Das Frühstück am nächsten Morgen fand relativ zeitig statt, Lan und ich studierten die Karte, während wir unser Brot aßen und Tee tranken. Wir mussten an dem Tag an Wuzhong vorbei, einem Moloch von Stadt mit Millionen Einwohnern, in der es keine nennenswerte Sehenswürdigkeit gab. Vorher gab es bei Wudatei eine sehr große Schleusenanlage, die uns sicher eine Zeit lang aufhalten würde. Wir fuhren um 9.30 h los und kamen schon um 13.00 h an die Schleuse, den Fluss säumten schwarze Industrieanlagen mit rauchenden Schloten, wir unterquerten noch zwei große Brücken, bevor der Fluss an Breite zunahm, träge dahin floss und viele Seitenarme bildete. Nach vier Stunden kamen wir an die Jingzang-Expy-Brücke, wir fuhren noch eine Stunde und machten dann bei Nanfang an einem Anleger fest, der zu einem Restaurant gehörte.
Wir wollten an dem Abend ja essen gehen, so kam uns der Anlegepunkt sehr gelegen, wir konnten draußen sitzen und unser Boot im Auge behalten. Das Restaurant war aber noch geschlossen und würde erst in der folgenden Stunde öffnen. So setzten wir uns an Deck und tranken Bier, erzählten viel und genossen den warmen Wind, der aus der Gobi-Wüste zu uns wehte. Wir liefen nach einer Stunde zur Restaurantterrasse, die direkt am Flussufer lag und auf Holzstelzen gebaut war, weil der Boden schlammig war und für ein Fundament nicht genügend Halt bot. Nach und nach füllte sich die Terrasse, offensichtlich kamen Touristen dorthin, die die gute Restaurantküche schätzten, was für uns ein gutes Zeichen war. Wir ließen uns die Karte bringen und bestellten Bier, dann begann Lan, die Speisekarte ins Englische zu übersetzen, ein großer Vorteil für mich, so brauchte ich dem Kellner nicht in die Küche zu folgen. Lan fragte die Mädchen, was sie essen wollten, sie sagten, sie wollten Rindfleisch süß-sauer mit Reis und Chop Suey, einem Gemüsemix, der in China sehr verbreitet war und zu Rind- und Schweinefleisch gereicht wurde. Lan und ich schlossen uns an, Chop Suey war eigentlich kein original chinesisches Gericht, sondern es wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts wahrscheinlich von Exilchinesen in San Francisco erfunden. Ab und zu schweifte unser Blick zum Boot, es lag völlig unberührt da und wir brauchten uns im Grunde keine Sorgen zu machen. Es war gut, dass wir an dem Abend essen gegangen waren, keiner hatte Lust, wieder an Bord zu essen, denn dort ging es ja doch mit vermindertem Komfort zu, es war eben sehr schön, ab und zu einmal bedient zu werden.
Viele kamen aus dem nahegelegenen Yinchuan ins Restaurant gefahren, das konnte Lan an deren Dialekt erkennen, wir hatten es also gut angetroffen.
Und dann kam unser Essen, Berge von Fleisch, Reis und Gemüse, das man mit Sojasauce und „Sambal Oleg“ würzte, wobei man mit „Smbal Oleg“ vorsichtig umgehen musste, es war das schärfste Gewürz, das ich jemals gegessen hatte. Das Essen schmeckte ausgezeichnet und unsere Stimmung war ausgelassen und vergnügt, wir bestellten noch eine Runde Bier. Nach zwei Stunden liefen wir wieder zum Boot, wo wir es uns beim Schein der Petroleumlampe gemütlich machten. Wir unterhielten uns über die Hauptstadt der autonomen Provinz Ningxia Hui Yinchuan, die wir unbedingt besuchen und besichtigen wollten. Wir beschlossen, unser Boot am nächsten Morgen am Restaurant liegen zu lassen und den Bus von Nanfang nach Yinchuan zu nehmen. Wir baten den Restaurantbesitzer, gelegentlich nach unserem Boot zu schauen und gaben ihm einen kleinen Betrag dafür. Wir gingen an dem Abend relativ früh zu Bett, ich lag mit Lo auf meiner Koje, wir küssten uns und schmiegten uns aneinander, wir schliefen zusammen, woraufhin mich ein unbeschreibliches Gefühl befiel und ich glaubte, dass auch Lo etwas empfand, das sie so schnell nicht wieder vergessen würde. Wir würden am nächsten Tag nicht weit fahren, wenn wir überhaupt führen, unser Aufenthalt in Yinchuan würde sicher seine Zeit dauern.
