Wir gruppierten uns alle um unseren neuen Freund und schossen ein Foto, das ich vervielfältigen und jedem als Erinnerung eben wollte. Wir gingen alle ins Schloss, tranken Kaffee und aßen süßes „Kum“. Jarmo fragte Seldit und Bortan, ob sie schon von den großen Ereignissen gehört hätten, die bevorstünden und Seldit sagte, wenn er die Doppelhochzeit meinte, dann würden sie sehr gerne an der Feier teilnehmen. Es kämen sehr viele Gäste, sagte Jarmo, mehr als beim letzten Schlossfest, als Eira gekrönt worden wäre, weil ja auch Meeris und Jalos Bekannte und Freunde alle eingeladen würden. Aber zuerst einmal würden wir die Geburt von Klaus-Jarmo feiern, meinte Jarmo, der Namensvetter, sie stünde in eineinhalb Monaten an, gefeiert würde aber später an einem warmen Tag draußen.
Seldit sagte, dass sie den Geburtstermin kannte, sie wäre in Geburtsdingen erfahren und würde bei der Geburt helfen. Am frühen Abend fuhren wir nach Hause, Marietta war müde geworden und wollte sich schonen, sie setzte sich zu Hause auf einen Sessel vor den Kamin und legte die Beine hoch. Ich holte „Kum“ und Getränke und ging dann mit Bortan die Tiere füttern, die schon auf ihre Keule zu warten schienen. Wasser gaben wir ihnen keines, ihre Näpfe waren noch voll, Armi und Ilpo waren bei dem Schneewetter nicht so durstig und fraßen den Schnee gegen den Durst.
„Zwei prächtige Kerle, die ihr da habt, wie Lauha und Herkko!“, staunte Bortan. Wir gingen wieder zum Haus zurück und aßen und tranken. Wir hätten an Silvester bei Eira und Jarmo einen Plaumenkompott gegessen, wie er appetitlicher nicht hätte sein können, sagte ich, überhaupt wäre die Silvesterfeier sehr schön gewesen, wir erzählten von dem Feuerwerk und der Händelmusik dazu. Hinterher wären wir mit Pekko, Kaija, Jonne und Pekkos Kollegen ins Schloss gegangen und hätten noch zusammengesessen. Es wäre schön, einmal wieder mit ihnen zusammen zu sein, sagten wir Seldit und Bortan, wenn auch nur kurz, das nächste Mal kämen wir wieder nach Longon, vielleicht läge dann kein Schnee mehr. Ich legte Holz nach, das es zum Glück umsonst gab. Wir blieben lange auf und tranken ordentlich, wir unterhielten uns dann über die Zeit, die verstrichen war, seit Marietta und ich im Goor-Reich waren, wie Bortan und ich uns an dem Seehang gegenübergestanden und ich Lauha und Herkko in ihr triefendes Maul geschaut hatte. Marietta fing irgendwann an zu gähnen, es ging aber auch schon auf Mitternacht zu und wir gingen schlafen.
Den Tag dann mit einem herrlichen Kaffee zu beginnen, das war das Größte, dazu süßes „Kum“ und Obst! Seldit und Bortan waren ebenso wenig Langschläfer wie wir und so saßen wir relativ früh wieder am Tisch, ihr Rückflug ginge erst um eins, sodass wir noch viel Zeit miteinander hatten. Es hatte in der Nacht wieder geschneit, Bortan und ich gingen in die Dunkelheit hinaus und fütterten die Tiere. Ich gab Seldit dann eins der Fotos, das ich als Kopie von unserem Schneemannbau hatte, sie wollte es rahmen und in ihre Diele hängen, sagte sie. Marietta lag auf der Couch und streckte ihren dicken Bauch nach oben, das war schon gigantisch, was sie da als Bauch mit sich herumtrug.
Um 12.00 h stiegen wir in unser Auto und machten uns zum Flughafen auf, die Maschine ging zwar erst um eins, so hätten wir aber noch etwas Zeit zusammen und könnten in der Flughafenbar einen Kaffee trinken. Wir waren schon um 12.15 h da und parkten direkt vor der Flughafenhalle. Der Flughafen war klein, wie alle Flughäfen im Goor-Reich, es flogen vielleicht zwanzig Passagiere mit der Maschine nach Longon, da reichte es, erst eine Dreiviertelstunde vor Abflug einzuchecken. Wir setzten uns in der Flughafenbar ans Fenster, um den Betrieb auf dem Platz draußen beobachten zu können. Dann, um 12.45 h kam der Durchruf, dass die Passagiere nach Longon an Bord gehen sollten. Wir umarmten uns zum Abschied, die Maschine hatte relativ große Fenster, sodass wir Seldit und Bortan erkennen konnten, wir winkten uns einander zu, bis die Maschine mit einem infernalischen Getöse hochstieg und dann abflog.
