Vom Winde verweht. Margaret Mitchell. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Margaret Mitchell
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753197203
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über mit würzig duftenden Kiefernzweigen bedeckt, in den Ecken hatte man hübsche Lauben für die alten Damen entstehen lassen. Um die Fensterrahmen und die bunten Buden schlangen sich zierliche Laubgewinde, und inmitten des Grüns prangten überall auf Flaggen und Fahnentüchern die hellen Sterne der Konföderierten auf ihrem rotblauen Hintergrund. Besonders kunstvoll war das erhöhte Podium für die Musik geschmückt: alle Topfund Kübelpflanzen der Stadt waren hier zusammengetragen worden, Geranien, Hortensien, 0leander, Begonien und sogar Mrs. Elsings ängstlich gehütete Gummibäume, die als Ehrenposten an den vier Ecken aufgestellt waren.

      Am anderen Ende des Saales, dem Podium gegenüber, hingen große Bildnisse von Präsident Davis und Georgias eigenem »Little- Alec« Stephens, dem Vizepräsidenten der Konföderierten Staaten. Über ihnen prangte ein Riesenbanner, und darunter lag auf langen Tischen alles, was die Gärten nur hatten hergeben können, Farne, Haufen von roten, gelben und weißen Rosen, stolze Sträuße goldgelber Gladiolen, bunte Kapuzinerkresse, hohe steife Stockmalven, die ihre rotbraunen und rahmweißen Köpfe über die anderen Blumen erhoben. Dazwischen brannten helle Kerzen wie auf einem Altar. Die beiden Gesichter blickten von den Bildern auf das Schauspiel herab. Es waren zwei so verschiedene Gesichter, wie sie zwei Männer am Steuer eines so folgenschweren Unternehmens nur haben konnten: Davis mit den eingefallenen Wangen und kalten Augen eines Asketen, die schmalen, stolzen Lippen fest aufeinandergepreßt; Stephens mit tiefliegenden, dunkel glühenden Augen in einem Antlitz, das nur von Krankheit und Schmerz wußte, ihrer aber mit Humor und Feuer Herr geworden war - zwei Gesichter, die sehr geliebt wurden. Nun kamen die ältlichen Komiteedamen, in deren Händen die ganze Verantwortung für die Veranstaltung ruhte, wie mit vollen Segeln hereingerauscht und trieben die verspäteten jungen Frauen und kichernden Mädchen auf ihre Plätze in den Buden, dann wogten sie durch die Türen in die hinteren Räume, wo die Erfrischungen angerichtet wurden - Tante Pitty keuchend hinter ihnen her. Die Musikanten kletterten auf ihr Podium, eine schwarze grinsende Gesellschaft, die fetten Gesichter glänzten schon von Schweiß. Sie begannen ihre Geigen zu stimmen und strichen und lärmten mit ihren Bogen im Vorgefühl ihrer Wichtigkeit. Der alte Levi, Mrs. Merriwethers Kutscher, der seit der Zeit, da Atlanta noch Marthasville hieß, auf jedem Basar und auf jedem Ball das 0rchester dirigierte, klopfte geräuschvoll mit dem Bogen, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Aller Augen wendeten sich ihm zu. Dann fingen die Geigen, Bratschen, Akkordeons und Banjos unter Begleitung der Schlagzeuge an, »Lorena« zu spielen, vorerst noch zum Tanzen zu langsam. Der Tanz sollte erst später beginnen, wenn die Buden leergekauft waren. Scarlett schlug das Herz rascher, als die süße Schwermut des Walzers an ihr 0hr klang:

      »Langsamschwinden die Jahre, Lorena!

      Auf den Feldern liegt wieder der Schnee.

      Schon tief steht die Sonne amHimmel, Lorena ...!«

      Eins, zwei, drei; eins, zwei, drei; tiefe Verbeugung und drehen drei; eins, zwei, drei. Was für ein herrlicher Walzer! Sie breitete die Arme aus, schloß die Augen und wiegte sich in dem traurigen Rhythmus, der einen nicht wieder losließ. In der schwermütigen Melodie von Lorenas verlorener Liebe lag etwas, was sich mit ihrer eigenen Erregung verschmolz und ihr beklemmend in die Kehle stieg.

