Blutschwertzeit. Manfred Lafrentz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Manfred Lafrentz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738013153
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machten. Fliegen schwirrten um sie herum.

      „Könnt Ihr den Männern nicht sagen, dass sie hier noch nichts zu befürchten haben?”, fragte er mürrisch.

      Iri sah ihn belustigt an. „Ihr wollt, dass ich mit ihnen rede? Sie werden kein Wort von dem glauben, was ich sage. Sie werden auf mein Schwert starren und sich fragen, ob ich es ziehen werde.”

      Der Hauptmann fluchte. Sein linkes Auge stand höher als das andere. Es verlieh seinem Gesicht einen ewigen Ausdruck von Gehetztheit und Unruhe. „Was werden sie erst tun, wenn wir ins Aelfengebiet kommen?” Er trieb sein Pferd an und ritt wieder nach vorne, wo er Befehle schrie und versuchte, die Reihen zu ordnen.

      Iri sah ihm nachdenklich dabei zu. Er sehnte die Zeit herbei, in der er nicht mehr mit dem Heer ziehen musste. Wenn die Soldaten kämpften, wenn sie starben, falls es überhaupt dazu kam, würde er nicht dabei sein. Die Blutschwertmänner kämpften allein. Sie duften nur allein kämpfen.

      Gegen Abend schlugen sie auf einer Wiese ein Lager auf. Iri ging herum und amüsierte sich darüber, wie die Männer seinen Blicken auswichen, wenn er an ihnen vorbeikam. Manchmal glaubte er die düstere Wolke zu sehen, die ihn in ihren Augen umgab.

      Einer aber schlug die Augen nicht nieder, sah ihn fast herausfordernd an.

      „Was glotzt du, Mann?”, fragte Iri, halb belustigt, halb ärgerlich. „Hast du mich schon mal gesehen?”

      Der Mann schüttelte den Kopf. Er hatte eine Narbe unter dem linken Auge. Sie leuchtete weiß in seinem braunen Gesicht und sah aus wie ein Krater. „Aber ich kenne Leute wie dich.”

      „Leute wie mich?”, fragte Iri barsch. „Wo bist du Leuten wie mir begegnet?”

      Die Soldaten, die in der Nähe des Mannes saßen, erhoben sich und zogen sich unauffällig zurück.

      „In der Schlacht am weißen Fluss. Die Blutschwertmänner haben auf der Gegenseite gekämpft und viele von uns getötet. Meine Narbe habe ich bekommen, als ich den Mann, der in meinem Dorf neben mir wohnt, aus dem Getümmel gezogen habe und mit ihm weggelaufen bin.”

      Iri betrachtete den Mann aufmerksam. Er war massig und untersetzt, ein kräftiger Bauer, der in einer Schlacht furchteinflößend wirken mochte. „Eine Narbe aus einem Kampf ist mehr als die meisten hier haben. Wie heißt du?”

      „Farli Frekissohn.”

      „Wir kämpfen nicht in Schlachten, Farli Frekissohn.”

      „Damals schon. Ihr habt auch Eure eigenen Leute getötet.”

      Iri lachte. „Das hätten die Fürsten wissen müssen.”

      Farli zuckte mit den Achseln. „Sie haben es gewusst. Es war ihnen egal.”

      „Wer hat gewonnen?”

      „Unsere Seite. Die Blutschwertmänner haben mehr von den eigenen getötet als von uns.”

      Iri lachte lauthals. „Du gefällst mir, Farli Frekissohn. Es stimmt, manchmal befehlen die Fürsten uns, in ihren Schlachten zu kämpfen. Es ist ein Glücksspiel.”

      „Die Spielschulden müssen die Soldaten bezahlen”, brummte Farli. „Für uns gibt es im Krieg kein Glück.”

      Iri sah ihn nachdenklich an. „Was hältst du von diesem Krieg, in den wir ziehen?”

      Farli winkte ab. „Ich glaube nicht an einen Angriff der Aelfen. Die Fürsten wollen einfach mehr Land. Mehr Land, das wir für sie bestellen können, damit sie mehr Abgaben eintreiben können. Damit sie mehr Macht bekommen. Wir sollten die Aelfen in Ruhe lassen. Es ist gut, dass sie ihr eigenes Land haben.”

      „Die Aelfen sind eine Gefahr”, sagte Iri kühl. „Es hat Überfälle gegeben.”

      Farli lachte. „Glaubt Ihr das wirklich? Niemand hier hat je Aelfen gesehen.”

      „Ich habe sie gesehen.” Iris Stimme war dumpf. „Und ich kann dir versichern, es sind Kreaturen, die dem Menschen feind sind. Wir können nicht nebeneinander leben.”

