Sheherazade - Mon Amour. Wolf Döhner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wolf Döhner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748589082
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in denen nichts zu laufen scheint. Vielleicht kann ich Ihnen ja mit der Geschichte, die Sie mit Recht hinter dem Mann auf dem Bild vermuten, eine kleine Anregung geben“,

      Sie sah mich kurz an, lächelte ein wenig und da ich schwieg, fing sie an zu erzählen.

      Das Sheraton Hotel in Bagdad war immer noch schwer gezeichnet von den vielen Einschlägen der Granaten des Kriegs. Und doch war es für ausländische Gäste einer der wenigen Orte in der geschundenen Stadt, in der sie relativ sichere Unterkunft finden konnten. Vor einigen Monaten hatte die Bevölkerung den Sturz des verhassten Diktators Saddam Hussein begeistert gefeiert und die siegreichen Amerikaner in den Straßen hoch leben lassen. Doch der Euphorie folgte bald Ernüchterung, denn nun begann der Krieg der verschiedenen Volksgruppen gegeneinander. Die schiitische Mehrheit der Bevölkerung akzeptierte nicht, dass auch die neue Regierung immer noch sunnitisch dominiert war. Die Kurden im Norden des Landes sahen die Chance, ihre Autonomie auszubauen oder sich gar in einem unabhängigen Staat zu konstituieren, während die Al Khaida versuchte Einfluss zu gewinnen und die verhassten Amerikaner aus dem Land zu bomben. Und diese schließlich entpuppten sich oft genug nicht als Befreier, sondern als Besatzer, die auf der Jagd nach tatsächlichen oder vermeintlichen Terroristen immer wieder unschuldige Zivilisten erschossen. Die Lage war alles andere als befriedet und nicht viel besser als vor dem Krieg.

      Katharina hatte sich auf ihre Mission gründlich vorbereitet. Der Spiegel hatte ihr einen Vorschuss und die Möglichkeit gewährt sich ein Bild von der unübersichtlichen Lage in dem Land zu machen.

      Als sie den Taxifahrer bezahlt hatte und im Begriff war zur Rezeption zu gehen, trat ein großer, auffallend nach vorne gebeugter Mann auf sie zu. Er trug einen hellen Anzug und hatte einen Strohhut auf dem Kopf. Beim Lüften des Hutes kam sein dichtes schwarzes Haar zum Vorschein, das einen vorteilhaften Kontrast zu seiner hellen Kleidung bildete. In perfektem Deutsch sprach er sie an.

      „Sind Sie Frau Ulrich? Mein Name ist Kai Keller. Der Spiegel hat mich gebeten, sie hier zu empfangen und zu unterstützen.“

      Tatsächlich hatte Katharina in Deutschland den Hinweis erhalten, dass sie von einem Kontaktmann am Hotel empfangen werden würde und so begrüßte sie ihn erfreut, überließ ihm gerne ihren Koffer und den Rucksack, den dieser dann dem herbeieilenden Pagen übergab und betrat mit ihm die Empfangshalle, um dort einzuchecken. Auch dort waren noch einige Folgen der Kriegshandlungen zu sehen. Aber die Lounge war gut besucht.

      „Darf ich Sie zu einem kleinen Begrüßungsschluck an der Bar einladen? Ich werde mich nocheinmal überzeugen, dass Ihr Gepäck auf Ihr Zimmer gebracht wird.“

      Katharina war einverstanden und setzte sich an die Bar, während Keller enteilte.

      Nach einer Weile kam er zurück, setzte sich zu ihr. „Sie sind offensichtlich Deutscher“, meinte Sie und nippte an ihrem Longdrink.

      „Wie haben Sie das denn erraten?“, entgegnete Keller und lachte. „sehe ich so deutsch aus oder haben Sie jemanden anders erwartet?“

      „Stimmt, ich dachte, von einem einheimischen Kontaktmann begrüßt zu werden:“

      „Betrachten Sie mich einfach als einheimisch. Ich bin schon mehr als zwanzig Jahre in diesem Land.“

      „Wie kann man es so lange in diesem Land aushalten?“

      „Nun, der Irak ist ein wunderbares Land. Manche sagen, hier wäre die Wiege der Kulturen. Ich bin Archäologe müssen Sie wissen und war jahrelang am staatlichen archäologischen Museum hier angestellt. Trotz der vielen Diebstähle von Kulturgütern der Europäer im 19. und auch 20. Jahrhundert beherbergte das Museum hier immer noch wertvolle Funde und Einzelstücke. Das Museum war traditionell unter deutscher Leitung nicht zuletzt, weil viele Deutsche maßgeblich bei den wichtigsten Ausgrabungen beteiligt waren.“

      „Ja, ich weiß. Und dann wurde der Inhalt des Museums schon im iranisch- irakischen Krieg in einer Nacht und Nebelaktion sozusagen nach Deutschland ausgelagert. ...“

