„Bei unserem letzten Treffen sagten sie uns, dass ihnen die Zeit in den Fingern zerrinnt“, erklärte Taligh. „Angeblich hätte ihre Anlage bei dem Angriff der Priester mehr Schaden genommen, als sie anfangs dachten.“
„Hm, davon haben sie uns noch gar nichts gesagt“, meinte Neneema.
„Dann ist ihre Lage vielleicht doch nicht so ernst. Wissen sie schon, dass die Teile des Kristalles vollzählig sind?“, fragte Taligh.
Héth-Béckûs schüttelte mit dem Kopf.
„Nein, aber wir werden sie in Kürze unterrichten. Und dann müssen wir sehen, wie wir ihnen helfen können. Ich bezweifle, dass es damit getan ist, den Kristall einfach in ihrer Pyramide zusammenzusetzen.“
„Ja, das wäre tatsächlich fast zu einfach“, fand auch Taligh.
„Ich habe noch einen anderen Vorschlag, was unsere verschollenen Freunde betrifft“, sagte Hyldan. „Mir kommt da ein Gedanke. Das Wissen, mit dem die Ax´lán offensichtlich erfolgreich Zeitreisen durchgeführt haben, haben sie sich bestimmt nicht erst hier angeeignet. Ihre technischen Mittel werden dazu kaum ausgereicht haben, entsprechende Versuche durchzuführen. Daher vermute ich, dass sie es von ihrem Heimatplaneten mitgebracht haben.“
„Ich verstehe“, sagte Neneema. „Du setzt auf die Hilfe der heutigen Ax´lán.“
„Genau.“
„Das wäre eine Möglichkeit. Vorausgesetzt, sie sind bereit dazu. Allerdings gibt es da einpaar kleine Probleme.“
„Ja, ich weiß. Man wird sie dazu überreden müssen, ihre Geheimnisse zu teilen. Immerhin verstoßen sie damit gegen keines unserer Gesetze, denn sie gehören nicht zum Zivilisationsrat.“
„Vorher müssen wir herausfinden, ob sie uns überhaupt helfen können, denn mir ist nicht bekannt, dass sie jemals Zeitexperimente angestellt haben.“
„Du meinst, sie könnten tatsächlich erst auf Elveran darauf gestoßen sein?“
„Ich halte es für möglich, obwohl wir eigentlich nur wenig von ihnen wissen“, sagte Neneema. „Die Ax´lán leben sehr zurückgezogen von anderen Völkern.“
„Zeitexperimente sind eine heikle Angelegenheit“, sagte der Offizier Tal-Vens. „Mit so etwas geht man nicht hausieren. Ich halte es für durchaus denkbar, dass die Ax´lán schon auf ihrem Heimatplaneten daran gearbeitet haben und es vielleicht immer noch tun, aber dann eben auch unter einer gewissen Geheimhaltung. Und wenn es so ist, werden sie sie vielleicht nicht aufgeben wollen, nur um einpaar Fremde von einem fernen Planeten zu retten, zumal sie mit uns keine besonders enge Freundschaft verbindet.“
„Dann blieben tatsächlich nur die Sinaraner“, meinte Hyldan. „Aber ich halte an meiner Überzeugung fest, dass die Ax´lán die Zeitexperimente nicht erstmals auf Elveran anstellten. Und ich wäre dafür, sie um Hilfe zu bitten. Ich glaube, in diesem Fall ist es gerechtfertigt. Schließlich haben ihre eigenen Leute den Schaden angerichtet.“
„Ich bezweifle, dass sie dieses Argument überzeugen wird. Die Ereignisse liegen immerhin über eintausendfünfhundert Elveranjahre in der Vergangenheit und es handelte sich um Sträflinge, Ausgestoßene ihres Volkes. Da wird heute keiner mehr die Verantwortung für ihre Taten übernehmen wollen.“
„Ihre Geheimnisse können uns doch eigentlich egal sein“, fand Gnee. „Wir wollen doch nur herausfinden, was aus unseren Freunden und meiner Schwester wurde. Danach können sie ja alles ohne Erklärungen wieder einpacken und mitnehmen.“
Einige lächelten, aber Gnee hatte genau den Umfang der erhofften Hilfe genannt.
„Es wird Wochen dauern, bis sie hier ankommen“, erklärte Thor-Halwis, der andere Offizier. „Selbst wenn sie Zeitreisen beherrschen und bereit wären, uns ihre Technik sofort zur Verfügung zu stellen, könnten sie kaum schneller hier sein. Ax´lûm liegt ziemlich weit entfernt.“
„Das ist mir bewusst“, erklärte Neneema. „Aber Hyldan hat Recht. Zur Rettung der Gruppe sollten wir nichts unversucht lassen.“
„Dann werde ich mich sofort darum kümmern, dass sie eine Botschaft von uns erhalten“, sagte Thor-Halwis.