Wir fuhren vorsichtig durch die nicht geräumten Straßen nach Hause und steckten den Kamin an. Marietta legte sich auf die Couch und ich nahm mir meinen Vorlesungsplan vor, um ihn mit Marietta durchzugehen, der Semesterbeginn fiele mit der Geburt unseres Sohnes zusammen. Ich schaute Marietta ins Gesicht und sie lächelte, wenn ich mir überlegte, welchen ungeheuren Wandel unser Leben in dem letzten halben Jahr erfahren hatte, das war kaum nachvollziehbar! Ich ging zu Marietta und küsste sie, ich sagte ihr, was mir gerade durch den Kopf gegangen wäre und sie streichelte mir über die Wange.
Es wäre richtig gewesen, wie wir gehandelt hätten, sie hätte da gar keinen Zweifel, ob ich etwa zweifelte, fragte sie mich und ich antwortete, dass ich auch nicht den Hauch eines Zweifels in mir trüge und küsste sie noch einmal, fast war ihr dicker Bauch dabei im Weg. Ich sagte Marietta, dass ich sie liebte, sie liebte mich auch sehr, antwortete sie und streichelte weiter meine Wangen. Dann kochte ich Kaffe und fragte Marietta, ob sie denn überhaupt Kaffee trinken dürfte, fünf Wochen vor der Entbindung? Marietta entgegnete, dass der Kaffee völlig unproblematisch wäre, sie hätte es selbst erst vor ein paar Tagen von Eira erfahren, er wäre coffeinfrei! Das haute mich fast um, der Kaffee, den ich mit solcher Hingabe trank, war coffeinfrei! Wie konnte er dann so gut schmecken, fragte ich mich? Das wäre den Goor aber gut gelungen, einen coffeinfreien Kaffee mit so einem Geschmack zu produzieren, das würde ihnen bei uns Menschen so schnell niemand nachmachen, sagte ich zu Marietta. Dann könnte sie ja so viel Kaffee trinken, wie sie wollte, fuhr ich fort und Marietta stimmte mir zu, sie müsste nur oft zur Toilette, aber das wäre ja kein Problem. Ich schlug Marietta dann vor, den Vorlesungsplan am nächsten Tag durchzugehen, wir müssten langsam darüber sprechen, ob wir für unseren Sohn alles hätten, was wir brauchten. Ich holte einen Stift und einen Block und überlegte zusammen mit Marietta, was wir alles haben mussten, ich schrieb die Dinge, die uns einfielen, auf.
Die Wiege bekämen wir von unseren Nachbarn, dann brauchten wir einen Wickeltisch, einen Heizstrahler, eine Tischauflage, Windeln, ein Babyphone, kleine Strampler, eine Spieluhr, einen Kinderwagen, eine Tischwippe, verschiedene Schnuller, Fläschchen (allerdings erst für später) und Greifspielzeug. Eine sehr interessante Frage war die, ob Klaus-Jarmo als Mensch oder als Goor geboren würde, das hieße, ob er in einem Körper auf die Welt käme, der jung bliebe oder so schnell alterte wie der eines Menschen. Marietta und ich überlegten hin und her und kamen dann zu dem Ergebnis, dass Klaus-Jarmo wohl als Goor-Mensch geboren würde, denn mit unserer Körperverwandlung hätten sich auch unsere Gene verwandelt und die hätten wir an ihn weitergegeben. Klaus-Jarmo hätte also demnach, genauso wie wir auch, eine Lebenserwartung von hundertundfünfzig Jahren.
Marietta und ich gingen in die erste Etage und schauten uns all die freien Zimmer an, das wäre geradezu eine Aufforderung an uns, so viele Kinder zu zeugen, bis alle Zimmer belegt wären, sagte ich scherzhaft. Dann müssten wir aber noch fünf Kinder in die Welt setzen, ob ich das denn wollte? Ich winkte ab. Wir standen in dem Raum neben unserm Schlafzimmer, es war ein heller Raum, in den das Sonnenlicht fiel und er lag neben dem Badezimmer. Wir beschlossen, diesen Raum zum Kinderzimmer zu machen. Wir wollten eine schöne Tapete an die Wand kleben und es müssten bunte Gardinen vor die Fenster, auch das Licht würde eine Rolle spielen, es dürften keine grellen Lampen verwendet werden.
Plötzlich verdichteten sich die zu erwartenden Ereignisse zu einem Wust von kaum überschaubaren Anforderungen an uns, wir versuchten aber, einen klaren Kopf zu behalten und ließen uns nicht durch den Druck lähmen, wir sortierten einfach die Dinge, an die wir denken mussten, schließlich wären mit Kindgeburten schon ganz andere fertig geworden als wir, eine Geburt wäre doch das Normalste von der Welt, dachte wir. Objektiv gesehen war sie das sicher auch, aber durch unsere subjektive Betroffenheit war uns der Blick verstellt, der Blick auf die Normalität der Ereignisse. Wir waren schnell geneigt, uns zuschütten zu lassen von Eindrücken, die wir hatten oder von scheinbaren Überforderungen, die aber gar keine waren, so ging das wohl allen, die ein Kind erwarteten. Für solche Fälle standen dann im Regelfall die eigenen Eltern mit Rat und Tat zur Seite, schließlich hatten sie den Erfahrungsvorsprung und konnten wertvolle Tipps geben.
Aber unsere Eltern standen uns nicht zur Seite, dafür gab es