Irgendwann klingelte mein Handy.
„Wo bist du?“
„Irgendwo auf dem Feld. Weiß nicht wo.“
„Komm jetzt heim. Es ist dunkel und ich mache mir Sorgen. Soll ich dich holen?“
„Nein. Ich finde den Weg schon zurück. Ich komme.“
Ich lief heim. Dieser Zustand musste aufhören. ER musste aufhören. Wenn noch etwas passierte, würde ich zusammenklappen und man könnte mich aufkehren. Wie sollte ich es ihm sagen, ohne zu zeigen, dass ich mehr wusste, als ihm lieb sein konnte?
Als ich die Haustüre öffnete, stand er bereits im Flur und ich als Häufchen Elend vor ihm.
„Was immer hier vor sich geht, hör auf damit.“, bat ich ihn.
„Okay“, sagte er nur und nickte.
Unter der Dusche überlegte ich mir, warum er mich nicht befragte, was aufhören sollte. Offensichtlich wusste er ganz genau Bescheid.
**
Am nächsten Morgen rief mich Robert an und fragte, wie es mir ging und wie mein Abend verlief. Ich stand im Supermarkt, als er mich erreichte. Meine Eltern waren zum Babysitten da, weil ich mit Moritz schon wieder zur Ärztin musste und sich Gerhard nicht bereit erklären wollte, zu bleiben. Meine Mutter betreute Moritz und bestimmt ging es ihm dort, wie einem kleinen Prinzen. Ich erzählte Robert, wie hilflos ich war.
„Und dann saßen wir vor dem Fernseher und keiner hat mehr etwas gesagt. Den ganze Abend nicht mehr.“
„Oh Gott! Und du hast sicher nichts von den E-Mails gesagt?“, fragte er nach.
„Nein, aber glaub mir, dass ich kurz davor war.“
„Vielleicht reicht dieser Schuss vor den Bug auch aus, damit er zu sich kommt.“, sagte Robert optimistisch.
„Heute Morgen zumindest machte Gerhard gut Wetter, war überschwänglich freundlich und versprach, sich im Laufe des Tages zu melden.“
„Siehst du, vielleicht bringt es was. Ich habe zu Alma nichts gesagt, außer dass du Gerhard verzweifelt suchtest und er wohl verschollen war.“
„Hat sie sich etwas anmerken lassen?“
„Nein. Absolut nicht. Ich hätte nie gedacht, dass sie so abgebrüht sein kann. Nicht mal ein schlechtes Gewissen ließ sie sich anmerken.“
„Du musst das andere Postfach knacken.“ Ich beschrieb ihm, warum ich der Meinung war, dass wir hier nur die Spitze des Eisbergs wussten und ich befürchtete, dass noch mehr Dreck unter der Wasseroberfläche lauerte.
Robert versprach, sich etwas zu überlegen, aber es schien ihm hörbar unangenehm zu sein. Wollten wir das überhaupt wissen?
„Ich muss jetzt noch für Gerhard einkaufen. Die Tanten aus Baden-Baden sollen Weihnachtspost bekommen und ich dachte, ich kaufe noch Tee zum selbst gemachten Fotokalender. Tee trinken alten Damen gerne.“
„Was? Du springst noch für ihn rum? Na, nach dem gestrigen Tag könnte er mir den Buckel runter rutschen und den Bauch wieder hinauf. Soll er doch seinen Scheiß selbst kaufen. Genug Zeit hat er ja. In der Zeit kann er schon nicht mit Alma zum Essen gehen.“
Robert konnte nicht verstehen, dass ich hier nachgeben musste, um Gerhard nicht zu verlieren. Er sollte es so schön wie möglich haben. Wer es schön hat, hätte keinen Grund sich in eine andere zu verlieben.
Tatsächlich meldete sich Gerhard auf dem Nachhauseweg. Ich erzählte ihm von meinem Einkauf und davon, dass wir am Abend das Päckchen für Baden-Baden fertig machen könnten und dass ich vor lauter Tanten vergessen hatte, Tee für uns zu kaufen. Er wollte dies auf dem Heimweg nachholen.
Als er kam überraschte mich Gerhard nicht nur mit Tee.
„Schau mal Schatz, was ich dir mitgebracht habe.“
Er überreichte mir eine Packung Herzpralinen.
Ich bedanke mich mit einem Kuss und führte ihn ins Wohnzimmer.
„Ich habe den Tee zusammengebunden und eine schöne Schleife dran gemacht. Zusammen mit dem Fotokalender gibt das doch ein tolles Bild, oder?“
Gerhard bejahte.
„Das ist doch ein sehr persönliches Geschenk. Meinst du die alten Damen freuen sich daran?“
„Du, das sieht toll aus. Vielen Dank.“
Alma würde das nie tun, dachte ich, oft genug betonte sie, dass sie weder dort hin fahren, noch Geschenke für die Damen besorgen würde. Wenn Gerhard meinte, er bräuchte eine so enge Geschäftsbeziehung dorthin, dann solle er diese selbst pflegen. Am liebsten hätte ich Gerhard das gesagt.
„Ich habe einen Mordshunger. Was gibt es denn zu essen?“
„Ofengemüse mit Feta.“
„Wow, das mag ich. Ich zieh mich schnell um und dann lass uns essen.“
Von außen betrachtet, mussten wir wirken wie in Steiners Theaterstadl. Die Konversation war vorgeschrieben und wir agierten mehr schlecht als recht. Beide waren wir bemüht, eine Lösung zu finden oder zumindest nichts zu verschlechtern.
Als die Kinder im Bett waren, wollte ich uns den mitgebrachten Tee zubereiten. Gerhard wollte lieber sein Nikolausgeschenk ausprobieren, das ich ihm gekauft hatte - einen Vakuumverschluss für Weine. Er öffnete eine teure Flasche Rotwein. Aber viel Rotwein hatten wir nicht, denn Gerhard war es nach Sex. Ich ging voraus ins Schlafzimmer und zog mich dabei langsam aus. Eine Spur aus Kleidern wies ihm den Weg. Die Unterwäsche trug ich bis ins Bett, die sollte er mir ausziehen. 180 Euro Dessous aus Stuttgarts Edelboutique.
In der Vergangenheit garantierte allein die Aussicht auf Sex dafür, dass ER einsatzbereit war. Aber als ich mich umschaute, war irgendwie alles auf Halbmast. Wie mein Leben. Ich musste mich sehr bemühen, damit der Sex, den wir vermeintlich beide haben wollten, stattfinden konnte. Was uns dann verband waren pure Emotionen.
Als ich hinterher an ihn kuschelte, spürte ich tiefe Liebe und Hoffnung. Hoffnung darauf, dass wieder alles in Ordnung käme. Wer so vögelt, muss lieben, dachte ich.
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