Weihnachtsmärchen auf 359 Seiten. Charles Dickens. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Charles Dickens
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783742763006
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Scrooge war sein einziger Testamentsvollstrecker, sein einziger

       Scrooge war sein einziger Testamentsvollstrecker, sein einziger

       Verwalter, sein einziger Erbe, sein einziger Freund und sein

       einziger Leidtragender. Und selbst Scrooge war von dem

       traurigen Ereignis nicht so schrecklich mitgenommen, um nicht

       selbst am Begräbnistag ein vortrefflicher Geschäftsmann sein und

       ihn mit einem unzweifelhaft guten Handel feiern zu können.

       Nun bringt mich die Erwähnung von Marleys Begräbnistag

       wieder zu dem Ausgangspunkt meiner Erzählung zurück. Es gibt

       keinen Zweifel, daß Marley tot war. Das muß scharf ins Auge

       gefaßt werden, sonst kann in der Geschichte, die ich erzählen

       will, nichts Wunderbares geschehen. Wenn wir nicht vollkommen

       fest überzeugt wären, daß Hamlets Vater tot ist, ehe das Stück

       beginnt, so wäre durchaus nichts Merkwürdiges in seinem

       nächtlichen Spaziergang bei scharfem Ostwind auf den Mauern

       seines eigenen Schlosses.

       Nicht mehr, als bei jedem anderen Herrn in mittleren Jahren, der

       sich nach Sonnenuntergang rasch zu einem Spaziergang auf

       einem luftigen Platz entschließt, zum Beispiel auf dem Sankt-

       Pauls-Kirchhof.

       Scrooge ließ Marleys Namen nicht ausstreichen. Noch nach

       Jahren stand über der Tür des Speichers »Scrooge und Marley«.

       Die Firma war unter dem Namen Scrooge und Marley bekannt.

       Leute, die Scrooge nicht kannten, nannten ihn zuweilen Scrooge

       und zuweilen Marley; aber er hörte auf beide Namen, denn es

       galt ihm beides gleich.

       galt ihm beides gleich.

       Oh, er war ein wahrer Blutsauger, dieser Scrooge! Ein gieriger,

       zusammenkratzender, festhaltender, geiziger alter Sünder: hart

       und scharf wie ein Kiesel, aus dem noch kein Stahl einen

       warmen Funken geschlagen hat, verschlossen und

       selbstgenügsam und ganz für sich, wie eine Auster. Die Kälte in

       seinem Herzen machte seine alten Gesichtszüge starr, seine spitze

       Nase noch 6

       spitzer, sein Gesicht runzlig, seinen Gang steif, seine Augen rot,

       seine dünnen Lippen blau, und sie klang aus seiner krächzenden

       Stimme heraus. Ein frostiger Reif lag auf seinem Haupt, auf

       seinen Augenbrauen, auf dem starken struppigen Bart. Er

       schleppte seine eigene niedere Temperatur immer mit sich herum:

       in den Hundstagen kühlte er sein Kontor wie mit Eis, zur

       Weihnachtszeit machte er es nicht um einen Grad mol iger.

       Äußere Hitze und Kälte wirkten wenig auf Scrooge. Keine

       Wärme konnte ihn wärmen, keine Kälte frösteln machen. Kein

       Wind war schneidender als er, kein Schneegestöber

       erbarmungsloser, kein klatschender Regen einer Bitte weniger

       zugänglich. Schlechtes Wetter konnte ihm nichts anhaben. Der

       ärgste Regen, Schnee oder Hagel konnten sich nur in einer Art

       rühmen, besser zu sein als er: sie gaben oft im Überfluß, und das

       tat Scrooge nie und nimmer.

       Niemals kam ihm jemand auf der Straße entgegen, um mit

       freundlichen Blicken zu ihm zu sagen:»Mein lieber Scrooge, wie

       freundlichen Blicken zu ihm zu sagen:»Mein lieber Scrooge, wie

       geht's, wann werden Sie mich einmal besuchen?« Kein Bettler

       sprach ihn um eine Kleinigkeit an, kein Kind fragte ihn, wie spät

       es sei, kein Mann und keine Frau hat ihn je in seinem Leben nach

       dem Weg gefragt. Selbst der Hund des Blinden schien ihn zu

       kennen, und wenn er ihn kommen sah, zog er seinen Herrn in

       einen Torweg und wedelte dann mit dem Schwanz, als wol te er

       sagen: »Gar kein Auge, blinder Herr, ist besser als ein böses

       Auge.«

       Doch was kümmerte all das den alten Scrooge? Gerade das

       gefiel ihm. Allein seinen Weg durch die engen Pfade des Lebens

       zu wandern, jedem menschlichen Gefühl zu sagen: »Bleibe mir

       fern«; das war es, was Scrooge gefiel.

       Einmal, es war von allen guten Tagen im Jahr der beste, der

       Christabend, saß der alte Scrooge in seinem Kontor. Draußen

       war es schneidend kalt und neblig, und er konnte hören, wie die

       Leute im Hof, um sich zu erwärmen, prustend auf und nieder

       gingen, die Hände aneinander schlugen und mit den Füßen

       stampften. Es hatte eben erst drei Uhr geschlagen, doch war es

       schon stockfinster. Den ganzen Tag über war es nicht hel

       geworden, und die Kerzen in den Fenstern der benachbarten

       Kontore flackerten wie rote Flecken auf der dicken braunen

       Luft. Der Nebel drang durch jede Spalte und durch jedes

       Schlüssel och und war draußen so dick, daß die

       gegenüberliegenden Häuser des sehr kleinen Hofes wie ihre

       eigenen Geister aussahen. Wenn man die trübe, dicke, alles

       eigenen Geister aussahen. Wenn man die trübe, dicke, alles

       verfinsternde Wolke heruntersinken sah, hätte man meinen

       können, die Natur wohne dicht nebenan und braue en gros.

       Die Tür von Scrooges Kontor stand offen, damit er seinen

       Kommis beaufsichtigen konnte, der in einem erbärmlich feuchten,

       kleinen Raum, einer Art Burgverlies, Briefe kopierte. Scrooge

       hatte nur ein sehr kleines Feuer, aber des Dieners Feuer war um

       so viel kleiner, daß es nur wie eine einzige Kohle aussah. Er

       konnte aber nicht nachlegen, denn Scrooge hatte den

       Kohlenkasten in seinem Zimmer, und jedesmal, wenn der

       Kommis mit der Kohlenschaufel in der Hand hereinkam, meinte

       sein Herr, es sei wohl nötig, daß sie s ich trennten.

       Worauf der Kommis seinen weißen Schal umband und

       versuchte, sich an dem 7

       Licht zu wärmen, was aber immer fehlschlug, da er ein Mann von

       nicht sehr starker Einbildungskraft war.

       »Fröhliche Weihnachten, Onkel, Gott erhalte Sie!« rief da eine

       heitere Stimme. Es war die Stimme von Scrooges Neffen, der so

       schnel hereingekommen war, daß dieser Gruß das erste war,

       was man von ihm bemerkte.

       »Pah«, sagte Scrooge, »dummes Zeug!«

       Der Neffe war vom schnel en Laufen so warm geworden, daß er

       über und über glühte; sein