerwetter, was tut sie so lange dort? Erst als ich ihr freundlich zuwinkte, lachend und erfreut, ging sie zum Spielen.

      Für eine Neunjährige war sie mit ihren Gedanken und Ausdrücken sehr fortgeschritten, sogar viel weiter entwickelt als die elfjährige Mery. Es stellte sich schnell heraus, dass ihre Eltern sehr eigenartig waren. Sie hatten niemals für ihre eigenen Kinder Zeit, nicht mal für einen kleinen Spaziergang. Und wenn die Eltern einen kleinen Ausflug unternahmen, ließen sie die Kinder ganz allein zuhause. Zum einen spielten die Kinder, bauten aus Sand, gemischt mit Erde, Burgen und Türme. Wenn sie dann schmutzig wurden, sind sie zu mir gekommen und baten mich, ob sie sich die Hände bei uns waschen könnten. Ich fragte: „Warum geht ihr nicht nach Hause?“ Mery sagte: „Das dürfen wir nicht, unsere Eltern erlauben uns das nicht.“ Ein anderes Mal gab es mit verschiedenen Kindern Problemen, dadurch bekamen sie für eine ganze Woche Hausarrest.

      Sie waren immer hungrig und durstig, sie baten mich immer um etwas zu trinken oder etwas zu essen. Ich konnte es einfach nicht übers Herz bringen, ihnen nichts zu geben. Das, was ich hatte, bekamen sie auch und sie bedankten sich höflich und aßen und tranken mit aller Zufriedenheit. Dies zu sehen, machte mir sehr große Freude. Ich fragte ganz überrascht: „Warum geht ihr nicht nach Hause und holt aus dem Kühlschrank etwas zu essen oder zu trinken?“ Sie antworteten wiederum: „Das dürfen wir nicht.“

      Sie waren alle überhaupt nicht dick, sie brauchten das Essen, und ich verstand überhaupt nicht, wie man es fertig bringen kann, Kinder hungern zu lassen. Für mich ist das mehr als sehr eigenartig. Die Mutter kochte selten, nur spät am Abend gab es selbstgebackene Pizzas oder offenfertige Gerichte, wovon die Kinder mir auch etwas anbieten durften.

      Tag für Tag wurde unsere Freundschaft immer größer. Wir gingen oft mit unserem Hund spazieren. Die Mädchen hatten viel Freude daran, sie lernten schnell, sich mit dem Hund anzufreunden. Pate hatte immer viel Angst und ging niemals mit uns raus. Ich selbst hatte viel Freude mit den Mädchen, besonders mit Elis. Sie waren alle drei sehr verspielt und auch ziemlich frech, manchmal sogar zu frech, aber sie schafften es immer, mit mir alles zu machen, was sie so wollten. Einmal waren die drei Mädchen mit einer Freundin vor meiner Garage am Scherzen und Elis sagte ganz unerwartet zu mir: „Ziehst du dich für uns aus?“ Alle lachten vergnügt über mein überraschtes Gesicht, als ich nicht mehr wusste, welche Antwort ich in so einer Situation geben sollte. Für mich war das nur ein kindliches Spiel. Aber ich möchte auch betonen, dass bei allen wilden Spielen, die wir gemacht haben - zum Beispiel brachten sie mich oft zu Boden und waren froh, wenn sie es endlich geschafft hatten, mich zu überfallen und festzuhalten, wobei sie ihre Hände, Beine und Füße überall quer auf meinen Körper stellten und ich es sehr lustig fand, von ihnen gefangen zu sein. Doch während ich versuchte, mich zu befreien, habe ich sie, wenn auch ganz ungewollt, für einen kurzen Augenblick zwischen den Beinen gestreift.

      Danach bombardierten sie mich sofort mit Schlägen durch ihre Fäuste und Fußtritte auf die Brust, den Bauch und die Füße, manchmal sogar ins Gesicht. Sie erlaubten und wollten es nicht, dass ich sie berühre, obwohl manchmal nichts anders möglich war. Besonders dann, wenn man drei wilde Mädchen über sich hatte.

      Elis versuchte in unserem Garten oder Hof, sogar vor den Augen der eigenen Mutter, immer und immer wieder, so oft wie sie konnte, meine Shorts oder Badehosen runter zu ziehen und Kate, wenn sie dabei war, machte natürlich auch sofort mit. Nur Mery hat sich immer brav benommen und schaute lachend zu. Die Mutter aber machte nur die Kinder mit erhobenem Zeigefinger darauf aufmerksam, dass man das nicht tut. Aber sie spielten trotzdem weiter, ohne auf sie zu achten. Die Mutter sagte dann: „Wenn ihr nicht sofort aufhört, dann hole ich gleich den Papa her.“ Schon bei dem Wort „Papa“ hörten die beiden sofort auf. Wenn aber Papa raus kam und nach den Kindern rief, dann kamen sie sofort alle Vier - und zwar ohne einen Laut von sich zu geben - und gingen brav nach Hause.

