Schnell stapelte Sophie ihr Frühstücksgeschirr in der Spülmaschine, zog sich um und rannte zehn Minuten später mit Onta die Treppe zu den Fahrrädern hinunter.
Eine knappe Viertelstunde später hatten sie die Gartenanlage der Schule erreicht. „Haupeingang?“, fragte Onta unsicher. „Ja, aber besser wir lassen die Räder hier, wer weiß, was da vorne los ist“, mahnte Sophie. „Stimmt“, nickte ihre rothaarige Freundin und stieg ab. Der Kies knirschte, als sie mit eiligen Schritten in Richtung Haupteingang gingen. Je näher sie kamen umso lauter wurde das Summen der vielen Stimmen. „Du glaubst es nicht“, entfuhr Onta, als sie um die Ecke einbogen, die auf den Vorplatz führte. Sophie schüttelte den Kopf. Zwischen unzähligen Schülern und besorgten Eltern standen gut sichtbar in ihrem Gebaren mehrere Reporterteams. Doch irgendwie schien kein Schüler gewillt zu sein sich mit ihnen zu unterhalten, wie Sophie erleichtert feststellte als sie hinter einem Team zu Alba und Suki huschten. „Die sind echt sie Pest“, erklärte Alba, nachdem sie sich begrüßt hatten. „Wir haben schon zwei Reportern gesagt, dass wir kein Interview geben werden“, schimpft sie lautstark, während sie sich umschaute. „Na, na, wir werden euch schon beschützten“, grinste sie Tobias gönnerisch an und winkte Paul zu. Onta verdrehte sie Augen, während Alba nur kopfschüttelnd Sophie angrinste. „So wie es aussieht, sind alle, die nicht weggefahren sind hier“, meinte Suki, nachdem sie die Jungs begrüßt hatten. „Sehe ich genauso“, sagte Sophie, während die anderen zustimmend nickten. „Hat sich schon jemand von den Lehrern blicken lassen?“, wollte Onta von Paul wissen. „Bis jetzt noch nicht, also nicht seitdem wir hier sind“, war seine Antwort während der fragend zu Tobias schielte. „Nein, ich hab auch keinen gesehen“, stimmte er seinem Freund zu. „Und die Türen sind auch alle abgeschlossen“, fügte er hinzu. Plötzlich kam Bewegung in die anwesenden Reporter: Sie drängten sich an den Schülern vorbei, setzten sich in ihre Übertragungswagen und fuhren davon. Alle blickten ihnen stirnrunzelnd nach. Plötzlich knackte es in den Schullautsprechern. „Was?!“, blieb Ontas Frage in der Luft hängen. „Verehrte Schüler und Eltern, leider wissen die stellvertretende Schulleitung und der Stiftungsrat zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr als in der Presse mitgeteilt wurde“, tönte Herrn Oberreuts tiefe Stimme über den Platz. Ein enttäuschtes Raunen ging über den Platz. „Direktor Grün und seine Frau geht es gut oder genauer gesagt den Umständen entsprechen. Das Anwaltsteam der Kanzlei Hirsch und Herb wurde heute Morgen zu ihnen gelassen und hat sich mit den beiden beraten. Direktor Grün ist fassungslos und bestreitet ebenso wie seine Frau irgendetwas gewusst zu haben.“ Er machte eine Pause und jeder konnte hören, wie schwer dem Mittelstufendirektor das Sprechen fiel. „Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, eins Komma fünf Millionen Euro von den Stiftungskonten veruntreut zu haben. Die Anzeige erfolgte nach einer internen Überprüfung der Röhn-Bank.“
Röhn-Bank? Sophie schaute die anderen an. Ratlose Gesichter.
„In zwei Wochen wird es eine Schulversammlung geben, wo ich hoffentlich mehr sagen kann. Auch ob und wie der Schulbetrieb aufrechterhalten wird. Bitte verzichtet auf Anrufe bei der Staatsanwaltschaft oder Ähnliches. Danke“, verabschiedete sich Herr Oberreut mit müder Stimme.
Ein bisschen hatte Sophie Mitleid mit ihrem Lehrer. Der hatte sich die Ferien bestimmt auch anders vorgestellt. „Und was machen wir jetzt?“, fragte Onta leise. Tobias schnaubte. „Also ich werde mir mal ein paar andere Schulen anschauen, nur so als Plan B. Kommst du Tobias?“, meinte Paul und kickte einen Stein zur Seite. Mhm, dachte Sophie und schaute zu den anderen. Vielleicht keine schlechte Idee für jemanden mit reichen Eltern, doch aufgrund ihrer monetären Verhältnisse keine wirkliche Option. Sie konnte nur hier zur Schule gehen, weil sie ein Stipendium gewonnen hatte und bei Onta zahlten ihre Eltern und ihre Tante die Schulgebühr.
