Stumme Gier. Günther Tabery. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Günther Tabery
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738044478
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der anderen Stirnseite des Raumes waren Eichenregale angebracht, die die Bibliothek beherbergten. Davor stand ein Sessel mit einer goldenen Leselampe.

      „Bitte, setzen Sie sich.“ Charlotte zeigte auf einen Platz auf der Couch.

      „Ich danke Ihnen für die Einladung“, begann er nervös. „Ich muss zugeben, ich dachte, dass Sie mich nicht einladen würden, nachdem ich ohne Anmeldung einfach bei Ihnen angerufen hatte. Umso glücklicher bin ich, das Sie es dann doch getan haben. Ja, hier, wenn Sie wollen, haben Sie erst einmal meine Karte und einen Flyer unseres Fotostudios.“ Er räusperte sich, denn er redete sich gerade um Kopf und Kragen.

      Charlotte lächelte ihn an und sagte nichts. Sie nahm den Flyer und sah ihn sich an. Ab und an nickte sie.

      „Und hier können Sie sich ein Fotobuch anschauen, mit Bildern, die ich einmal bei einer Hochzeit fotografiert habe.“

      Sie schaute sich auch das Fotobuch an und lächelte leicht. Danach blickte sie ihn an und meinte: „Ich habe mit meinem Verlobten gesprochen und ihm von Ihrem Angebot berichtet. Er findet es attraktiv, da Sie nicht nur die Hochzeit, sondern auch die Feierlichkeiten davor fotografieren wollen. Wir möchten gerne unseren Freunden und Verwandten eine bleibende Erinnerung in Form eines Fotobuches schenken. Wenn dies also in Ihrem Angebot enthalten ist, dann würden wir Ihnen vielleicht den Zuschlag erteilen.“

      Martin atmete tief durch.

      „Da ist die Sache mit dem Preis. Wie viel verlangen Sie für Ihr Angebot?“

      Martin musste jetzt auf Nummer sicher gehen und einen nicht zu hohen Preis angeben. Er wollte unbedingt den Auftrag erhalten. Er sagte: „Mein Angebot enthält mehrere Fototermine, auch an den Abenden, wenn Feierlichkeiten stattfinden, und 25 fertig bearbeitete Fotobücher inklusive für 2000 Euro als Komplettpreis.“

      Die Augen von Charlotte weiteten sich, als sie das Angebot hörte. „Nun“, antwortete Charlotte nach einer kleinen Denkpause, „leider muss ich Ihnen sagen, dass die Konkurrenz etwas preisgünstiger ist und so vielversprechend Ihr Angebot auch sein mag, ich fürchte, Sie sind leider umsonst hierhergekommen.“ Sie blickte ihn bedauernd an. 2000 Euro waren also zu viel gewesen und die Entscheidung für oder gegen ihn fällte das Geld.

      Martins Gesichtszüge verrieten, wie enttäuscht er über diese Entscheidung war. „Und wenn wir preislich noch etwas herunter gehen würden, wäre das vielleicht doch eine Option für Sie?“ Er versuchte fast schon bittend seine Dienste unter Wert zu verkaufen, nur um diesen Auftrag zu erhalten, was bei Charlotte aber genau das Gegenteil bewirkte. Sie schüttelte langsam den Kopf. „Nein“, sagte sie bestimmt, „ich denke, wir belassen es bei dieser Entscheidung. Es tut mir leid.“ Sie stand auf und deutete an, dass das Gespräch nun vorüber war. „Aber vielen Dank für Ihre Bemühungen.“

      Martin und Charlotte reichten sich die Hände. Er packte seine Fotobücher und Flyer ein und fühlte sich unbehaglich. Stumm begleitete sie ihn bis zur schweren Eingangstüre. Als die Tür ins Schloss gefallen war, öffnete sich das Gartentor und eine großgewachsene blonde Frau mit schulterlangen welligen Haaren kam ihm entgegen. Sie nickte freundlich, lächelte und sagte: „Hallo.“ Martin bekam nur ein kleinlautes „Hi“ heraus. Seine Augen blickten in die der jungen Frau und ihm wurde sonderbar zumute. Seine Schritte führten ihn unwillkürlich an ihr vorbei. Gerne wäre er mit ihr ins Gespräch gekommen, aber kaum hatte er den Plan gefasst, sie anzusprechen, war sie bereits im Haus verschwunden. Er blieb stehen und schaute einen Moment auf die eben geschlossene Türe. Dann drehte er sich um und lief mit gemischten Gefühlen davon.