      Elis erfand alles, um mich in Verlegenheit zu bringen. Warum sie ausgerechnet mit mir diese eigenartigen Spielchen trieben, habe ich nie herausgefunden. Vielleicht, weil sie von ihren Eltern die Zuneigung, die sie brauchten, nicht bekamen. Was sie aber bei diesen Spielen an mir so interessant fanden, wurde mir niemals so richtig klar, aber wo und wie oder von wem sie das gelernt hatten, das fragte ich mich schon öfter.

      Eines Tages gingen wir wie so oft mit meinem Hund spazieren. Ganz plötzlich fingen alle drei ganz laut an zu schreien: „Du bist ein Kindermörder.“ Sie wollten damit nicht aufhören, bis ich wütend wurde und sie anschrie: „Hört sofort auf! Aufhören mit dem Quatsch! Woher habt ihr diese Dummheiten?“ Elis antwortete: „Wir sehen oft XY-Ungelöst über den Laptop, weil wir keinen Fernseher haben.“ Mery ergänzte: „Natürlich dann, wenn unseren Eltern aus dem Haus gegangen sind. Hier haben wir einen Kindermörder gesehen, der so aussieht wie du und du willst uns auch töten.“ „Ihr seid total verrückt, ihr Dummchen“, antwortete ich. Sie hatten wirklich eine unmöglich große Fantasie. Die Spiele wurden langsam zu frech. Die kleine Kate fing oft an mit Dummheiten, wie: „Wen von uns willst du als erstes küssen?“ oder „Wen von uns liebst du?“ und so weiter. Das Zusammensein mit allen dreien wurde mir mit der Zeit zuviel. Vor allem Kate konnte nicht aufhören zu schreien. Irgendwann wurde das für mich mehr als unerträglich und es ging dann so weit, bis ich Kopfschmerzen bekam, das ging wirklich zu weit. Zu Kate sagte ich: „Wenn du damit nicht aufhörst, dann nehme ich dich nicht mehr mit, verstanden.“ Aber sie wollte mit diesen Blödheiten nicht aufhören und ich nahm sie beim Spazierengehen tatsächlich nicht mehr mit. Ich bemerkte, dass sie mir einen sehr bösen Blick zuwarf und sehr beleidigt war. Mir tat es leid, ich hatte aber die Hoffnung, dass es für sie eine Lehre sein würde. An einem anderen Tag ging ich wieder mit meinem Hund spazieren. Elis und Mery liefen mir nach, so wie sie es oft machten und sie überredeten mich, Kirschen pflücken zu gehen, was wir dann auch taten. Wir pflückten und aßen mit großem Genuss und einige Kirschen nahmen wir dann auch mit. Während wir nach Hause gingen, fingen sie wieder mit dem Kindermörder-Geschrei an. Ich war sehr aufgeregt und bat sie, sofort Schluss zu machen und sagte: „Wenn jemand uns hören würde, dann könnte er die Polizei anrufen.“ Mery sagte gleich: „Wir brauchen uns nicht zu fürchten, weil wir Kinder sind, uns machen sie nichts, aber dich bringen sie ins Gefängnis.“ Für mich war diese Aussage verblüffend frech und sehr gemein. Schon in diesem Moment hätte ich sofort reagieren sollen und Schluss mit diesen frechen Spatzen machen müssen. Aber ich Idiot dachte, das ist nur ein dummer Spaß.

      An einem Morgen fand ich die Mädchen draußen, in einem imposanten Buch lesend. Sie zeigten es mir, es war ein geistliches Buch über bekannte Klosterfrauen. Sie sagten: „Wir wollen, wenn wir erwachsen sind, ins Kloster gehen und Nonnen werden.“ Ich weiß nicht mehr, wie ich reagierte, aber sie wirkten sehr beleidigt und gingen alle drei nach Hause. Aber nach circa einer Stunde kamen sie wieder und spielten weiter mit mir. In diesem Moment wurde mir klar, warum sie sofort anfingen, mich zu schlagen mit Fäusten und Fußtritten, wenn ich sie aus Versehen berührte.

      Irgendwann später nannten sie mich Dedleig, was so viel heißt wie „lieber Opa.“ Nachdem die Kinder ins Bett gegangen waren, saßen wir mit den Eltern bei einem Glas Wein bis spät in die Nacht, Obwohl für meine Frau das Zusammensein nicht so geheuer war. Sie mochte den Herr Konac nicht. Aber so wie das überall üblich ist und mit dem Lauf der Zeit, wurde eine Freundschaft daraus. Gemeinsam hatten wir in unserem kleinen Vorgarten Erdbeeren, Blumen und verschiedene Pflanzen eingesetzt.