„Schaut, da kommt eine alte Frau!“ Die Frau hat einen Stock und geht ganz krumm und hat eine bunte Schürze um. Das Kopftuch rot, das Kleid kariert. Die Nase lang. Sie trägt auf dem Rücken eine schwere Kiepe. Ein Rabe sitzt auf ihrer Schulter, welch ein Schreck!
„Hallo, ihr Lieben, was hat euch in den Wald getrieben?“, fragt die alte Frau ganz leise.
„Wir suchen Pilze ganz viel und fein, aber braune müssen es schon sein!“ „Kommt mit, ich zeige euch den Weg!“ „Nein, wir haben Angst. Bist du eine Hexe?“
„Nein, ich bin Frau Wald, ich bin schon hundert Jahre alt.“ „Ach, Frau Wald, kannst du uns helfen? Es ist uns kalt!“
„Kommt mit zu mir in mein Haus und ruht euch erst einmal richtig aus. Ich habe frischen Beerenkuchen, den könnt ihr in der Stadt vergebens suchen“, lädt Frau Wald sie freundlich ein.
„Oh ja, Beerenkuchen und einen heißen Tee, sie sind ja eine richtige Fee!“ „Ja, eine Fee, das bin ich auch, aber davon mache ich selten Gebrauch.“
„Hagebuttentee, oh wie fein, muss da nicht noch der Zucker rein? Er ist so sauer, da bekommt man ja einen Schauer!“, rufen die Kinder und verziehen das Gesicht. „Hier, nehmt und tut das hinein, das ist lecker Honig fein“, sagt Frau Wald. „Ach wie schön, gesünder kann der Tee nicht sein.“
Mama, Papa und die Kinder schlecken alles auf, der Nachmittag nimmt seinen Lauf. Keine Pilze im Körbchen drin, aber der Spaziergang hatte seinen Sinn. Schöner Kuchen, heißer Tee, und sie sitzen ganz begeistert bei einer Fee. Die erzählt ihnen ein Märchen fein und die Kinder schlafen in Ruhe ein.
Spät am Abend gehen Mama, Papa und die Kinder nach Haus.
Nun ist das Märchen aus!
Kapitel 2 S-Bahn
„Mama, warum sitzen die beiden Mädchen da und sprechen nicht miteinander? Die kennen sich doch!“ „Woher willst du wissen, dass sie sich kennen?“, fragt Mama erstaunt.
„Sie sind mit uns zusammen in die Bahn eingestiegen, und vorher standen sie mit uns auf dem Bahnsteig und haben ganz viele Zigaretten geraucht.“ „So? Nun, in der Bahn dürfen sie nicht rauchen.“
„Aber warum sprechen sie nicht miteinander?“ „Weil sie beide einen Knopf im Ohr haben.“ „Was machen sie mit den Knopf in dem Ohr?“ „Sie hören Musik.“ „Musik? Woher?“ „Sie haben ein Telefon in der Tasche mit Ohrstöpseln.“
„Das Telefon kann Musik machen?“ „Ja, dazu muss man einen Knopf in das Ohr stecken, der mit dem Telefon verbunden ist und dann kann man Musik hören.“
„Mama, ich dachte, man kann ein Telefon nicht in die Tasche stecken. Das ist doch viel zu groß.“ „Darum heißt es heute auch Handy, es passt in die Hand, es ist handlich und klein. Es funktioniert so ähnlich wie ein Computer.“ „Mama, wie groß ist ein Handy?“ „Etwa so groß wie ein Stück Butter.“ „Woher weißt du das?“
„Oma besitzt ein Handy.“ „Oma hat immer alles.“ „Ja, wir haben eben eine moderne Oma.“ „Kann man auch damit googeln, so wie du das immer zu Hause machst, wenn du keine Antwort weißt?“ „Ja, das kann man.“
„Warum hast du unser Telefon nicht in deine Einkaufstasche einpackt? Wir könnten uns jetzt auch Knöpfe in das Ohr stecken und Musik hören.“
„Unser Telefon ist ein Haustelefon und kein Handy. Das kann man nicht so einfach in die Einkaufstasche stecken. Es ist mit einem Kabel in der Wand verbunden, und das kann man nicht mal eben aus der Wand herausreißen.“
„Dann schneiden wir das Kabel mit einer großen Schere durch.“ „Das geht nicht, das Telefon braucht Strom aus der Wand.“ „Ist in der Wand Strom?“ „Ja, in der Wand liegen ganz viele Stromkabel, sie sind versteckt, man kann sie nicht sehen. Sonst hätten wir zum Beispiel auch kein Licht und so weiter. Aber wir brauchen jetzt in der S-Bahn kein Telefon.“
„Mama, wo ist Oma?“ „Oma ist wie immer verreist.“ „Hat sie das Handy dabei?“ „Ja, ich denke schon.“
„Mama, Oma kann uns jetzt nicht anrufen, weil du kein Handy besitzt. Du bist keine moderne Mama!“ „Wir können uns gegenseitig etwas erzählen, das ist viel schöner“, sagt Mama genervt.