Wir frühstückten ausgiebig und brachten auf dem Boot alles in Sicherheit, wir verriegelten die Türen nach unten und liefen dann zur Bushaltestelle in Nanfang. Es waren ungefähr zwanzig Kilometer bis Yinchuan zu fahren, die Strecke mit dem Boot zu fahren, hätte nicht gelohnt, zumal wir dann vom Fluss aus circa sechs Kilometer bis zur Stadt hätten laufen müssen, und wer wusste schon, wie der Anlegeplatz gewesen wäre? Wir stiegen also in den Bus, der über die Nationalstraße 109 in Yinchuan hineinfuhr und uns am Hauptbahnhof absetzte. Wir setzten uns zunächst einmal in die Teestube und überlegten, wie wir uns die Stadt ansehen sollten. Wir entschieden, im Bahnhof zum Tourist Office zu gehen und uns beraten zu lassen. Das Bahnhofsgebäude war ultramodern und mit seiner futuristischen Architektur zum Wahrzeichen der Universitätsstadt geworden. Beim Tourist Office stellte man uns vor die Wahl, entweder an einer geführten Stadtrundfahrt teilzunehmen oder im Bahnhof Fahrräder zu leihen und selbst die Stadt zu erkunden. Wir beschlossen auf Anhieb, die Fahrräder zu nehmen, damit wir nach so langer Radabstinenz einmal wieder etwas für die Beinmuskulatur taten. Man gab uns Tipps, welche Punkte in der Stadt zu besichtigen wären und versorgte uns mit Stadtplan und Prospektmaterial. Yinchuan hatte 1.17 Mio. Einwohner und lag auf 1100 m Höhe. Das Klima war sehr angenehm warm und trocken.
Die Menschen hatten es seit langem verstanden, der Wüste durch aufwändige Bewässserungsprojekte Land abzugewinnen. Die Stadt war rein landwirtschaftlich geprägt, es gab kaum nennenswerte Industrie, der Huang He durchfloss das Stadtgebiet, wenn auch in einiger Entfernung vom Stadtzentrum, von Südwest nach Nordost. Im Westen ragten die Flanken des Helan-Berges auf das Stadtgebiet, dahinter lag die innermongolische Wüste, im Osten lag der Fluss, dahinter Ackerland und angrenzend die Ordos-Platte, um die der Huang He seinen großen Bogen beschrieb. Beim Blick auf den Plan fiel auf, dass die Stadt in zwei Zentren zerfiel, in ein westliches, in dem der Bahnhof lag und in ein östliches, in dem wir uns unter anderem den „Haiboata“-Tempel ansehen wollten. Wir setzten uns erst einmal auf unsere Räder und genossen es, uns den Wind um die Nase wehen zu lassen, es tat richtig gut, sich einmal wieder zu bewegen. Wir hielten uns zunächst nach rechts, um zur „Yinbei“-Moschee zu gelangen, wir mussten einfach nur die Xingzhou Street entlang und kamen dann zur Moschee. Anschließend fuhren wir was das Zeug hielt nach Norden, bis wir an den Xitan-Lake kamen, das war ein zusammenhängendes Seengebiet mit hohem Freizeitwert, wir setzten uns in ein Ausflugslokal und bestellten Tee. Es war warm und wir fuhren in T-Shirts und nach einer Zeit des Ausruhens und Dösens fuhren wir in das andere Zentrum von Yinchuan an den Beita-Lake. Hier umrundeten wir den See einmal mit unseren Rädern, bevor wir nach Südosten abbogen und uns zum „Haiboata“-Tempel bewegten. Die buddhistische Tempelanlage war von beträchtlicher Größe und fast völlig mit Wüstensand bedeckt, wie man überhaupt den Eindruck hatte, permanent durch eine Wolke feinsten Sandes zu fahren. Wir stellten die Räder ab und liefen einmal um die Tempelanlage herum, sie machte einen verlassenen und verwahrlosten Eindruck. Wir schwangen uns wieder auf unsere Räder und machten uns nach Süden auf, um den „Chengtiansi“-Tempel zu besichtigen, der, wie auch der „Haiboata“-Tempel zu den „Eight Famous Sceneries“ in Ningxia gehörte. Wir sahen uns die Tempelanlage von außen an und bewunderten den guten Erhaltungszustand. Eigentlich gehörten zu den Sehenswürdigkeiten von Yinchuan auch die „Western Xia Tombs“, die aber vierzig Kilometer außerhalb lagen und damit mit den Rädern für uns unerreichbar waren. Wir machten noch einen kleinen Abstecher in den Zhongshan-Park, wo wir uns hinsetzen und etwas tranken. Es war inzwischen Nachmittag geworden und wir dachten daran, zum Bahnhof zu fahren und die Räder wieder abzugeben. Wir bewegten uns durch kleine Sträßchen, einfach