      „Sie leben nicht da, wo ich zu Hause bin”, sagte Farli störrisch. „Warum müssen wir so weit nach Norden ziehen, um gegen sie zu kämpfen? Wo sind ihre Heere? Warum stoßen wir nicht auf sie, wenn sie dabei sind, unser Land zu erobern?”

      „Du bist scharfsinniger als gut für dich ist, Bauer.”

      „Mag sein. Ich bin nicht so scharfsinnig wie Ihr denkt, aber ich bin nicht dumm. Es gibt da oben im Norden viele Wälder, die gerodet werden können. Viel Platz für Felder und um Vieh zu weiden. Ihr habt mich gefragt, was ich von dem Krieg halte. Ich glaube, es geht nur um die Gier der Fürsten.”

      „Hast du keine Angst, so mit mir zu reden?”, fragte Iri eisig. „Mit einem Blutschwertmann?”

      Farli zuckte die Achseln. „Ihr habt mich gefragt. Was hättet Ihr davon, wenn ich mich dumm stellte?”

      Iri lächelte grimmig. „Du hast Recht. Auch mit dem Krieg, aber das spielt keine Rolle.”

      „Für mich schon”, sagte Farli. „Ich sollte zu Hause sein, meine Felder bestellen, mein Vieh versorgen. Alles liegt nun in der Hand meines Sohnes. Er hat erst fünfzehn Sommer gesehen. Wie wird es dort aussehen, wenn ich zurückkomme? Dem Fürsten ist es egal; er verlangt trotzdem seine Abgaben. Wenn er Krieg führen will, soll er es mit seinen Soldaten tun. Und mit Leuten wie Euch. Das Kämpfen ist Euer Geschäft. Ich will nur ein Bauer sein.”

      Iri schwieg. Der Mann war tatsächlich nicht dumm. Wahrscheinlich dachten viele wie er, waren aber zu feige, es auszusprechen. Er stimmte ihm zu, was den Grund für den Krieg anging. Die Fürsten wollten ihren Machtbereich vergrößern, wollten mehr Einnahmen. Aelfenland war reiches Land. Es hieß, es gebe Silber in den Bergen. Er selbst hatte es den Fürsten eingeflüstert.

      Iri stand auf und klopfte sich ein paar Erdbrocken von der Hose, heftiger und länger als es vonnöten gewesen wäre.

      „Du irrst dich, Farli Frekissohn. Mein Geschäft ist nicht das Kämpfen, mein Geschäft ist das Töten. Aber in einem anderen Punkt hast du Recht. Es wird Land gebraucht, denn es gibt immer mehr Menschen und sie brauchen immer mehr Land. Willst du deinen Platz in deinem Dorf räumen, damit jemand anderes an deine Stelle tritt?” Seine Stimme wurde hart. „Die Aelfen müssen verschwinden. Dafür ziehen wir in den Krieg.”

      Farli sah ihn nachdenklich an, dann senkte er den Blick. Iri hatte wie ein Blutschwertmann gesprochen. Niemand widersprach einem Blutschwertmann.

      Sie marschierten über Weideflächen, deren Ränder durch Wälle vom Wald getrennt wurden, Mauern, zusammengefügt aus unförmigen, von Moos überzogenen Felsbrocken. Gras wuchs zwischen den Fugen und zitterte im Wind. Es waren Mauern gegen die Angst. Nicht hoch. Nicht hoch genug für die Angst vor dem Wald. Dünne Fichtenstämme zogen sich Erdhügel hinauf; einige waren weiß und tot. Dahinter lagen tiefe Schatten.

      „Diese Mauer ist ein jämmerlicher Schutz gegen Schatten”, dachte Iri.

      Sie lagerten diesseits der Mauer bei einem verlassenen Hof. Dessen Bewohner waren nach Süden geflohen; die Fenster waren mit Brettern vernagelt. Ein Wagen mit zerbrochenen Radspeichen steckte in einer Schlammkuhle. Katzen strichen zwischen den Häusern herum, jammerten kläglich und fragend. Es war menschenleeres Land, den Geistern jenseits der Mauer überlassen.

      Als es Nacht wurde, wälzten sich die Schatten wie eine Flut aus dem Wald heran und brandeten gegen den Wall.

      4

      Tag für Tag stand Folke am Tor der Schmiede, verweilte, wenn er Holz abgeliefert hatte, und starrte auf das wild flackernde Feuer. Das Blitzen des glänzenden Stahls verfolgte ihn bis in seine Träume. Die klirrenden Schläge der schweren Hämmer hatten sich in seinem Kopf festgesetzt, spukten dort herum in einem Rhythmus, der ihn nicht mehr loslassen wollte. Auch die Warnung der anderen Jungen hatte nichts daran ändern können. Er