Die Liebesbotschafterin. Andreas Menne Peter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andreas Menne Peter
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738078817
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Der zweite Hinweis befindet sich in dem Ort, der den Namen der Symbolfarbe beinhaltet, die für die Antwort auf die folgende Frage steht:

       Was ist das Wichtigste im Leben?

      Der Satz war so sperrig formuliert, dass Michael drei Anläufe brauchte, bis er überhaupt verstand, was die Frage war. Zunächst mal: Was ist das Wichtigste im Leben? Na ganz klar »Liebe«, dachte Michael. Symbolfarbe? Die Symbolfarbe der Liebe war »rot«. Das ist ja einfach. Unbewusst lief er zurück durch den Torbogen. Dabei wollte er sich doch hier etwas am Kiosk holen, aber er konnte auch in die Stadt fahren. Er setzte sich ans Steuer seines alten Volvo und dachte weiter über das Rätsel nach. Ein Ort mit »rot«. Es gab sicherlich viele Orte mit dieser Bezeichnung im Namen. Er müsste im Internet recherchieren. Er entschied sich in die Stadt zu fahren und ein Internetcafé aufzusuchen. Bei der Gelegenheit könnte er auch etwas essen.

      ***

      Geistesabwesend schob er sich den Rest eines Schokodonuts in den Mund, den er sich in einer Bäckerei am Straßenrand gekauft hatte. Zuerst hatte er nach einem Ort mit »rot« gegoogelt, was ihm unendlich viele Treffer einbrachte, die – schlimmer noch – häufig in keinerlei Verbindung mit dem Ortsnamen standen. Also suchte er nun eine Ortssuche. Es gab so viele Seiten im Internet, etliche Suchmaschinen, warum nicht auch eine, welche die Namen von Städten und Gemeinden durchforsten konnte? Tatsächlich stieß er auf eine solche, aber das Ergebnis war niederschmetternd: Es gab unzählige Orte mit der Bezeichnung im Namen, selbst in der näheren Umgebung waren es Dutzende. Hohenroth, Rothenbuch, Rothenfels ... So würde er nicht weiterkommen. Er nahm wieder den Brief zur Hand. Vielleicht hatte er ja was übersehen. Da: Dein Herz ist deine Festung.

      In Rothenbuch gab es ein Jagdschloss, aber die Burg Rothenfels kam einer Festung näher. Aber meinte sie es nicht vielleicht doch nur im übertragenen Sinne? Übertragen auf was?

      Er entschied sich für Rothenfels. Das hieß, er entschied sich, zuerst Rothenfels anzusteuern und danach Rothenbuch und danach ... würde er weitersehen.

      Er gab den Namen des Zielortes in sein mobiles Navigationsgerät ein.

      »Meine Güte«, dachte er sich, »wie leicht es heute ist, bestimmte Dinge zu erfahren.« Das System errechnete eine 42 Kilometer lange Route. Geschätzte Dauer bis zur Ankunft: 45 Minuten. Michael machte sich auf den Weg.

      ***

      Er war noch nie über diese Straßen gefahren, kannte die Orte und Landschaften nicht. Schon seltsam, wenn er bedachte, wie vertraut er mit mancher Region war, in der er gerne seinen Urlaub verbrachte, aber schon fünf Kilometer von seinem eigenen Zuhause konnte er sich fremd vorkommen. Er wohnte in Schweinfurt, war selbständiger IT-Kaufmann und dieses Wochenende sollte eigentlich sein persönlicher, kleiner Freizeittrip werden. Er hatte vor, sich spontan ein Hotelzimmer zu nehmen, wo auch immer er sich gerade befand. Nur kein Stress. Jetzt kam alles anders. Er konnte jederzeit damit aufhören, das wusste er. Aber er konnte auch nicht, das war ihm ebenfalls klar. Er würde sich solange fragen, was hinter dieser Sache steckte, bis er sie gelüftet hatte.

      Das Gebiet wurde ländlicher, aber die Straßen waren gut ausgebaut. Irgendwann erreichte er eine Kleinstadt: Marktheidenfeld. Er dachte kurz darüber nach, ob er anhalten sollte, um sich zu orientieren, aber er würde den Weg zurück schon wieder finden, notfalls auch ohne Navi. Es ging weiter über eine Mainbrücke und durch das nächste Dorf. Dann erreichte er die Ausfahrt Rothenfels. Er las »Rothenfels« und »Bergrothenfels« auf dem Schild und beschloss, nun doch einmal anzuhalten.

      Rothenfels war eine Stadt, Bergrothenfels ein Ort. Sicher, auch eine Stadt war in gewissem Zusammenhang ein Ort, aber hatte sie nicht geschrieben: »in dem Ort«? Ja! Ein Irrtum war somit ausgeschlossen.

      Er startete den Motor und fuhr den Berg hinauf. Nach einer Minute hatte er die Ortseinfahrt erreicht. Da wurde ihm bewusst, dass er keine Ahnung hatte, wie es nun weitergehen sollte. Sie hatte nichts davon geschrieben, was nun zu tun sei.

