wie Hulle. Peter Baldinger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Baldinger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738040531
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ich immer von dem Mädchen mit den Rattenschwänzen abgeschrieben hatte, schaffte ich es sogar ins Gymnasium. Obwohl Meschan besser war, packten ihn die Eltern auf eine Realschule.

      Schulferien. Es war richtig warm. Meschan und ich gingen ins Maschseebad. Der See war flach und voller Algen und Wasserpflanzen. Wir meldeten uns für den Fahrtenschwimmer an.

      Sofort ging es los. Wir mussten mit acht anderen dreißig Minuten im Kreis schwimmen. Ein Kerl stand auf einem Steg und bewachte die ganze Schose. Aber es war am Ende des Stegs noch so flach, dass ich mit den Füßen den ekligen, schlammigen Boden berühren konnte. Ich tat also so, als würde ich schwimmen und lief eine halbe Stunde im Kreis herum. Ich versuchte dabei herauszukriegen, ob all die anderen wirklich schwammen oder ob sie auch nur liefen. Wahrscheinlich war ich aber einfach etwas größer als sie.

      Hinterher verriet ich niemand, selbst Meschan nicht, dass ich geschummelt hatte. Als unsere Mütter und Schwestern mittags im Freibad eintrudelten, zeigten wir stolz die Plaketten und den Schwimmpass.

      Wir cremten uns alle gegenseitig ein und die Mutter von Meschan fing dabei an, meinen Rücken zu kraulen. Das machte sie ewig lang, obwohl es mir gar keinen Spaß machte. Aber sie sagte:

      „Warte doch nur ab. Du wirst sehen, gleich wird es dir ganz toll gefallen.“ Tat es aber nicht. Es war eher eine Folter, da ihre Finger meine Haut fast nicht berührten.

      Aber ich merkte mir die Technik, weil ich dachte, dass sie später mal nützlich sein könnte.

      Zwischendurch sprangen wir ins Wasser. Aber das war nun ganz warm und gelb von der vielen Pisse aller Kinder (einschließlich meiner). Also ließ ich mich wieder kraulen. Meschans Mutter war richtig vernarrt in diese Sache und ich war froh, als es endlich ein ‚Mini Milk‘-Stieleis gab.

      Anschließend düsten Meschan, seine Schwester und seine Mutter nach Hause, weil Meschan mit dem Knabenchor in der Kirche proben musste und seine Schwester noch eine Klavierstunde hatte.

      Muttern, meine Schwester und ich brieten weiter, bis Muttern mit dem VW-Käfer nach Hause fuhr, da sie einige Anrufe machen und was zu essen und zu trinken holen wollte.

      Als das Freibad geschlossen wurde, war sie aber immer noch nicht zurück und ich latschte mit meiner Schwester den ganzen Weg nach Hause.

      Zu Hause war Muttern aber auch nicht. Also warteten wir nur so ab. Als sie kam, hatte sie eine Halskrause und überall blaue Flecken im Gesicht. Am Sallplatz war ein Auto von hinten in unseren Käfer gerast und hatte ihn gegenüber gegen eine Kirche geschleudert. Von dort war er wieder abgeprallt und auf der Straße hatte ihn noch ein anderer Wagen von der Seite gerammt. Totalschaden.

      Von dem langen Tag in der Sonne, hatte ich rote, juckende Hitzepusteln am Hals.

      Das Gymnasium hieß Lüdersschule und war eine reine Jungenschule. Würg.

      Lex, ein rotzfrecher Knirps, der einzige, mit dem ich auch schon auf die Grundschule gegangen war, wollte unbedingt, dass ich sein Freund wurde. Da ich sonst noch niemanden kannte, war er halt etwas mein Freund. Aber er wollte mir immer alles abluchsen. Das hasste ich. Lexes Mutter war eine anspruchsvolle Haarsprayblondine und sein Vater ein armes Würstchen.

      Wir gurkten durch die Eilenriede. Ich hatte mein Fahrrad mit einem Bananensattel und einem hohen Lenker ausgestattet. Wir rasten die Rodelbahn runter. Unten überschlug ich mich bei voller Fahrt, lag auf dem Boden und kriegte keine Luft mehr. Nur kurz. Ich drehte den Lenker wieder grade und wir rasten die Huckelwege lang.

      An einem Tümpel holten wir unsere Fischnetze vor. Wir fischten Stichlinge, Lurche und kleine Flusskrebse. Die packten wir mit Wasser in eine Plastikschüssel. Ich hatte mein Aquarium in ein Terrarium umgewandelt. Aber die Kaltwasserviecher krepierten dauernd. Während wir noch etwas mit Blutegeln spielten, gab Lex wie zehn nackte Neger mit seinem Bruder an. Der klaute immer und war gerade wieder mal im Knast. Na toll!