      4

      Als er in die Gartenstraße einbog, sah er, dass ein Polizeiauto vor seinem Wohnhaus parkte. Sofort begann sein Kopf zu zucken und er musste ein unwillkürliches „Pah“ ausstoßen. Er parkte seinen Corsa, holte die Fotoarbeiten heraus und ging in Richtung Haustüre. Die Tür des Polizeiwagens öffnete sich und Kommissar Frank stieg aus. Martin wurde es mulmig zu Mute, hatte er doch ein schlechtes Gewissen wegen des Zeitungsausschnittes und zudem wusste er, dass die Polizei ihn verdächtigte. Frank kam auf ihn zu, beide begrüßten sich mit gebotener Höflichkeit und Martin bat den Polizisten hinein.

      Beide gingen stumm die Treppe hinauf bis in den ersten Stock. In der Wohnung nahmen sie am Esstisch Platz. Eine Pause entstand und Frank musterte Martin eindringlich.

      „Sehen Sie, Herr Fennberg. Wir haben einige Erkundungen eingeholt über Sie. Und dabei sind wir auf interessante Dinge gestoßen.“

      Martin schluckte und fragte nur: „Ja?“

      „Ja.“ Frank Gesichtszüge hellten sich auf. „Es gibt in unserem Computersystem einen Eintrag unter Ihrem Namen.“

      „Einen Eintrag?“, wiederholte Martin. Er wusste nicht, was er jemals verbrochen haben könnte.

      „Es handelt sich nicht um eine Straftat oder etwas Vergleichbares. Sie sind in einem Polizeibericht lobend erwähnt worden.“

      Martin setzte sich aufrecht hin. Nur seine Augen, die anfingen zu zucken, verrieten, dass er aufgeregt war.

      „Es handelt sich um einen Mordfall, der sich letzten Sommer in Dobel ereignet hat. Martha Lindeau, eine Sängerin, wurde in einem Retreat-Center erschlagen und Sie, Herr Fennberg, haben laut Kommissar Peters, der damals ermittelte, maßgeblich zur Aufklärung beigetragen.“

      Martin bestätigte mit einem stummen, schüchternen Nicken.

      „Ich habe mit meinem Kollegen Peters am Telefon ein interessantes Gespräch geführt und er hat mir angeraten, mit Ihnen zusammen zu arbeiten. Er sagte, dass Sie über eine kriminalistische Intelligenz verfügen und die Indizien richtig kombinieren können.“

      Martin wurde rot. Er war geschmeichelt über das Lob des Kommissars.

      „Nun gut. Die Theorie, dass Sie den Mord verübt haben könnten, habe ich nach dem Gespräch mit Peters, der mir versicherte, dass Sie absolut integer sind, bei Seite gelegt. Ich bin bereit, mit Ihnen zusammen zu arbeiten, wenn Sie eine Idee oder einen Ansatzpunkt haben. Vielleicht ist es nicht schlecht, wenn Sie als eine Art unauffälliger Detektiv agieren. Seien wir also offen und berichten wir, was wir bisher herausgefunden haben.“

      Martin dachte an die Annonce. Das war der einzige Hinweis, den er hatte, aber leider hatte sich dieser Weg zerschlagen und es gab keine Möglichkeit mehr für ihn, mit der Familie Kontakt aufzunehmen. „Ich habe Ihnen nicht die ganze Wahrheit erzählt“, begann er. „Ich habe bei dem Toten einen Zeitungsauschnitt gefunden, den ich Ihnen unterschlagen habe.“

      Franks Augenbrauen hoben sich und seine wachen Augen blitzen.

      „Sehen Sie“, er holte den Ausschnitt aus einer Schublade seines Schreibtisches, „hier ist er. Darauf ist eine Verlobungsannonce markiert.“

      Frank musterte den Ausschnitt und las die Anzeige. „Und was haben Sie bis jetzt unternommen?“

      „Ich habe Kontakt aufgenommen zu der Familie und habe meine Dienste als Fotograf angeboten.“

      „Sehr gut.“

      „Aber leider wurde ich abgelehnt und ich sehe jetzt keine Möglichkeit mehr, an die Familie heran zu kommen.“

      „Ich verstehe.“

      „Man weiß natürlich nicht, ob überhaupt jemand aus dieser Familie verantwortlich ist für den Mord oder ob es nur reiner Zufall war. Vielleicht hatte der Tote die Annonce aus einem ganz anderen Grund in seiner Hosentasche stecken. Vielleicht wollte er auch nur an der Feier teilnehmen. Wir wissen ja nicht, wer der Tote war.“

      „Ja, das scheint mir nur eine vage Spur zu sein. Eventuell werden wir dort auch noch einmal nachhaken. Später, wenn wir nichts anderes Greifbares in der Hand haben.“

      „Haben Sie denn eine Spur?“, wollte Martin wissen.

      „Wir haben den Toten identifiziert.“ Er holte sein Notizbuch heraus und las: „Er heißt Daniel Hellter und wurde 1971 in Karlsruhe geboren. Er war nach der