Mord in Hombrechtikon und Tod am Wasserfall. Martin Renold. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martin Renold
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847699545
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dann ist das Kapitel zu Ende. Geh doch schon zu Bett. Ich komme gleich nach.

      Als Strahm sich gerade erhob, schrillte das Telefon.

      „Was ist los?“, fragte die Frau, als er den Hörer auflegte.

      „Ich muss noch weg. Walser hat angerufen. Ein Mord in Hombrechtikon. Der Schriftsteller Federbein.“

      „Was, Michael Federbein!?, rief Gertrud und hielt sich die Hand vor den Mund, als ob sie die Frage zurückhalten wollte. „Das ist doch unmöglich.“

      „Doch. Hast du schon etwas von ihm gelesen=“

      „Ja, seinen letzten Roman.“

      „Walser wird mich gleich abholen. Wir fahren zusammen in seinem Wagen.“

      Strahm zog Schuhe und Kittel an.

      Keine zehn Minuten später klingelte es.

      Strahm, der schon ungeduldig im Zimmer hin und her gegangen war, griff hastig nach dem alten Schlapphut auf dem Garderobenbrett, ohne den er nie ausging, drückte ihn tief in die Stirn und riss die Tür auf.

      „Pass auf!“, mahnte Gertrud und schloss hinter dem Hinauseilenden die Tür ab.

      Walser steuerte in Richtung Zollikerberg auf die Höhenstraße zu. Die Straßen waren schon beinahe wieder trocken. Als sie auf die Forch kamen, sahen sie, dass sich das Gewitter gegen das Oberland verzogen hatte. Über dem Hörnli und gegen das Toggenburg und den Säntis wetterleuchtete es noch. Im Westen über dem Zürichsee hatten sich die Wolken schon geteilt, und der aufgerissene Himmel verhieß für morgen wieder einen schönen, heißen Sommertag.

      Als sie bei der Kirche von Hombrechtikon vorbeifuhren, schlag es gerade zwölf.

      „Weißt du, wo es ist?“ fragte Strahm.

      „Ja, auf der andren Seite des Dorfes, im Laufenbach“, antwortete Strahms Kollege. „Nach der großen Kurve Richtung Wolfhausen… Jetzt, da vorne, müssen wir rechts abbiegen.“

      „Erst im letzten Moment, bei der großen Scheune, sahen sie die kleine Tafel mit der Aufschrift „Laufenbachstraße“ und die Abzweigung.

      Das Haus des ermordeten Schriftstellers war nun leicht zu finden. Es war bereits von der Polizei umstellt.

      Strahm kannte den Schriftsteller Michael Federbein nur von Bildern in Zeitungen und Illustrierten und aus dem Fernsehen. Gelesen hatte er noch keines seiner Werke. „Das unschuldige Haus“, ein Stück von ihm, hatte er vor zwei oder drei Jahren einmal im Schauspielhaus gesehen, zusammen mit seiner Frau. Er erinnerte sich nur noch an den Titel.

      Walser hatte den Wagen bei dem kleinen, geteerten Fußweg angehalten, der von der Straße etwa fünfzig Schritte über die Wiese zu dem Bungalow führte. Rechts neben der Eingangstür brannte das Licht. Links neben der Tür stand das vergitterte Küchenfenster offen. In der Küche brannte ein Neonlicht.

      Das Grundstück war, so weit man sehen konnte, gegen die Wiese zu, also gegen Norden, umzäunt. Es war jedoch nur ein niedriger Holz-, ein Staketenzaun, über den ein normal großer Mann mit einem Schritt hinwegsteigen konnte, ohne ihn zu berühren.

      Walser und Strahm gingen auf das offene Gartentor zu. Der Weg, der zum Eingang führte, war mit Platten belegt. Aber rechts zweigte ein schmaler, ebenfalls mit Platten belegter Weg ab, der um das ganze Haus, bis auf die Vorderseite zu gehen schien.

      Strahm trat nicht ins Haus, sondern wählte den Weg durch den Garten. Die Kantonspolizei hatte den ganzen Garten und die südliche Front des Hauses ausgeleuchtet. Der Bungalow hatte den Grundriss eines großen L. Strahm begrüßte die Polizisten, ohne den Hut zu ziehen, mit einem leichten Antippen des vom jahrelangen Tragen bei Sonne, Wind und Regen speckig gewordenen Randes, ging an ihnen vorüber und schritt die ganze Vorderfront ab. Alle Zimmer außer dem einen, auf der Westseite, waren erleuchtet. Strahm stellte fest, dass von jedem Zimmer eine Glastür auf den Garten hinausführte. Neben dem unbeleuchteten Zimmer war ein Schlafzimmer, danach folgte nochmals ein Schlafzimmer, dann ein Arbeits- oder Bibliothekzimmer. Seine Wände waren ringsum von Bücherregalen verdeckt. Auf einer Seite, etwas von der Wand entfernt, stand ein massiger Schreibtisch aus Nussbaumholz.

