Das Blut des Wolfes. Michael Schenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Schenk
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742778611
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Offen gesagt, gefällt mir das nicht. Haben Sie gehört, dass hier ein paar Wochen zuvor ein Wandererpaar verschwunden ist?“

      „Ja. Sehr rätselhafte Sache, das. Wenigstens hat es nichts mit unseren Wölfen zu tun. Die waren ja noch nicht da.“

      Bramke nickte. „Wenn so etwas passieren sollte, während die Wölfe durch das Tal streifen, dann können Sie ihr Projekt vergessen. Hier gibt es einige Leute, die nicht gut auf Wölfe zu sprechen sind und einige davon haben Flinten im Keller.“

      „Ah, wirklich?“ Mayen strich sich nachdenklich über das Kinn. „Ich habe eher das Gefühl, die Leute akzeptieren das Projekt.“

      „Solange nichts passiert, ja.“ Bramke leckte sich über die Lippen. „Aber die Stimmung kann schnell kippen. Sehen Sie, am Anfang waren die meisten Leute für den Naturpark und sind es auch jetzt noch. Aber hier bei uns, in Wolfgarten, gibt es eine Menge kritischer Stimmen.“

      „Ich darf um ein höfliches Handgeklapper bitten“, war eine weibliche Stimme zu vernehmen und die Anwesenden wandten sich automatisch der kleinen Bühne zu. Dort hatten inzwischen die Spielleute Platz genommen. „Die Gruppe Lautenschlag wird jetzt einige Stücke aus dem Mittelalter spielen.“

      Mayen betrachtete interessiert ein merkwürdiges Instrument, an dem sich eine Kurbel befand. Die junge Frau, welche die Gruppe angekündigt hatte, nahm ein Tamburin und begann den Rhythmus zu schlagen, dann fielen die anderen Instrumente ein.

      „Gar nicht mal schlecht“, meinte Doktor Mayen. „Jedenfalls was anderes als dieses HipHop, das Janice ständig laufen lässt.“

      Etliche der Gäste unterhielten sich weiter, während die Gruppe aufspielte. Die Bachmanns kamen zu den Tischen und fragten nach den Wünschen der Gäste. Die Karte war bescheiden, aber die meisten freuten sich auf den Schweinebraten, der sich am Spieß über der Feuerstelle drehte. Gespräche und Musik mischten sich und in der Schänke herrschte ein stetes Kommen und Gehen. Einige mussten nach Hause aufbrechen, andere kamen erst spät zu der Veranstaltung. Unter letzteren war auch Bauer Wolicek, der zuvor das Stroh für die Mittelalterfreunde abgeliefert hatte. Er kam anschließend in den Gastraum und ließ sich von Bachmann ein Bier zapfen.

      Alles verlief harmonisch, obwohl einige der Gäste bald mehr getrunken hatten, als ihnen eigentlich gut tat. Doch es gab keine Reibereien und besonders Frau Bachmann hatte ein Gespür für gereizte Stimmung. Sie war schnell zur Stelle, beschwichtigte und gab eine Runde aus, was die erhitzten Gemüter rasch besänftigte.

      An diesem Abend machte ihr Wolicek jedoch Sorgen. Sonst war er ein angenehmer Gast, wenn er sich einmal in die „Kermeter Schänke“ verirrte oder Burg „Wulffgart“ belieferte, doch an diesem Abend wirkte er düster und verschlossen. Das war ungewöhnlich und sicher auch nicht gut, denn er trank auch mehr, als gewöhnlich. Sie trat unauffällig neben ihren Mann.

      „Du, ich glaube, den Wolicek, den sollten wir im Auge behalten.“

      „Den Wolicek?“ Der Wirt sah kurz zu dem Milchbauern hinüber und widmete sich dann wieder dem Spülen von Pokalen, Bechern und Hörnern. „Was ist mit ihm?“

      „Ich weiß nicht. Die ganze Zeit steht er da am Tresen, kippt ein Bier nach dem anderen und starrt düster vor sich hin.“

      Der Wirt zuckte die Schultern. „Der trauert noch immer um seinen Rudi.“

      „Irgendwann muss das aber auch mal gut sein“, raunte sie. „Das ist jetzt Wochen her und seitdem hat er diese miese Stimmung. Die Leute im Dorf sagen, er legt sich schon mit Jedem an.“

      „Der Wolicek? Blödsinn. Das ist doch ein ganz ruhiger Kerl.“

      „Aber irgendwas geht in ihm vor sich. Wir sollten ihn wirklich im Auge behalten.“

      „Na schön“, stimmte er zu. „Ich glaube, der Kircher und der Wagner sind hier irgendwo. Da wird schon nichts passieren.“

