Das Erbe der Ax´lán. Hans Nordländer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans Nordländer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738042412
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tun. Aber war es denn nicht dein Wunsch, den Großen Auszug anzuführen?“

      Und ob es so war, aber Trywfyn konnte sich nicht daran erinnern, es diesem unbegreiflichen Wesen gegenüber erwähnt zu haben. Und einen Wunsch zu hegen bedeutete ja noch nicht, dass er auch in Erfüllung ging. Trywfyn war sich sehr wohl bewusst, dass es bedeutendere Herrscher als ihn im Volk der Ogmari gegeben hätte, denen dieses Vorrecht eigentlich eher zukam. Seine eigene Regierungszeit war ausgesprochen ruhig verlaufen und es gab keine großen Ereignisse, die ihn in besonderer Weise hervorgehoben hatten. Aus diesem Grund hatte er ja auch die Zeit gehabt, zusammen mit Tjerulf die Geheimnisse des Planeten zu erforschen. Ein rechter Anführer bei dem Großen Auszug wäre der legendäre Edoral Scheldun gewesen, der sein Volk aus der Seemark herausgeführt und nach langer Wanderschaft bis ins spätere Land Ogmatuum geleitet hatte.

      „Du glaubst, das wird tatsächlich meine Aufgabe werden?“, fragte Trywfyn zweifelnd.

      „Nur wenn du es willst. Vielleicht ahnst du es ja schon. Mit dem Ende deiner irdischen Zeit hat der letzte Abschnitt in der Geschichte der Ogmari auf dieser Welt begonnen. Deinem Nachfolger ist nur eine kurze Regentschaft beschieden. Euer Große Auszug ist jetzt nicht mehr fern, denn die Verwandlung dieses Planeten steht kurz bevor. Die Zeit der Ogmari geht jetzt ihrem Ende entgegen. Wenn diese Welt ihren Platz in ihrem neuen Himmelsraum eingenommen haben wird, wird für euch keiner mehr auf ihr sein. Willst du also diese Aufgabe übernehmen?“

      Trywfyn nahm sie ohne lange zu überlegen an. Natürlich wusste er nicht, welche Eigenschaften ihn für diese Aufgabe auszeichneten, aber er wollte mit unnötigen Fragen keine Zweifel an seinem Herzenswunsch aufkommen lassen, ebenso wenig wollte er wissen, warum ausgerechnet Elveran ihn damit betraute. Ihm war nicht bekannt, dass dieses Wesen in besonderer Weise mit seinem Volk verbunden war. Aber wenn er, Trywfyn, der Anführer sein sollte, war er bereit.

      Dabei bekümmerte ihn wenig, dass in Kürze das Zeitalter seines Volkes auf diesem Planeten beendet sein würde. Trywfyn wusste, dass sie nicht dorthin gehörten, obwohl ihre wahre Herkunft verschleiert in der Vergangenheit lag. Aber dem Großen Auszug ging letztlich nicht ein ogmarischer Anführer voran, sondern das Heiligtum seines Volkes. Und das wusste, wo das Ziel ihrer Reise lag. Ihm selbst würde die Aufgabe zufallen, dieses Heiligtum vor dem Zug herzutragen, nicht mehr und nicht weniger.

      „Wenn die Verwandlung Elverans kurz bevorsteht, dann werden meine Freunde den Siebenkristall also wirklich zusammentragen?“, fragte Trywfyn.

      „Ja, es gibt keine andere Möglichkeit. Sie werden Hindernissen begegnen, aber es wird dafür gesorgt werden, dass sie es vollenden, denn die Zeit, in der es vollendet werden muss, ist nahe. Wenn ihr euch für den Großen Auszug sammelt, werden wir uns ein letztes Mal begegnen. Halte dich bereit. Bald wirst du und alle deines Volkes gerufen werden.“

      Die Stimme Elverans verstummte und Gründel, der sich während der Unterhaltung im Hintergrund gehalten hatte, gesellte sich wieder zu Trywfyn.

      „Es ist Zeit für die Halle der Ahnen“, erklärte er. „Ich werde dich dorthin bringen.“

      Trywfyn nickte und folgte ihm. Seine Gedanken waren voll von der Unterhaltung mit dem Wesen Elveran und erfüllt von Stolz. Er war zeit seines Lebens ein bescheidener Herrscher gewesen, und nur dieser Wunsch hatte ihm stets in der Seele gelegen. Und nun sollte er in Erfüllung gehen. Es war die Krönung seines Lebens.

      So hatte er sich seinen Einzug in die Halle der Ahnen nicht vorgestellt, und dabei hatte er nicht einmal einen besonders ehrenvollen Empfang aufgrund seiner bis vor kurzem herausragenden Stellung in seinem Volk erwartet.

      Gründel hatte mit ihm keinen Weg zurückgelegt, sondern ihn durch eine kurze Geste seines Bewusstseins beraubt und dann war er in einer Art Vorhalle angekommen. Der Gehilfe Elverans hatte ihn nicht bis dorthin begleitet.

      Die Vorhalle war nicht leer. Vor einem mächtigen Tor, dessen Flügel aufgeschlagen waren und das von zwei Wächtern in der Gestalt von ungewöhnlich großen Ogmari behütet wurde, hatte sich eine Gruppe von Erdmenschen versammelt. Um Trywfyn herum tauchten nach und nach weitere aus seinem Volk auf. Auch sie hatten vor kurzem ihr irdisches Dasein beendet. Gemeinsam näherten sie sich dem Tor.

