Vulkanjäger. Катя Брандис. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Катя Брандис
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752918069
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Okay, ich hatte eine taktlose Frage gestellt, aber was mein Vater gesagt hatte, war nicht weniger dämlich. Pflanzen sind dazu da, gegessen zu werden, o Mann! Er war doch so viel herumgekommen … hatte er noch nie im Leben über eine Orchidee gestaunt, die auf einem Ast im Regenwald blühte? Oder einen gewaltigen, jahrhundertealten Baum bewundert?

      André schien nicht zu bemerken, dass ich mich unwohl fühlte, oder vielleicht interessierte es ihn auch nicht. Stattdessen lächelte er Aolani an und begann mit ihr abzusprechen, was er morgen filmen wollte. Moment mal, was genau würde er aufnehmen – eine Zeremonie, in der wir der Vulkangöttin opferten?

      „Ich habe eigentlich keine Lust, irgendwelche Götter zu beschenken“, mischte ich mich ein.

      Diesmal war es mein Vater, der lachte. „Du musst das auch nicht machen, da hast du nicht richtig zugehört. Aolani macht das schon, dafür braucht sie unsere Hilfe nicht.“

      „Gut“, sagte ich, legte mein Besteck hin und beschloss, mit dieser Frau nicht mehr als nötig zu reden. Es passte einfach nicht zwischen uns dreien. Ich hoffte, dass diese dämliche Opferzeremonie ein Fiasko werden würde und sie wirklich eine so schlechte Schauspielerin war, wie sie befürchtete.

      Zum Abschied küssten André und Aolani sich auf den Mund. War sie seine Freundin? Gut möglich. Seltsames Gefühl. Wenn er mit ihr Kinder bekam, waren das meine Halbgeschwister. Ich konnte nur hoffen, dass es nichts Ernstes war zwischen den beiden.

       Hi Jan,

       du hast Lava geknetet? Pazza idea – völlig verrückt! Wo ist das Beweisfoto?

       Mit meinem kleinen Bruder war ich heute angeln. Aber wir haben nicht mal eine winzige Sardine erwischt.

       Ich habe leider nicht von dir geträumt, sondern von meinem verstorbenen Opa. Meine Tante Assunta hat mir ganz genau erklärt, welche Lottozahlen es bedeutet, was er im Traum getan und gesagt hat. Für alle Fälle gebe ich mal einen Lottoschein ab.

       Ciao,

       Giulia

       PS: Du fehlst mir!

       Hi Giulia,

       du fehlst mir auch. Ich würde zu gerne sagen, dass ich bald wiederkomme und dir dann einen zwei Zentner schweren Thunfisch für die Pfanne mitbringe, aber ich glaube, das klappt nicht. Wieso konnten wir uns nicht einfach in Deutschland begegnen (wo ich in ein paar Wochen wieder bin)? In einem Laden mit Souvenirs aus Bayern womöglich?

       Ciao, Jan

       PS: Meint ihr das ernst mit den Lottozahlen?

      Am nächsten Morgen, noch vor Sonnenaufgang, holten wir Aolani mit dem Auto ab. Im Halbdunkel der Innenbeleuchtung sah ich, dass sie diesmal Sandalen, ein bodenlanges rotes Kleid und eine Hibiscusblüte im Haar trug. Der Lederrucksack über ihrer Schulter passte nicht ganz ins Bild, aber auch so sah sie leider fantastisch aus. Als sie mich anlächelte und mit ihrer melodischen Stimme „Hi“ sagte, hätte das neunundneunzig Prozent aller Jungs zerfließen lassen. Bei mir funktionierte es natürlich nicht, weil ich sowieso nur an Giulia denken konnte, und ich grunzte irgendetwas zurück. Mein Vater küsste Aolani zur Begrüßung, dann kehrten wir ins Reich des Kilauea zurück. Ohne Fred diesmal, er war im Hotel geblieben, um eins seiner Geräte zu reparieren.

      Für den Marsch bis zum Kraterrand zog sich Aolani Sneaker an, die sie aus ihrem Rucksack holte. Klaglos wanderte sie in ihren schicken Sachen durch die stille dunkle Landschaft und der Lichtkegel ihrer Taschenlampe strich über den Boden vor uns.

      Als wir am Rand des Kraters angekommen waren, sog ich beeindruckt die Luft ein. Es war zwar noch nicht richtig hell, aber man konnte schon erkennen, dass hier in der tellerflachen Ebene ein riesiges Loch klaffte. Ganz plötzlich, ohne Übergang, ging es steil nach unten. Der andere Rand des Kraters war bestimmt einen Kilometer entfernt.

