Grünkohlsuppen-Blues. Eileen Schlüter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eileen Schlüter
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847664222
Скачать книгу
zahlreichen Transaktionen innerhalb der komplexen Businesswelt durch? Von so was hatte ich nun wirklich keine Ahnung.

      Eher zufällig war mir zu Ohren gekommen, dass es Wirbel um einen Millionendeal mit einer wichtigen US-Gesellschaft für neuste Computertechnologien gab. Besagter Handel wäre damals um ein Haar nicht zustande gekommen, hätte mein Vater nicht in letzter Sekunde einen der herausragendsten jungen Unternehmensberater, den die Branche zu bieten hatte, zu Rate gezogen. Alexander Ahlborn!

      Ahlborn, der nicht nur in München, sondern auch in anderen Europäischen Wirtschaftsmetropolen erfolgreich tätig war, rettete Vaters Konzern für Softwareentwicklung in letzter Sekunde vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch. Parallel kurbelte er den Handel und sämtliche Transaktionen meines Vaters soweit an, dass er innerhalb eines Jahres, fast doppelt so hohe Renditen erzielte. Daraufhin schenkte mein Vater ihm sein vollstes Vertrauen und ernannte Alexander Ahlborn zum stellvertretenden Geschäftsführer, um die Zukunft seiner Firma weiterhin zu sichern.

      Eines Abends lud mein Vater Alexander zum Essen in seine Grünwalder Villa ein. Ich wohnte seit kurzem in Bogenhausen, doch sooft mein vollgestopfter Terminkalender es zuließ, aß ich bei meinem Vater, der von jeher die exzellenten Künste eines französischen Privatkochs in Anspruch nahm. Ich gebe zu, dass sich mir persönlich die Grundsätze des passablen Kochens bislang noch nicht erschlossen hatten. Aber um ehrlich zu sein, fehlte mir schlicht die nötige Motivation, mich selber in die Küche zu stellen und mir ein Abendessen zu kochen. Dabei glänzte meine nagelneue Küche mindestens genauso schön, wie Kojaks Glatze und wartete nur darauf, endlich ihre Jungfräulichkeit zu verlieren.

      Nein wirklich, die Küche war nicht meine Domäne. Mir graute es vor Aktivitäten wie Braten, Rösten, Dünsten oder Frittieren, welche unbestritten fettige und klebrige Kochrückstände auf meiner keimfreien, sorgfältig polierten Küchenarbeitsplatte hinterlassen würden. Und erst die Vorstellung von fettigen und klebrigen Kochrückständen an meinen hochwertigen Designerstücken. Iiiihhh!

      Der Abend, an dem ich Alexander Ahlborn zum ersten Mal begegnete, war unvergesslich. Diese himmelblauen Augen, das dichte blonde Haar und vor allem sein muskulöser Körperbau. Ich wusste, diesen Mann würde ich eines Tages heiraten. Alexander sah umwerfend aus, in seinem maßgeschneiderten dunkelblauen Armani-Zweireiher. Der harmonierte wirklich perfekt mit meinem seidenweißen Prada-Ensemble. Zu schade, dass wir damals kein Erinnerungsfoto gemacht hatten. Den ganzen Abend klebte ich förmlich an Alexanders Lippen, wenngleich ich kaum ein Wort von dem verstand, was er vornehmlich mit meinem Vater besprach. Trotzdem täuschte ich brennendes Interesse vor, nickte hin und wieder und kommentierte halbwegs verständliche Passagen mit »O Tatsächlich…? und »wie interessant…« oder »Genau das wollte ich auch gerade sagen!«

      Kein Zweifel, ich hatte mich in Alexander Ahlborn verliebt und ich hoffte inständig, dass es ihm genauso ging.

      ***

      Ein Klopfen.

      »Herein!«

      Da ich keine Bettnachbarn hatte (das wäre ja noch schöner gewesen), war der Besuch, der sich hier ankündigte offenbar für mich.

      Ich setzte mich in meinem Bett auf. Möglicherweise beehrte mich zur Abwechslung mal jemand, den ich kannte. Vielleicht Alex!? Voller nervöser Vorfreude rutschte ich auf meinem Hintern hin und her. Jede Wette, dass ich schon ein Druckgeschwür am Arsch hatte, so höllisch weh wie der mir tat. Diese patientenfeindliche Matratze sollte man auf der Stelle verbrennen.

      Die Tür öffnete sich.

      »Hallo Liebes! Wie geht’s dir? Julius hat mir schon erzählt, dass du dich an nichts erinnerst. Das ist ja furchtbar, du Ärmste! Aber das wird schon wieder. Hauptsache du bist endlich wieder wach...! Gut siehst du aus! «

      Verunsichert studierte ich das namenlose, von unzähligen Falten durchzogene Gesicht und verfolgte die Bewegungen der grellrot geschminkten schmalen Lippen.