      Die Wächter hinderten sie nicht daran, hindurchzuschreiten, aber sie führten eine Liste, auf der die Namen der Ankömmlinge verzeichnet waren. Offensichtlich wussten sie sehr genau Bescheid darüber, wen sie zu erwarten hatten. Es war andächtig still und nur die Namen der angekommenen Ogmari wurden von ihnen genannt. Trywfyn hörte ebenfalls seinen Namen und durchschritt das Tor. Er hatte nicht gewusst, dass es eine Art Anmeldung gab, bevor er die Halle der Ahnen betreten durfte. Mit einem Anflug von Heiterkeit dachte er daran, was wohl geschähe, wenn dort einer ankäme, der nicht auf der Liste stand.

      Plötzlich begann hinter ihm ein Tumult und er sah, wie sich ein neu hinzugekommener Ogmari wild gebärdete und die heilige Ruhe störte. Er wurde von einer Gruppe von Heilern in Empfang genommen und durch ein bis dahin geschlossenes Tor geführt.

      „Der Unglückliche konnte seinen Körper nicht unter gewöhnlichen Bedingungen verlassen“, erklärte ihm ein Ogmari, der sich Trywfyn als Priester vorstellte. Er war nach ihm von den Wächtern durch das Tor gelassen worden. „Jetzt muss er erst einmal von den Folgen geheilt werden.“

      Trywfyn fielen wieder die Ogmari ein, die er im Laufe seines irdischen Lebens aus ähnlichen Lagen befreit hatte. Die letzten beiden waren der Tote in dem alten Wachturm in der Sigera Heide, der durch einen Formori irregeworden war und der Ogmari, der von den Ax´lán in ein Felsenverlies gebannt wurde. Er fragte sich, was wohl aus ihnen geworden war.

      Der Einblick in die Hallen der Ahnen, den Elveran Trywfyn einst gewährt hatte, hatte ihm nur einen kleinen Ausschnitt dessen gezeigt, was ihn jetzt erwartete. Ungeachtet seiner Stellung in seinem Volk erhielt er einen Raum wie alle anderen, in den er sich zurückziehen konnte, wenn er sich in Gedanken versenken oder ruhen wollte. Verschiedene Helfer führten ihn herum und zeigten ihm, wo er die notwendigen Dinge finden konnte. Es gab Räume der Spiele, der Einkehr und des Studiums. Einer davon glich der Halle, in der Trywfyn die Leser gesehen hatte. Auch er erhielt ein Buch und jetzt konnte er erkennen, was darin stand. Es war das Buch seines Lebens und es wurde ihm von einem Ogmari in einem weißen Gewand in einer kleinen Zeremonie übergeben.

      Nicht überall ging es so still und gefasst zu wie in den Leseräumen. Anderenorts gab es rege Gespräche, wurde gelacht und gespielt, wurde gesungen und gab es Aufführungen. Trywfyn begegnete Verwandten, Bekannten und alten Mitstreitern, die vor ihm dort angekommen waren. Die Hallen der Ahnen waren also kein ausschließlich gedankenversunkener Ort, wie Trywfyn anfangs erwartet hatte. Doch eines vermisste er, was er in seinem irdischen Dasein durchaus geschätzt hatte. Es gab keine Mahlzeiten. Es wurde weder gegessen noch getrunken. Aber er stellte bald fest, dass es dafür auch nicht das Bedürfnis gab.

      Elveran hatte Recht gehabt. Trywfyn war zu seinen irdischen Zeiten kein besonders eifriger Leser gewesen und so wenig verlockend ihm die Aussicht darauf erschien, die Zeit in den Hallen der Ahnen bis zum Großen Auszug mit Lesen zu verbringen, so innig vertiefte er sich jetzt in sein vergangenes Leben. Natürlich gab es auch andere Beschäftigungen und die mit seinem abgelaufenen Dasein nahm nur einen Teil seines Aufenthaltes ein.

      Er lernte durch das Studium seines Buches, wo Gutes und wo weniger Gutes geschehen war, aber es gab nichts, was für ihn schlimmere Folgen gehabt hätte als seine Gewissensbisse und den festen Vorsatz, nicht wieder so zu handeln, falls er noch einmal in eine ähnliche Lage kommen würde. Und nichts anderes war die Absicht des Lebensstudiums. Kein Ogmari wurde durch anderes bestraft als durch sein eigenes Gewissen. Genauso wenig gab es Lob von anderen. Trywfyn merkte bald, dass sich sein Urteilsvermögen unter den Bedingungen in den Hallen der Ahnen änderte und vor allem erweiterte und gerechter wurde. Doch jetzt hatte er nicht mehr über andere zu urteilen, sondern nur noch über sich selbst.

      Trywfyn entschied sich, dankbar für die Zeit in den Hallen der Ahnen zu sein. So lange sie auch dauern würde, er wollte sie nutzen, um sich auf das Dasein vorzubereiten, das in nicht weiter Ferne auf ihn wartete. Auch wenn es ihm nicht bewusst wurde und er es auch durch niemanden erfuhr, so keimte in ihm der Wunsch auf, in allen zukünftigen Ereignissen gerechter und milde zu entscheiden