      Als Lex merkte, dass ich ihn gar nicht so sehr abkonnte, wie er dachte, suchte er sich einen anderen Kumpel - einen Brutalo. Einen ganzen Winter lauerten die beiden mir auf dem Nachhauseweg auf und verdroschen mich, wenn sie mich kriegten.

      Die meisten Sonntage mussten meine Mutter, meine Schwester und ich um acht aufstehen, weil der Alte wandern wollte. Keiner hatte Lust, aber es war eine Pflichtveranstaltung. Müde schleppten wir uns durch den Wald im Deister. Es wurden Pilze und Beeren gesammelt.

      Regelmäßig trotz des ‚grünen Führers‘ und deshalb bestimmt absichtlich, denn seine Orientierung war normalerweise ausgezeichnet, verlief sich der Alte und fand das Auto nicht mehr. Wir rannten also den ganzen Tag durch die Walachei, manchmal weit mehr als 25 Kilometer. Der Alte vorneweg, dann in der Mitte meine Schwester und ich und fünfzig Meter weiter hinten Muttern.

      Wenn wir endlich wieder im Auto saßen, standen wir im Stau mit all den ganzen anderen Deppenfamilien, die auch den ganzen Tag rumgelatscht waren. Ich war dann echt sauer, denn alles war genau wie immer: wieder würde ich den Anfang von ‚Raumschiff Enterprise‘ verpassen, wenn nicht die ganze Folge, obwohl der Alte hoch und heilig versprochen hatte, dass wir rechtzeitig zurück seien.

      Muttern und der Alte stritten sich, ob die gesammelten Pilze genießbar, essbar oder giftig wären. Sie wälzten Pilzbücher, aber sie konnten sich nicht einigen. Schließlich heulte Muttern und warf dem Alten die Pilze an den Kopf.

      Er briet sich die Reste und aß sie. Er starb nicht daran – aber vielleicht lagen sie ihm schwer im Magen.

      Meschan war katholisch, ich evangelisch. Sein Vater spielte sonntags in der Kirche die Orgel und Meschan sang im Knabenchor. Ich wollte mir das mal anhören.

      Schnell war ich in den ganzen Gottesdienst verwickelt und es war unmöglich wieder abzuhauen. Also wackelte ich auch vor den Altar und spülte die trockene Oblate mit dem ranzigen Wein runter.

      Hinterher war Meschan total sauer:

      „Das kannst du doch nicht machen“, sagte er entsetzt, „du bist nicht mal konfirmiert!“

      Wir hatten Musikunterricht bei Schmetter. Schon ein halbes Jahr saßen wir alle mit unseren Mistblöckflöten da und mussten zusammen oder einzeln aus dem Volksliederbuch: ‚Bruder Singer‘ was flöten.

      Zum Abschluss des Halbjahres sollte jeder was vorspielen, was Schmetter für uns auswählte. Ich sollte die Nationalhymne blasen. Also dazu hatte ich überhaupt keine Lust, also ließ ich den Quatsch. Dafür kriegte ich natürlich ne Sechs und im Zeugnis eine Fünf.

      Muttern sagte, sie wolle mal mit dem Lehrer reden. Dazu machte sie sich fein und legte Lippenstift auf.

      Als ich im neuen Halbjahr wieder Musik hatte, ließ mich Schmetter in Ruhe. Ich durfte mir sogar ein Stück aussuchen und eine Woche lang zu Hause eintrainieren. Am Schluss hatte ich eine Drei. Außerdem sollte ich Grüße an Muttern bestellen. Hab‘ ich aber nicht gemacht.

      Kurz vor den Abiturprüfungen war jemand nachts in die Schule eingebrochen, hatte die Waschbecken zugegipst und alle Wasserhähne aufgedreht. Das Wasser war durch alle vier Stockwerke bis in den Keller gelaufen und hatte die Penne unbenutzbar gemacht. Die nächsten zwei Wochen war schulfrei.

      Mein Vater war ein Mathefreak, der nur so aus Spaß sich mit Mathe befasste. Er gab einem Typen aus der dreizehnten Klasse Mathe-Nachhilfe. Der hatte eine lange, rote Matte und Sommersprossen. Ohne die Nachhilfe konnte er das Abitur nie bestehen.

      Im Korridor kriegte ich mit, wie mein Vater abends den wirklich schlechten Nachhilfeschüler spaßeshalber fragte, ob er die Verwüstung in der Schule angerichtet hätte. Der lief feuerrot an, röter als seine wilden Locken und kam nie wieder.

      Carsten wohnte in einem modernen Mietblock am Maschsee. Seine Eltern waren viel älter, als meine. Der Vater war echt schrullig und hatte einen Sammeltick. Der ganze Keller war voll mit irgendwelchem Zeug. Hauptsächlich sammelte er Standuhren und Kuckucksuhren. Hunderte, die zu jeder vollen