      Er hielt innerorts an einem Parkplatz, um sich zu vergewissern. Nichts! Hatte er sich doch im Ort geirrt? Müsste ihm der Hinweis ins Auge springen? Quatsch. Welcher Hinweis sollte so markant sein, dass ihn nicht schon längst jemand gefunden hätte? Vielleicht die Burg! Möglicherweise gab es an der gleichen Stelle wieder eine Bank mit einem Hinweis. Nein, der Hang war zu steil an dieser Seite. Hatte er sich im Ort geirrt? Sollte er nach »Hohenroth« fahren? Aber was sollte ihm dort auffallen, was es hier nicht auch gab? Er dachte verschiedene Szenarien durch. Was war der bedeutsamste Punkt in einem Ort? Der Marktplatz! Aber ein Dorf hatte für gewöhnlich keinen Markt.

      Etwas resigniert stieg er wieder ins Auto, schließlich kam ihm ein Gedanke. Er fuhr zurück zum Ortseingang, vielleicht war das deutlichste Symbol für ein Dorf das Ortsschild.

      Er passierte es und fand kurz darauf eine Einfahrtschneise, wo er anhalten konnte, dann lief er zu dem Schild und blickte zu ihm auf, als müsse sich dort ein Hinweis befinden. Schließlich schüttelte er den Kopf und lehnte seine Arme resigniert auf die Leitplanke. Er befand sich unterhalb der Burg und vor seinen Augen lief ein schmaler Bach in einem tiefen, ausgebauten Flussbett. Vielleicht hatte es einst als Schutzgraben für die Burg gedient. Er sah das schmale Rinnsal, auf einem der Steine war mit Farbe ein rotes Herz gemalt. Michael starrte darauf, zunächst gelangweilt, dann alarmiert.

      Ein rotes Herz? Das konnte Zufall sein. Rot, die Farbe der Liebe ... na, der Zusammenhang war nun wirklich sehr weit hergeholt. Einem inneren Impuls folgend schwang er schließlich die Beine über die Leitplanke und stieg hinab in den Graben. Das Wasser reichte ihm nicht mal bis zu den Knöcheln, so konnte er trockenen Fußes durch das Flussbett waten. An der anderen Seite machte er vor dem Herz halt. Es befand sich gut einen Meter über dem Boden auf einem der Quader aus rotem Sandstein.

      Michael kratze sich an der Lippe und blickte die massive Mauer an. Schließlich berührte er den Stein. Er saß locker! Sein Herz machte einen Sprung. Mit beiden Händen begann er ihn aus seiner Fassung zu rütteln, bis er den Brocken in der Hand hatte. Wenn jetzt jemand käme, würde der ihn noch wegen Sachbeschädigung oder gar Diebstahls belangen, aber es herrschte bis auf den Lauf des Baches Totenstille. Michael blickte in die nun entstandene Lücke. In ihr lag ein kleines Plastiktütchen mit einem Zettel. Eilig nahm er es heraus, setzte den Stein wieder an seine ursprüngliche Stelle und kletterte hinauf zu seinem Wagen. Im Auto wischte er den Dreck von dem Tütchen und prüfte sorgfältig, ob es trocken war, damit keine Nässe ins Innere geriet und die Schrift verwischte. Dann begann er mit zittrigen Händen den Zettel zu entfalten. Er war genauso groß wie der erste, aber diesmal dichter beschrieben. Er begann zu lesen.

      Zweiter Brief

       Hallo, du!

       Unfassbar. Du hast ihn tatsächlich gefunden. Das war nicht ganz einfach, oder? Ich gebe zu, meine Hinweise waren lückenhaft. Aber wahrscheinlich hatte ich Angst, dass tatsächlich jemand danach suchen könnte. Dabei hab ich sie ja deshalb geschrieben. Verrückt, oder?

       Na ja, jedenfalls herzlichen Glückwunsch! Nein, das ist wohl arrogant. Zu was soll ich dir denn gratulieren? Denn wie gesagt, das, was du am Ende findest, wenn du alle Zettel beisammen hast, sagt dir vielleicht gar nicht zu. Außerdem werde ich damit ja nicht automatisch deine Leibeigene.

       Jetzt werde ich unfair. Ich sollte dir keine Moralpredigten halten, schließlich hast du einen weiten Weg auf dich genommen und das ohne Hoffnung auf irgendwas, deshalb sollte ich dich loben. Wer auch immer du bist, du hast einen starken Willen und Köpfchen und eine gute Intuition, da bin ich sicher.

       Dabei fällt es mir schwer, dir jetzt gleich das nächste Rätsel zu stellen, aber ich muss es nun mal in diesem Schreiben tun. Also, wenn du Interesse hast, meiner Spur weiter zu folgen.

       Deinen nächsten Hinweis findest du in der Würzburger Stadtbücherei. Im ersten Stock, Abteilung Poesie. Ein sehr weites Feld, nicht wahr? Aber das Meiste ist uninteressant, zumindest für mich. Zu schwer, zu unglaubwürdig, zu falsch. Vielleicht gibt es Leute, die bereit sind, Kompromisse einzugehen, aber mir zerstört ein falsches Wort,