      Mein Vater begann, seine Kamera aufzubauen. „So, jetzt bist du dran. Weißt du noch, wie es geht? Erst das Objektiv anschrauben, dann den Akku anflanschen ...“

      Ich folgte seinen Anweisungen und beobachtete aus den Augenwinkeln Aolani, die aus ihrem Rucksack eine Tüte mit Murmeln – oder waren das Beeren? – und eine Flasche zum Vorschein brachte. Verdutzt wandte ich mich um und versuchte, das Etikett zu erkennen. „Gin“, erklärte Aolani, als sie meinen Blick bemerkte. „Pele mag Gin. Und Ohelo-Beeren sind ihr heilig, man darf sie nicht essen, ohne ihr die ersten zu schenken.“

      Eine versoffene Göttin. Das wurde ja immer besser. Unwillkürlich musste ich grinsen. Leider sah es Aolani und mit unbewegtem Gesicht wandte sie sich ab. O je. Sofort tat es mir leid. So war ich doch sonst nicht.

      „Okay, konzentriert euch jetzt bitte“, mahnte mein Vater. „Gleich ist die High-Speed-Kamera warm und wir können drehen.“ Keinen Moment zu früh, schon ging die Sonne auf. Aolani schritt den Krater entlang, bis mein Vater „Stopp“ sagte. Dann hieß es: „Okay, Action, bitte!“

      Und Aolani verwandelte sich. Im Gegenlicht wurde sie zu einer leuchtenden Gestalt, die ihre Arme dem Himmel entgegenstreckte. Ihre hawaiianischen Beschwörungformeln klangen weich und geheimnisvoll und ihr Körper bewegte sich im Rhythmus einer unhörbaren Melodie. Fasziniert beobachtete ich sie. Kein einziges Mal sah sie zu uns herüber, wir waren nicht mehr wichtig, sie war allein mit ihrer Göttin.

      Feierlich warf Aolani eine Handvoll der roten Beeren in den Krater. Ich schaute so gebannt zu, dass ich zusammenzuckte, als die junge Hawaiianerin die Flasche Gin hinterherschleuderte.

      Der Communicator meines Vaters gab einen schrillen Sirenenton von sich. „Stopp!“, knurrte André in unsere Richtung, dann zog er das Gerät hervor. „Ja?“, sagte er ungeduldig – doch dann veränderte sich seine Stimme. „Wo? Seit wann? Danke, Jason, bin gleich vor Ort!“

      „Was ist?“, fragte ich aufgeregt, aber als ich sein leuchtendes Gesicht sah, ahnte ich schon, was los war.

      „Eine Lavafontäne. Etwa acht Kilometer von hier.“

      War das Zufall? Glück? Hatte Pele den Gin nicht vertragen oder war das ihr Dankeschön dafür?

      Hastig begann mein Vater, die Kamera abzubauen, und schnauzte mir Befehle zu. Ich half, so gut ich konnte, und lud mir das Stativ auf, als wir uns eilig auf den Rückweg machten.

      Mein Vater organisierte einen Hubschrauber und bestand darauf, dass der Pilot Gary – ein Typ mit schulterlangen Locken, der ohne Unterlass Kaugummi kaute – eine der Seitentüren aushängte. Kurz darauf flogen wir über die wüste schwarze Landschaft, auf etwas zu, das aussah, als wäre es nicht von dieser Welt. Der Fahrtwind brauste mir um die Ohren und ich verrenkte mir den Hals, um einen besseren Blick darauf zu bekommen. Dort vorne war ein langer Riss im Boden, dünnflüssige orangerote Lava sprühte vierzig, fünfzig Meter in die Höhe und stürzte wie in Zeitlupe auf den Boden zurück. Selbst über das Flappen des Helikopters konnte man den Lärm der Fontäne hören, sie röhrte wie ein Düsenjet. Es hätte auch ein verdammt guter Special Effect aus irgendeinem Film sein können, aber das war es nicht, das hier war echt! Der Wahnsinn! Es gab wahrscheinlich nur eine Handvoll von Menschen, die so etwas schon einmal gesehen hatten. Rasch schoss ich ein paar Fotos.

      „Großartig“, murmelte mein Vater. Er klinkte ein Seil mit Karabinerhaken an seinen Gürtel, hob sich die Kamera auf die Schulter und begann zu filmen. Ich fand es ziemlich gruselig, dass er sich dabei halb aus der Tür hängte, besonders als der Hubschrauber in die Kurve ging.

      „Nicht rausfallen, okay?“, sagte ich schwach, und mein Vater erwiderte gut gelaunt: „Keine Sorge“, ohne die Kamera abzusetzen. „Jetzt weiter nach links“, kommandierte er durch das Mikro an seinem Headset und der Heli zog zur Seite.

      Auch Aolani staunte aus der Glaskanzel die Feuerfontäne an und knipste sie mit ihrer kleinen Kamera. Dann schaute sie ganz plötzlich zu mir herüber und rief mir über den Krach zu: „Na, wie findest du es? Schön, was?“

      „Na ja, eher ein Springbrunnen