„Aber ich möchte jetzt mit Oma sprechen!“ „Warum?“ „Ich würde ihr sagen, sie kann dir und mir ein Handy schenken, sie hat doch soviel Geld.“
„Hätte Oma kein Handy, könntest du jetzt auch nicht mit ihr sprechen. Wir spielen lieber ein Spiel. Du stellst mir Fragen und ich antworte, zum Beispiel: Ich sehe was, was du nicht siehst. Dann geht die Zeit ganz schnell vorbei und wir unterhalten uns ein bisschen über Dieses und Jenes! Wir brauchen keinen Knopf im Ohr und kein Handy. Und wenn du größer bist und allein in die Musikschule fährst, bekommst du bestimmt von Oma ein Handy geschenkt. Schau, wir sind schon da!“
„Ja fein, der Weg ist immer so weit, aber wenn du bei mir bist, geht die Zeit ganz schnell vorbei. Aber wenn ich größer bin, stecke ich mir auch einen Knopf ins Ohr und höre Musik!“
„Wir müssen aussteigen, Tanja!“ „Ich habe aber noch so viele Fragen, Mama.“ „Ja, später auf der Rückfahrt reden wir weiter.“
„Mama, ich freue mich schon auf die Rückfahrt, dann können wir ganz viel erzählen. Und ich freue mich schon auf heute abend, auf Papa! Er liest mir wieder eine ganz lange Gute-Nacht-Geschichte vor, das hat er mir heute morgen versprochen.“ „Fein!“
Haltestelle Musikschule, tönt es auf dem S-Bahnhof.
„Wir müssen aussteigen, Frau Cello wartet schon auf uns!“
Kapitel 3 Carla und der Riese
Carla steht im goldgelben Kornfeld. Sie pflückt einen blauen Kornblumenstrauß für Papa. Er hat heute Geburtstag. Sie schaut nach oben und blickt auf zum hellen Himmel, den Kopf weit in den Nacken gestreckt. Sie sieht ein großes, weißes Windrad, das sich lautlos im Wind dreht.
„Wer bist du, du großer weißer Riese?“, fragt Carla.
„Ich bin ein Windrad!“ „Warum stehst du hier so ganz allein?“ „Ich bin nicht allein“, sagt das Windrad, „da hinten stehen noch viel mehr Windräder. Schau, ich mache Sport.“
Carla schaut und staunt. Das Windrad dreht sich ganz sanft und leise im Wind. Es hat drei Arme, die kreisen und kreisen. Es ist schlank und rank und ganz viele Meter hoch. Dabei lacht es und dreht unentwegt seine Arme.
„Toll“, staunt Carla, „wie lange machst du denn schon Sport, bist du nicht langsam müde?“ „Nein, sieh nur, ich kann mich auch ganz langsam drehen. Man wird nicht so schnell müde und es macht Spass!“ „Kannst du dich auch schneller drehen?“, fragt Carla neugierig. „Ja, aber ich habe keine Lust, es ist zu warm und die Sonne scheint so schön. Ich kann mich natürlich auch ganz schnell drehen.“ „Zeig einmal!“, ruft Carla begeistert.
„Dazu muss ich den Wind rufen, der schläft noch. Außerdem drehe ich mich jeden Tag und jede Nacht, bei Regen, Schnee und bei Sturm. Immer und immer. Und darum genieße ich jetzt die Sonne.“
„Du bist aber komisch, machst du denn gar keine richtige Pause?“, fragt Carla weiter, „du musst doch auch einmal schlafen, das ist gesund und hält einen fit.“ „Ja, manchmal mache ich Pause, aber nicht oft“, erwidert das