Jenseits von Wo und Wann. Hans J. Unsoeld. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans J. Unsoeld
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783738013276
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gab sich dann aber mit mit einem Arrangement für den nächsten Morgen zufrieden. Das Ego fühlte sich gestreichelt und realisierte nur wenig die eigene Einstellung auf Sparflamme, verursacht durch Virenbefall im eigenen Body-Betriebssystem. Während dieses in den pseudo-biederen Sus­pend-­Zustand über­ging, amüsierten sich die übrigen mäßig lustigen Geister in einem glatt-lackierten Hotel der Ober­klasse, wo lockerer Umgang mit Kohle erwartet wurde, aber nicht unbedingt erfolgte.

      An jenem nächsten Morgen blieb alle Vorbereitung umsonst und die Bohème unerwartet still, - so still, dass nicht einmal eine Antwort aus der bimmelnden Quatschmühle drang. Das Beautykätzchen wollte nicht. War es am Abend zuvor noch an eine Kette gelegt worden oder hatte irgendetwas sei­nen Sinn bene­belt? Das Ego besann sich auf seine Nachdenklichkeit und fing wieder einmal an, auf die Tasten seines Notebooks zu hauen, um eben diese hier und jetzt zu lesenden gequälten Worte zu drechseln. Könnte drechseln Kunst sein, rann es arroganter­ weise durch sein nur langsam wach­sen­ des Selbstvertrauen. Gedrechselte Worte konnten kaum fähig sein, die wunderbare Schönheit dieses teuren Wesens einzu­fangen. Zu viele Ein­drücke beeinflussten das nicht nur optische Bild. Die Optik komponiert sich aus Grenzen, Volumen und reflektierender Oberfläche, doch die Trans­optik über­strahlt alles mit ihren Möglichkeiten, Gren­zen zu überschreiten, Volumen zu fühlen und unter die verführerische Oberfläche einzudringen. Auch wirklich persönlich und nicht nur mit dürren Worten zu erfahren, dass Schönheit eine teure Angelegenheit ist, mag Bedeutung haben.

      Polyamory

      So musste das ramponierte Ego abwarten und verfiel entgegen allen Vorsätzen wieder einmal in solch nutzlose Gedankenspiele, ob denn nun die Starkatze dem Beautykätzchen vorzuziehen sei. Die beiden Prachtexemplare stritten sich zwar nicht, weil sich nie ihre Wege gekreuzt hatten. Dennoch bestätigte sich mal wieder die infame Regel, dass wenn zwei sich streiten, eine lachende Dritte auftaucht. Die Quatschmühle schrillte auf und das nicht in Vergessenheit geratene Geheul einer oder DER Löwin ließ sich zwischen anderen unklaren Geräuschen vernehmen. Sie sei aus der Savanne zurückgekehrt und wolle in einer Stunde kommen. Das neugierige Ego vereinbarte zwei Stunden, ihre Majestät das Raubtier kam nach drei Stunden.

      Welch sumpfiges Land ist die Kommunikation! Katzen bewegen sich in ihm mit vorsichtigen Pfoten, doch das dumme Ego versinkt nur allzu leicht im Schlamm. Dass beim Rückzug in die Savanne wochen­lang keinerlei Rauchzeichen zu sehen gewesen war, wurde mit einem Pfotenstrich aus dem Bewusstsein verbannt, während das schwache Ego es nicht sein lassen konnte, vom Beautykätzchen zu plaudern, die Starkatze aber schlicht und einfach auszublenden. Die Löwin leckte die überflüssigen Worte mit scharfer Zunge. Auf die dumme Frage hin, ob sie das Beauty­kätzchen respektieren wolle, brüllte sie zunächst mit wildem Mähnenschwung ihren ablehnenden Stolz hinaus, machte dann aber bald eine unerwartete Kehrtwendung, indem sie die Pfoten schein­bar friedlich streckte. Ja, warum nicht gemeinsam wie Dali's Löwe am abstrakten Meeresstrand promenieren?

      Und wieder bimmelte die Quatschmühle. Das nichts ahnende Beautykätzchen wollte in dieser Situa­tion mal wieder sofort-sofort kommen. Wegen der fauchenden Geräusche der Löwin versuchte das Ego genauso wie einst jene selber in ihrer scheinbar offenen, doch tatsächlich auf strikter Geheim­haltung bedach­ten Art den Stillen Ort für verschwiegenes Gespräch zu nutzen, doch leicht­sinnigerweise, ohne die Tür fest zu ver­schließen. Kaum waren wenige Worte gewechselt, da stürmte das fauchende Raubtier herein und machte auf seine emanzipierte weibliche Anwesenheit aufmerk­sam. Die böse Absicht, das Beauty­kätz­chen am anderen Ende des Äthers zu verscheuchen, gelang ihr schnell. Doch genauso schnell wurde sie aus der Bohème heraus­ gejagt, ohne irgend­welches Futter zwischen die Zähne bekommen zu haben.