Neneema nickte und er verließ den Raum.
Der Versuch einer Kontaktaufnahme mit den gegenwärtigen Ax´lán aufgrund der Umstände war nicht so abwegig, wie sie erscheinen mag, denn weder die Oson noch die Sinaraner waren mit ihnen verfeindet, nicht zu der Zeit der unbeabsichtigten Ansiedlung der Gefangenen auf Elveran und auch nicht zu der Zeit dieses Einsatzes. Zwar waren die Ax´lán nicht dem Zivilisationsrat beigetreten und ihr Heimatplanet lag außerhalb des Gebietes der Föderation, doch es herrschte ein gewisser Austausch zwischen ihnen und einigen anderen galaktischen Völkern.
Die Ax´lán, die einst auf Elveran landeten, gehörten, wie hinlänglich bekannt, zu einem Gefangenentransport zu einem entfernteren Gefängnisplaneten, der unwirtlicher war als Elveran und dazu von keiner höheren Lebensform besiedelt. Sie sollten ihn für die Ax´lán erschließen. Ihre Charaktereigenschaften hatten sie jedoch nicht erst auf Elveran entwickelt. Die Ax´lán galten schlechthin als nur bedingt umgängliche Wesen. Das änderte nichts daran, dass auch sie die Vorteile einer Zusammenarbeit mit anderen Völkern erkannt hatten. Und wer um ihr ausgeprägtes Eigeninteresse wusste und dazu ein gutes Verhandlungsgeschick bewies, konnte selbst mit den Ax´lán einträgliche Geschäfte machen.
In diesem Fall ging es jedoch um keinen Warenhandel, sondern um eine Hilfeleistung in einem Notfall, noch dazu mit Hilfe einer Technik, die sie zumindest nicht öffentlich bekannt gemacht hatten, wenn sie ihren Besitz, sollten sie diese Technik denn besitzen, überhaupt zugeben würden. Dass dieser Notfall ursächlich von einigen ihrer Volksgenossen in grauer Vorzeit verursacht worden war, würde ihre Hilfsbereitschaft sicher nicht sonderlich fördern. Damit hatte Tal-Vens bestimmt Recht. Die Ax´lán waren nicht bekannt dafür, besonders moralisch zu sein. Die Bemühungen der Oson war also alles andere als erfolgverheißend und weit entfernt davon, tatsächlich in eine tatkräftige Unterstützung zu münden. Aber, auch wenn sie sich tatsächlich dazu entschieden, den Oson zu helfen, ihre Unterstützung konnte frühestens in drei bis vier Wochen auf Elveran eintreffen.
Das wäre nicht unbedingt folgenschwer, wenn die Befreiung ihrer Freunde die einzige und letzte Aufgabe gewesen wäre, die auf Elveran wartete. Wenn das Zeitphänomen auch nicht leicht zu begreifen war, so war den Oson auf der ZETRIS doch klar, dass selbst in dem Fall, dass ihren Freunden später etwas zustoßen würde, oder zugestoßen wäre, sie die Zeit dann immer noch zurückdrehen konnten. Aber die Instabilität des Planeten und die unberechenbaren Eigenschaften des Chrysalkristalles ließen den Ausgang des ganzen Unternehmens mehr als ungewiss erscheinen und vielleicht hatten sie weniger Zeit, als sie dachten, um ihre Freunde zu retten. Deshalb hofften sie nicht weniger auf die Hilfe der Sinaraner.
„Aus diesem Grund werden wir die Befreiung der Sinaraner schon morgen beginnen“, erklärte Neneema. „Es gibt keinen Grund, noch länger zu warten. Ich würde zwar lieber zuerst versuchen, unsere Leute aus dem Zeitfeld zu holen, aber unter diesen Umständen haben die Sinaraner Vorrang.“
„Hoffentlich hält der Chrysalkristall nicht, was uns von ihm versprochen wurde“, meinte Taligh finster.
„Die Sinaraner haben uns ihr Wort gegeben, dass sie die Möglichkeit haben, für sichere Verhältnisse zu sorgen.“
„Hm, na hoffentlich überschätzen sie sich da nicht.“
„Da gibt es noch eine Beobachtung, die uns Rätsel aufgibt“, sagte Héth-Béckûs. „Vor zwei Tagen schickte die Antenne des Blauen Berges eine Reihe von Signalen in den Weltraum. Genau in die Richtung von Ax´lûm.“
„Nach Ax´lûm?“, wiederholte Taligh. „Das ist ja interessant. Konntet ihr die Signale verstehen?“
„Unsere Aufklärungsabteilung ist dabei, sie zu übersetzen. Sie waren verschlüsselt.“
„Was