      RUMMS!

      Ehe ich mich versah, ließ die komische Alte, deren Stimme mich an einen Papagei erinnerte, sich auf die Bettkante plumpsen und erwischte dabei mein rechtes Bein. Ihr knochiger Hintern bohrte sich schmerzhaft in meinen Oberschenkel. Der bizarre Anblick der Seniorin fesselte mich jedoch so sehr, dass der Schmerz unheimlich schnell abebbte. Ich war nahezu hypnotisiert, von dem megaglänzenden Violett ihrer hautengen Polyesterleggins, die ihre spindeldürren Beinchen ziemlich unvorteilhaft betonten. Noch viel schlimmer waren die abgewetzten Pumps aus hellbraunem Lederimitat, die sie dazu kombinierte, aber der puderrosafarbene Angorapullover, der auf jeden Fall zu heiß gewaschen worden war, der ging gar nicht.

      Und was zum Geier sollte diese merkwürdige Kreuzung aus einem Rucksack und einer Perserkatze darstellen, welche sie bei sich trug?

      Ganz selbstverständlich platzierte sie das wollweiße, flauschige Etwas auf meinen Füßen, öffnete den Verschluss und begann wie wild darin herum zu kramen. Unfassbar, das Ding hatte tatsächlich Ohren!

      Halleluja! Diese Frau war der Inbegriff miserablen Stilempfindens. Aber wer um alles in der Welt war diese Person und vor allem, was wollte sie von mir?

      »Jetzt sag doch auch mal was, Kind!«, forderte sie lächelnd und entblößte dabei eine Reihe maisgelber Zähne, an denen rote Lippenstiftreste klebten. Sie war starke Raucherin, was man nicht nur sehen konnte – man roch es auch.

      Ich schluckte und versuchte etwas zu sagen, konnte aber partout nicht aufhören, sie anzustarren. Sie sah steinalt aus. Dabei war sie höchstens siebzig, extrem kachektisch und ihr um drei Nuancen zu dunkel geschminktes Gesicht war so runzelig wie eine vergammelte Kartoffel. Der Ansatz ihrer blass roten – dank einer Tonne Haarspray Ultra-stark –versteinerten Dauerwelle war grau.

      Ich kannte sie zwar nicht, aber irgendetwas in meinem Inneren sagte mir, dass ich sie gemocht haben musste, bevor ich vergessen hatte, wer sie war.

      »Tja...ähm...«, verlegen kratzte ich mich am Kopf.

      »Lotte! Liebes«, offenbarte sie mir mit einem jovialen Lächeln, während sie noch immer in dem Plüschrucksack mit Ohren herumwühlte. »Du kannst mich ruhig Mutti nennen. So wie früher.«

       Mutti???

      Blankes Entsetzen befiel mich. Ich betrachtete sie von Kopf bis Fuß. Nein!das war definitiv nicht meine Mutti, zumal meine Mutter nicht mehr lebte.

      Endlich ließ die Mutti namens Lotte von ihrem seltsamen Katzenrucksack ab und zog ihre faltige Hand heraus.

      »Kaugummi?«, bot sie mir an.

      »Eine Zigarette wäre mir lieber…«

      Lotte beäugte mich argwöhnisch, dann peilte ihr Blick die Balkontür des Krankenzimmers an.

      »Gute Idee, Liebes. Aber lass dich bloß nicht von Julius erwischen. Du weißt ja, wie er das Rauchen hasst. Ich dachte, du hättest längst damit aufgehört.«

      Sie griff erneut in ihren Rucksack und zückte eine Schachtel Menthol Slim Zigaretten. Extra long.

      »Aufgehört...?« Da wusste sie anscheinend mehr als ich.

      Immer noch steif vom vielen Liegen, quälte ich mich hoch und stieß dabei auf unerwarteten Widerstand. Ich warf einen Blick unter meine Bettdecke und schob das Krankenhausnachthemd ein Stückchen hoch.

      Was zum Kuckuck…? Entgeistert starrte ich auf den merkwürdigen Schlauch, der an dem einen Ende mit meinem hhrhm… Unterleib und am anderen mit einem ominösen Plastikbeutel verbunden war. Und dessen flüssiger Inhalt, sah mir sehr verdächtig nach etwas aus, das man von Haus aus ungern mit sich herumschleppt und noch ungerner öffentlich zur Schau stellt. Lautlos verfluchte ich den Katheter samt prallgefülltem Beutel und versuchte, mich von der Bettkante hochzuhieven, was mir natürlich nicht gleich gelang.

      Lotte inspizierte mein Anhängsel, irgendwann sagte sie: »Bei drei...«, drückte mir den Urinbeutel in die Hand und griff mir stützend unter die Arme.

      »Eins,