      Das sicher nicht unschuldige Ego saß nun zwischen allen Stühlen. Das Beautykätzchen bremste in üblicher Manier den Schwung seiner Quatschmühle. Ein müder Versuch der Löwin mit eben dem­ selben Gerät versiegte im Meer einer niedrigen Klangqualität. Verordnete Ruhe oder auf der Mauer, auf der Lauer? Ging es nicht ohne ein Objekt der Begierde oder war erneut Meditation angesagt? Die nicht anerkannte Seele lechzte nach Massage, welche in scheinbar perfekter Form mit orange­nem T-Shirt in begrenzter Form angeboten wurde. Kam es dabei auf Oi-L an? Diese Frage mutete fast transzendental an und ließ sich offensichtlich nicht in Raum und Zeit lösen. Oder war die Star­katze gar nicht so stromlinienförmig und verweigerte die Verdauung von Raum und Zeit nur wegen zu guter Erziehung? Ging es wieder um Kommunikation im schwer durchquerbaren Sumpf?

      Ein regelrechtes oder, besser gesagt, regelloses Katzen-Durcheinander schien sich anzubahnen. Verließ das Ego zu weit die ungeschriebenen Regeln der gar nicht immer so geselligen Gesell­schaft? Dass das sogar Absicht oder zumindest gerne akzeptierbar war, wurde am nächsten Tag schnell deutlich, aber wohlweislich verheimlicht. Zu guter Mittagszeit ließ sich Löwengeheul vor der Schutz gewährenden Stahltür der scheinbar so idyllischen Bohème unter dem Mangobaum vernehmen. Waren es brünstige Töne der Löwin oder ein hungriges Aufheulen oder gab es eine dritte Möglichkeit? Diese kam dem wenig Geldbewusstsein besitzenden Ego nicht in den in dieser Hinsicht mangelhaft entwickelten Sinn. Um Hunger handelte es sich ebenso wenig. So erhielt die Brunst nicht nur freien Lauf, sondern wurde auch noch durch wenig kulinarischen Genuss einer kleinen Kleinigkeit offen gefördert und brachte nach einer Stunde viel Lust, aber wenig Orgasmus zum Vorschein.

      Für ihr Geheul hatte sie eine ganz andere Erklärung, mal wieder eine ganz andere, ohne dass das dumme Ego merkte, dass es immer wieder dieselbe war. Ihr vor kurzem operierter jetzt noch einzi­ger Sohn, nachdem der andere vor nicht langer Zeit alkoholisiert bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen war, hatte, wie sie unter Tränen sagte, nach zu früher Wiederaufnahme der Arbeit einen Schock erlitten. Sie wollte ihm so schnell wie möglich zur Hilfe eilen und brauchte wie üblich Kohle. Es entspann sich wieder einmal eine schon wohlbekannte Diskussion um die Kommuni­ka­tion mit Löwen bei deren Rückzug in die Savanne. Die Zusicherung, dass Besserung erfolgen werde, wurde gut entlohnt. Sie trollte zufrieden davon.

      Dem Ego blieb zu wenig Zeit, sich bewusst zu machen, dass vermutlich besagte Besserung ein Wolken­kuckuckskind blieb. Denn schon eine Viertelstunde später miaute in scheinbar geziem­licherer Art das Beautykätzchen vor jenem grauen Stahltor. Wow, welche jugendliche Schönheit! Die sprachlichen Schwierigkeiten, sie zu verstehen, wurden überdeckt von der offensichtlichen Fähigkeit zum inversen Verständnis. Dank dem bereits erfolgten Genuss jener Kleinigkeit bot sich sehr schnell Gelegenheit zum Genuss von Lust, diesmal mit vollem eigenen Orgasmus. Das schöne Kätzchen ließ sich auch gehen, doch spürbar mit etwas weniger Erregung als zuvor, und ohne deut­lichen Orgasmus. Aber wen interessieren schon die Orgasmen von anderen Leuten?! Die Löwin verschwand übrigens von der Bildfläche. Mit diesem populären Ausdruck ist gemeint, dass es in diesem durch vier Wände beschränkten Raum in der eigenen knappen menschlichen Zeit zumindest lange keine Wechselwirkung mehr gab. Nur was heißt schon “lange”?

      Mutation

      Das Beautykätzchen bevölkerte diesen Raum in den folgenden drei Wochen umso intensiver. Oh wie viel schreckliche Probleme plagten, zunächst vor allem mit dem fünf­jährigen Jungen! Er schmachte im Königlichen Krankenhaus, habe eine atypische Lungenent­zündung und müsse drin­gend operiert werden, was den üblichen Preis von 20000 Baht (500 Euro) koste. Mit der Tätigkeit am Khlong ließen sich bislang nur wenige tausend aufhäufen. Mitleid suchend gelang es dem kör­perlich und geistig geschmeidigen Wesen schnell, die gewünschte Summe zu erschnorren. Dafür gab es die Zusicherung, die bisherige Tätigkeit durch die ersehnte Arbeit in einem Beauty­salon zu ersetzen, was allseitige Freude hervorrief und auch tatsächlich der Fall war. Die Operation verlief dann angeblich erfolgreich, doch das Geld reichte wegen Komplika­tionen bald nicht aus und musste aufgestockt werden. Eine Milch-Aller­gie stellte sich als primäre Ursache der Erkrankung heraus und erforderte die Ernährung des jungen Katers mit teurem Milch­pulver.

      Das Ego vergaß völlig die angegraute Farbe seines Rabengefieders bei den nun häufigeren, aber meist nicht langen Besuchen des schönen Kätzchens, welches selber genauso vergesslich schien. Die banale Möglichkeit, dies könne nur an dem alles überdeckenden Interesse an der dunkler gefärb­ten flüssigen Kohle liegen, kam ihm