      „Stimmt, Sie kennen sich scheinbar aus. Ja, das war Anfang der achtziger Jahre. Ich bin dann hier hängen geblieben in gewisser Weise als privater Nachlassverwalter des Wenigen, was noch der Rede wert war.“

      „Trotz der Verhältnisse hier?“

      „Nun, bei aller Perfidität, die dem Saddam – Regime anhing, so gab es doch zumindest für uns Ausländer eine gewisse Ordnung und Freizügigkeit. Zur Zeit des Golfkriegs war Hussein sogar noch der Liebling der Amerikaner und des Westens. Sie hofierten ihn, weil er gegen den Iran zu Felde zog, während sie mit dem Irak blendende Geschäfte machten. Aber dieser verdammte Krieg hat alles auf den Kopf gestellt. Nichts von den erklärten Kriegszielen ist erreicht worden, der offizielle Grund, die Verhinderung des Einsatzes von Massenvernichtungswaffen hat sich als dreiste Lüge herausgestellt. Die regionale und geopolitische Lage hat sich dramatisch verschlechtert, der Westen und besonders die USA sind dabei, ihren Einfluss auf die Region komplett zu verlieren und Al Khaida lacht sich ins Fäustchen und wer weiß, vielleicht ist der flüchtige Saddam bald wieder mit neuen Verbündeten im Land.“

      Keller war zum Schluss seiner Rede fast heftig geworden.

      „Aber reden wir nicht von der Vergangenheit, reden wir von der Gegenwart, reden wir zum Beispiel von Ihnen und Ihren Absichten.“

      „Gute Idee, obwohl meine Absichten mit einem Satz erklärt sind. Ich bin auf der Suche nach allen Arten von Informationen und Hintergründen der derzeitigen Situation und zwar möglichst aus erster Hand“.

      „Etwas kleiner geht es bei Ihnen wohl nicht? Alle Arten von Informationen! Wollen Sie eine Doktorarbeit schreiben? Also entschuldigen Sie Frau Ulrich, Sie sollten schon die ein oder andere konkretere Vorstellung haben...!“

      „Ist ja gut Kai, ich darf Sie doch so nennen? Und bitte nennen Sie mich Katharina. Natürlich will ich so viele Informationen wie möglich während meines Aufenthalts hier sammeln und dabei bin ich in der Tat nicht wählerisch. Auf der anderen Seite interessiert mich zum Beispiel brennend, warum man Hussein noch nicht gefunden hat oder was die Bevölkerung zur derzeitigen Entwicklung sagt, wie ihre Lebensverhältnisse sind und ganz besonders interessieren mich die Spannungen zwischen den Sunniten und den Schiiten.“

      „Na also, das ist doch immerhin schon mal eine Ansage. Die letzten Punkte sind relativ leicht zu recherchieren. Die Frage wo Saddam steckt, ob er außer Landes hat fliehen können und eventuell eine fünfte Kolonne aufbaut, ist die 100.000 Dollar Frage, die nicht nur Sie gerne beantwortet haben wollen.“

      Kai machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr. „Allerdings gibt es da eine nicht ganz unwichtige Kleinigkeit, die Ihr Vorhaben erschwert.“

      „Und die wäre?“

      „Sie“

      „Wie Sie?“

      „Sie sind eine Frau und Frauen hatten selbst unter sozialistischen Bedingungen, die angeblich unter Saddam hier geherrscht haben, keinen leichten Stand. Die derzeit stark fundamentalistisch aufgeladene Situation macht es aber für sie noch schwerer, sich journalistisch zu betätigen.“

      Katharina stieß ein leises Lachen hervor. „Machen Sie sich um mich nur keine Sorgen, ich weiß mich zu wehren.“

      „Wenn Sie anfangen müssen sich zu wehren, ist es in der Regel bereits zu spät. Sie wären nicht der erste Journalist der hier bei seiner Arbeit getötet wurde – aber vermutlich der erste weibliche.“

      „Kai, es ist wirklich rührend, wie Sie um meine Sicherheit besorgt sind. Doch ich bin mir der Gefahren, die mich erwarten durchaus bewusst. Ganz so unbedarft oder naiv, wie Sie vielleicht meinen, bin ich nicht. Ich spreche recht ordentlich Arabisch und kenne mich in Bagdad ein wenig aus....“

      „ … Ah, jetzt steckt die Katze ihren Kopf aus dem Sack. Da bin ich dann doch gespannt wie sie aussieht, wenn sie ganz draußen ist.“

      Katharina lächelte ihn an, nahm ihren Longdrink und meinte. „Lassen Sie uns ein wenig auf die Terrasse gehen. Dort sind wir ungestörter.“

      Bereitwillig folgte Kai ihr nach draußen.