      Im Winkel des Hauses befand sich ein teilweise überdeckter Gartenplatz, der im Osten, wo der Wald anfing, durch die Fensterfront des Wohnzimmers begrenzt und gegen Süden und Westen durch Sträucher etwas abgedeckt war. Auf der Südseite fiel das Gelände ziemlich steil ab. Auch weiter unten war Wald, und über den Wald hinweg sah man auf den See hinunter, der jetzt schwarz dalag, umrandet von den Lichtern am jenseitigen Ufer.

      Einen schönen Flecken Erde hat sich dieser Schriftsteller hier ausgesucht, dachte Strahm. So ließe ich es mir auch gerne gefallen. Doch dann dachte er gleich daran, dass Federbein ja tot war. Nun nützte es ihm ja auch nichts mehr.

      Strahm nahm den Blick zurück von den Lichtern jenseits des Sees und ließ ihn nur noch kurz über den gepflegten Garten schweifen, ehe er sich dem Haus zuwandte.

      Die Fenster des Wohnzimmers bildeten eine einzige Glaswand, die nur von den Fensterrahmen unterteilt war und die beinahe bis zum Boden hinunterreichte.

      Neben dem Arbeits- oder Bibliothekzimmer stand eine breite Tür offen, durch die man offenbar in einen Essraum gelangen konnte, der nur durch ein Cheminée vom übrigen Wohnzimmer abgetrennt war. Strahm wollte eintreten, aber er blieb plötzlich stehen und wandte sich nach seinem Assistenten um.

      „Da steht doch Federbein himself“, flüsterte er Walser zu. „Da stimmt doch etwas nicht. Oder habe ich dich falsch verstanden?“

      Walser zuckte nur die Schulter.

      Als Strahm sah, dass Walser ebenso überrascht war wie er, trat er ein.

      Federbein erhob sich.

      „Strahm“, stellte er sich vor. „Von der Kriminalpolizei. Und dies ist mein Assistent Walser.“

      Diesmal griff er mit drei Fingern an die für das Lüpfen des Hutes vorgesehene, ziemlich abgegriffene Stille, doch so, dass sich das lederne Schweißband kaum von seiner Stirne löste. Walser, der Strahms Gewohnheiten kannte, hatte noch nie in Erfahrung bringen können, ob dieser sich seiner spiegelglatten Glatze wegen scheute, den Hut zu ziehen, oder ob es sonst eine seiner Marotten war.“

      „Angenehm“, erwiderte der Angesprochene. „Mein Name ist Federbein.“

      „Entschuldigen Sie, aber man hat mir gesagt, Sie…“

      „Mein Bruder“, fiel ihm Federbein ins Wort. „Ich bin der Bruder des Ermordeten.“ Und er wies mit der Hand gegen das Wohnzimmer, wo noch Aufnahmen von dem Toten gemacht wurden.

      „Federbeins Bruder lag auf dem Boden zwischen einem offenen Fensterflügel und der Rücklehne eines leichten, schwarzen Ledersessels, der etwas zurückgeschoben vor einem niedrigen Tischchen stand.

      Strahm neigte sich über den Toten und sah ihm ins Gesicht.

      Das war die zweite Überraschung. Der Ermordete war das genaue Ebenbild seines Bruders.

      „Sind Sie der Schriftsteller?“, fragte Strahm, oder Ihr Bruder?“

      „Mein Bruder“, antwortete Federbein – das „mein“ tönte fast wie „moain“ – „ich bin Balthasar. Balz nannte man mich früher. In den Staaten hieß ich Bally. Ich bin erst heute aus New York herübergeflogen. Und jetzt so was. Wir sind Zwillinge, eineiige.“

      Strahm warf einen misstrauischen Blick auf Balz Federbein. Irgendetwas machte ihn stutzig. Die Stimme. Strahm hatte ein sensibles Ohr dafür. Etwas an der Stimme war unecht. Der amerikanische Akzent. Er schien falsch, gekünstelt. Wie es oft geschieht bei Leuten, meistens bei jüngeren, die in einer anderen Landesgegend geweilt haben und sich dann den anderen Dialekt schlecht und recht angelernt haben und sich nach ihrer Rückkehr so geben, als könnten sie den eigenen nicht mehr sprechen. So als schämten sie sich ihrer Wurzeln.

      „Wie lange waren sie drüben?“, fragte Strahm.

      „Ouh?“, überlegte Balz, „an die