Deutsches Märchenbuch + Neues Deutsches Märchenbuch. Ludwig Bechstein. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ludwig Bechstein
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783742772725
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Schneider). Nun hauseten im nahen Walde zwei

       Riesen, die täten ihm aus der Maßen großen Schaden

       mit Rauben, Morden, Sengen und Brennen im Lande

       umher, und man könne ihnen weder mit Waffen noch

       sonst wie beikommen, denn sie erschlügen alles, und

       so er sich's nun unterfangen wolle, die Riesen umzubringen,

       und brächte sie wirklich um, so solle er des

       Königs Tochter zur ehelichen Gemahlin, und das

       halbe Königreich zur Aussteuer erhalten, auch wolle

       der König ihm hundert Reiter zur Hülfe gegen die

       Riesen mitgeben.

       Auf diese Rede des Königs ward dem Schneiderlein

       ganz wohl zu Mute und deuchte ihm schön, daß

       es sollte eines Königs Tochtermann werden und ein

       halbes Königreich zur Aussteuer empfangen; sprach

       daher kecklich: er wolle gern dem König, seinem allergnädigsten

       Herrn, zu Diensten stehen, und die Riesen

       umbringen, und sie wohl ohne Hülfe der hundert

       Reiter zu töten wissen. Darauf verfügte er sich in den

       Wald, hieß die hundert Reiter, die ihm auf des Königs

       Befehl dennoch folgen mußten, vor dem Walde warten,

       trat in das Dickicht, und lugte umher, ob er die

       Riesen irgendwo sehen möchte. Und endlich nach langem

       Suchen fand er sie beide unter einem Baume

       schlafend, und also schnarchend, daß die Äste an den

       Bäumen, wie vom Sturmwind gebogen, hin- und herrauschten.

       Der Schneider besann sich nicht lange, las schnell

       seinen Busen voll Steine, stieg auf den Baum, darunter

       die Riesen lagen, und begann den einen mit einem

       derben Steine auf die Brust zu werfen, davon der

       Riese alsbald erwachte, über seinen Mitgesellen zornig

       ward und fragte, warum er ihn schlüge? Der andere

       Riese entschuldigte sich bestens, so gut er's vermochte,

       daß er mit Wissen nicht geschlagen, es müsse

       denn im Schlafe geschehen sein; da sie nun wieder

       entschliefen, faßte der Schneider wieder einen Stein,

       und warf den andern Riesen, der nun auffahrend über

       seinen Kameraden sich erzürnte und fragte, warum er

       ihn werfe? der aber nun auch nichts davon wissen

       wollte. Als beiden Riesen nun die Augen nach einigem

       Zanken vom Schlafe wieder zugegangen waren,

       warf der Schneider abermals gar heftig auf den andern,

       daß er es nun nicht länger ertragen mochte, und

       auf seinen Gesellen, von dem er sich geschlagen vermeinte,

       heftig losschlug; das wollte denn der andere

       Riese auch nicht leiden, sprangen beide auf, rissen

       Bäume aus der Erde, ließen aber doch zu allem Glück

       den Baum stehen, darauf der Schneider saß, und

       schlugen mit den Bäumen so heftig aufeinander los,

       bis sie einander gegenseitig totschlugen.

       Als der Schneider von seinem Baume sahe, daß die

       beiden Riesen einander tot geschlagen hatten, ward

       ihm besser zu Mute, als ihm jemals gewesen, stieg

       fröhlich vom Baume, hieb mit seinem Schwerte jegli-

       chem Riesen eine Wunde oder etliche, und ging aus

       dem Walde hervor zu den Reitern. Die fragten ihn, ob

       er die Riesen entdeckt oder ob er sie nirgends gesehen

       habe? »Ja«, sagte der Schneider, »entdeckt und gesehen

       und alle zwei tot geschlagen – habe ich, und sie

       liegen lassen unter einem Baume.« Das war den Reitern

       verwunderlich zu hören, konnten und wollten's

       nicht glauben, daß der eine Mann so unverletzt von

       den Riesen sollte gekommen sein, und sie noch dazu

       tot geschlagen haben, ritten nun selbst in den Wald,

       dies Wunder zu beschauen und fanden es also, wie

       der Schneiderheld gesagt hatte. Darob verwunderten

       sich die Reiter gar sehr, und empfanden einen grauslichen

       Schrecken, ward ihnen auch noch übler zu Mute,

       denn vorher, da sie fürchteten, der Sieger werde sie

       alle umbringen, wenn er ihnen Feind würde; ritten

       heim und sagten dem König an, was geschehen.

       Da nun der Schneider zum Könige kam, seine Tat

       selbst anzeigte, und die Königstochter samt dem halben

       Königreich begehrte, gereute den König sein Versprechen,

       das er dem unbekannten Kriegsmann gegeben,

       gar übel, denn die Riesen waren nun erwürgt,

       und konnten keinen Schaden mehr tun; dachte darüber

       nach, wie er des Helden mit Fug abkommen möchte,

       und war nicht im mindesten gesonnen, ihm die Tochter

       zu geben. Sprach daher zum Schneider, wie er in

       einem andern Walde leider noch ein Einhorn habe,

       das ihm sehr großen Schaden tue an Fischen und Leuten;

       dasselbe solle er doch auch noch fangen, und so

       er dieses vollbringe, wolle der König ihm die Tochter

       geben. Der gute Schneider war auch das zufrieden,

       nahm einen Strick, ging hin zu jenem Walde, allwo

       das wilde Einhorn hauste, und befahl seinen Zugeordneten,

       draußen vor dem Walde zu warten, er wolle allein

       hineingehen und allein die Tat bestehen, wie er

       die gegen die zwei Riesen auch allein und ohne andere

       Hülfe bestanden. Als der Schneider eine Weile im

       Walde umher spaziert war, ersieht er das Einhorn, das

       gegen ihn daher rennt mit vorgestrecktem Horn und

       will ihn umbringen. Er aber war nicht unbehende,

       wartete, bis das Einhorn gar nahe an ihn herankam,

       und als es nahe bei ihm war, schlüpfte er rasch hinter

       den Baum, neben dem er zu allernächst stand, und da

       lief das Einhorn, das im vollen Rennen war und sich

       nicht mehr wenden konnte, mit aller Hast gegen den

       Baum, daß es ihn mit seinem spitzen Horn fast durch

       und durch stieß, und das Horn unverwandt darin stekken

       blieb. Da trat der Schneider, als er das Einhorn

       am Baume fest zappeln sah, hervor, schlang ihm den

       mitgenommenen Strick um den Hals, band es an den

       Baum vollends fest, ging heraus zu seinen Jagdgesellen,

       und zeigte ihnen seinen Sieg über