„Vielleicht müssen wir auf eine staatliche Schule gehen“, orakelte Onta auf dem Rückweg zu ihren Fahrrädern. Überfüllte Klassenräume, miefige Zimmer unmotivierte Mitschüler und Lehrer, Drogenprobleme, technische Wüste und schnöder Frontalunterricht. Sophie schauderte. „Noch dürfen wir die Hoffnung nicht aufgeben. Was sind schon eins Komma fünf Millionen von einem Stiftungskonto“, meinte Alba missmutig. „Eine Menge oder?“, fragte Onta hinter ihr. Sophie schüttelte den Kopf. „Bedenk doch mal, was die hier einnehmen. Jeder Schüler muss eine nicht unerhebliche Schulgebühr bezahlen. Stifter wird man nur wenn man mindestens eine Millionen Euro pro Jahr investiert und außerdem gibt es ja noch die Gönner“, rechnete Sophie vor. „Eigentlich ist die veruntreute Summe, die Aufregung gar nicht wert, wenn man mal das Gesamtvolumen betrachtet“, fügte Suki mit einem dumpfen Lachen hinzu.
Irgendwie, schien das Bild, das sie von ihrem Direktor hatte und die scheinbaren Tatsachen nicht miteinander vereinbar zu sein, dachte alle und machten sich grüblerisch auf den Weg zu den Fahrrädern. Onta und Sophie nahmen Alba und Suki hinten auf ihren Rädern mit. Jetzt konnte nur noch ein Stück Torte und Limonade helfen, um den Tag wenigstens ein bisschen zu retten.
Sie hatten noch nicht die Räder am Zuckerstückchen abgestellt als Lulu auf sie zugestürmt kam. „Himmel wo seid ihr gewesen“, begrüßte sie ihre Freundinnen. „Wir waren in der Schule“, erklärte Alba, während sie von Ontas Fahrradträger abstieg und ihren Hintern rieb. Suki fasste kurz zusammen, was Herr Oberreut gesagt hatte, während Onta und Sophie die Fahrräder abschlossen. „Was weiß dein Vater über die Sache?“, wollten alle von Lulu wissen, als sie in die Backstube des Zuckerstückchens eintraten. „Nicht viel mehr als in der Presse stand“, erklärte Lulu frustriert. Zumindest hatte er ihr nicht mehr sagen wollen.
Frau Hummel streckte den Kopf durch die Tür, begrüßte alle und stellte ein Tablett mit Schokotörtchen auf den Tisch. „Ich glaube ihr könnt sie jetzt brauchen“, meinte sie mitfühlend und entschwand wieder Richtung Laden. Tief sog jede den verlockenden Duft, aus Schokolade, Vanille und Kakao ein. „In Ordnung, du Suki nimmst die Gläser, Sophie die Limonade, Alba die Teller und Lulu das Besteck und die Servietten“, kommandierte Onta.
Die Luft im Garten war warm und roch nach Blumen und Kräutern, die Frau Hummel dort anbaute. Geschwind deckten sie den Gartentisch unter der großen Kirsche ein und ließen sich mit einem allgemeinen Seufzen der Erleichterung auf die Stühle gleiten. „Und was machen wir jetzt?“, fragte Suki, nachdem jede von ihrem Törtchen gekostet hatte. Tja, das war die große Frage. Alle runzelten die Stirn. „Vielleicht sollten wir erst mal die Fakten zusammenfassen“, meinte Alba und schaute ihre Freundinnen an. „Gute Idee“, stimmte ihr Sophie zu. „Also: auf dem Schulkonto der Röhn-Bank fehlen eins Komma fünf Millionen Euro“, schrieb sie mit großen Buchstaben auf das Blatt Papier das Onta ihr gebracht hatte und unterstrich dies dreimal energisch. „Zugriff auf das Konto hatten?“ „Auf alle Fälle Direktor Grün und seine Frau“, sagte Suki. „Und die Bankangestellten der Röhn-Bank“, warf Lulu ein. „Stimmt“, pflichtete ihr Sophie bei und schrieb Angestellte mit Fragezeichen unter den Punkt Verdächtige. „Vielleicht aber auch mehr“, mutmaßte Aimee und schaute die jungen Frauen, die erschrocken den Kopf reckten, spitzbübisch an. „Hast du uns erschreckt“, murmelte Onta. Sophie musterte Aimee und nickte langsam. Ontas Schwester hatte in der Bank gearbeitet, sie war sozusagen ein Insider. „Je