      „War ein kluger Zug, die beiden Bullen einzuladen.“

      Er lachte leise auf. „Lass die Beiden das bloß nicht hören. Das haben die nicht so gerne. Zumindest der Kircher nicht. Der ist da ein bisschen empfindlich. Aber ich habe denen schon gesagt, um was es geht. Diesen Abend trinken die bestimmt nichts und ich habe bei den anderen Gästen durchblicken lassen, dass unsere Polizei nachher die Straße überwacht. Die meisten sind ja ohnehin zu Fuß.“ Er stellte die gesäuberten Trinkgefäße zum Abtropfen auf die Spüle und nahm sich die nächsten. „Ich meine, wenn einer unserer Gäste sonst ein bisschen unsicher fährt, kann ja nicht viel passieren. Aber heute sind halt viele unterwegs und ich will nicht, dass so ein Besoffener Jemanden anfährt.“

      Auf der Bühne wurde eine Ballade angestimmt. Die Worte waren für viele nur schwer zu verstehen, vor allem für jene, denen die mittelalterlichen Sprechweise fremd war, doch die Geschichte war leicht verständlich. Die Sängerin, offensichtlich in der Rolle eines jungen Mädchens, wurde von einem Wolf bedrängt und flüchtete sich in die Arme eines bewaffneten Recken, dessen Gesicht durch einen Helm vollkommen unkenntlich war. Der vertrieb den bösen Wolf und die Maid sank ihrem Helden schmachtend in die Arme. Alle dachten nun, das Stück sei zu Ende und im Publikum setzte Applaus ein, doch dann ging es doch noch weiter. Plötzlich riss sich der Held den Helm vom Kopf und darunter wurde eine Wolfsmaske sichtbar.

      „Und die Moral von der Geschicht´“, meinte der sichtlich angetrunkene Doktor Mayen zu Förster Bramke, „trau keiner einem Anderen nicht.“

      Die Erwiderung Bramkes ging im Klatschen der anderen Gäste unter, bis der Förster sich näher zu Mayen beugte. „Was Sie da gerade gesagt haben, widerspricht sich.“

      „Ach, egal.“ Mayens Augen glänzten verdächtig. Er hob sein Horn zum Tresen. „Und noch einen auf die Wölfe.“

      „Ihr mit euren verdammten Wölfen!“

      Im ersten Moment wusste Mayen nicht, woher der Ruf gekommen war, bis sich Wolicek vom Tresen abdrückte. Er war sichtlich betrunken und stand nur unsicher auf seinen Beinen. Er deutete mit seinem halb gefüllten Becher auf den Forscher und etwas Flüssigkeit schwappte dabei auf den Boden.

      „Ich sag´s euch allen, das wird kein gutes Ende nehmen mit diesen Biestern. Ja, ja, jetzt klatscht ihr noch alle Beifall, aber wartet es nur ab. Sobald diese Bestien frei herumlaufen, werden sie auch Blut lecken und dann wird hier keiner mehr klatschen. Dann wird es euch leid tun, dass wir die Wölfe nach Wolfgarten geholt haben.“

      „Komm, lass gut sein.“ Frau Bachmann beugte sich über den Tresen.

      „Bleib mir vom Hals“, schrie Wolicek auf. „Bleibt mir ja alle vom Hals. Ihr werdet noch an mich denken, wenn die Bestien über euch herfallen.“

      „Hören Sie, guter Mann“, begann Doktor Mayen und erhob sich langsam. „Sie brauchen keine Angst zu haben, dass…“

      „Ich bin nicht Ihr guter Mann.“ Wolicek knallte den Becher auf den Tresen zurück. „Sie können sich Ihren guten Mann in den Arsch schieben, jawoll, das können Sie. Ich habe keine Angst vor den Viechern. Ich nicht. Wenn sich auch nur eines von diesem Biestern meinen Kühen nähert, dann spieße ich es auf. Ich schlag es tot, jawoll.“

      Bramke sah, wie sich Jochen Kircher und Peter Wagner langsam dem Tresen näherten. Die beiden Polizeibeamten versuchten wohl, den erregten Bauern in die Zange zu nehmen.

      Frau Bachmann schob sicherheitshalber die Trinkgefäße zur Seite, die in Woliceks Reichweite standen. „Schau, Wolicek, wir alle wissen, was man deinem Rudi angetan hat, ja? Aber du kannst sicher sein, dass man…“

      „Sicher?“ Er fuhr herum und sah die Wirtin an. „Ha, und ob ich mir sicher bin. Ihr alle werdet es bitter bereuen, die Wölfe hergeholt zu haben. Die werden es euch nicht danken. Gewiss nicht. Die werden euch ihre Zähne in die Kehlen schlagen und dann ist es aus.“

      „Mensch, jetzt hör endlich auf, Wolicek“, rief einer der Dorfbewohner. „Wir wollen hier das Mädel hören und nicht dein Gekeife.“

      „Ach, ihr könnt mich alle.“

      Für