      Dann drangen, als hätte die Walzermusik sie hereingeholt, Klänge von der schattigen, mondbeschienenen Straße herauf: Pferdegetrappel und Wagenrollen, getragen von der warmen, lieblichen Luft, viel frohes Gelächter, Stimmen der Farbigen in ihrer eigentümlich weichen Schärfe, die sich um die Plätze zum Anbinden der Pferde stritten. Von der Treppe her hörte man die frischen Stimmen der Mädchen, die sich mit den Bässen ihrer Begleiter vermischten, muntere Ausrufe der Begrüßung und des freudigen Wiedererkennens. Plötzlich kam Leben in den Saal, die Mädchen erschienen in ihren schmetterlingsbunten Kleidern mit riesigen Reifröcken und Spitzenhöschen, die darunter hervorlugten; kleine, runde, nackte Schultern, zarteste Ansätze ferner, weicher Brüste unter Spitzenrüschen, leicht über den Arm geschlagene Schals, Fächer aus Schwanendaunen und Pfauenfedern, die an Samtbändern von zierlichen Handgelenken herabhingen. Mädchen mit schlicht über den 0hren zurückgestrichenen Haaren, die hinten zu so schweren Knoten geschlungen waren, daß die Köpfe sich in herrischer Gebärde zurückbogen, Mädchen mit blonden Locken um schlanke Nacken und schweren goldenen 0hrgehängen dazwischen. Geschmuggelte Seiden, Spitzen, Borten und Schleifen, alles um so stolzer getragen, als es den Yankees zum Hohn die Blockade durchbrochen hatte.

      Nicht alle Blumen der Stadt waren den beiden Führern der Konföderierten Staaten als Tribut dargebracht worden. Mit den allerfeinsten, allerduftigsten Blüten waren diese jungen Mädchen geschmückt. Teerosen staken hinter rosigen 0hren, Jasmin und Rosenknospen hingen in kleinen Girlanden über fallenden Seidenlocken. Blüten wurden sittsam in Atlasschärpen getragen und fanden, noch ehe die Nacht zu Ende ging, ihren Weg als kostbare Andenken in die Brusttaschen grauer Uniformen. In diesen Uniformen waren viele Männer erschienen, die Scarlett vom Lazarett, von der Straße oder vom Exerzierplatz her kannte. Es waren prächtige Waffenröcke mit blanken Knöpfen und funkelnden Goldtressen an Aufschlägen und Kragen; vorzüglich hoben sich von dem Grau der Hosen die roten, gelben und blauen Streifen der verschiedenen Waffengattungen ab. Die breiten Fransen der rot- goldenen 0ffiziersschärpen glitzerten im vielfachen Licht der Kerzen, schimmernde Degen klappten gegen Lackstiefel, Sporen rasselten und klirrten.

      »Was für gutaussehende Männer!« dachte .Scarlett in freudiger Erregung, als die Begrüßungen begannen. Trotz der schwarzen und braun en Vollbärte sahen sie alle so jung und unbekümmert aus, mit dem Arm in der Schlinge oder dem erschreckend weißen Kopfverband über dem sonnenverbrannten Gesicht. Einige kamen an Krücken - wie sorgsam paßten ihrem Humpeln die Mädchen den Schritt an! Eine Un iform beschämte durch ihre Farbenpracht den buntesten Putz der Damen und stach aus dem Schwärm wie ein tropischer Vogel hervor. Es war ein Zuave aus Louisiana mit blau und weiß gestreiften Pluderhosen, elfenbeinfarbenen Gamaschen und einem enganliegenden roten Jäckchen - ein dunkler, grinsender kleiner Affe von Mann mit dem Arm in einer schwarzen Seidenschlinge. Das war Maybelle Merriwethers bevorzugter Verehrer, Rene Picard. Das ganze Lazarett war offenbar hier, wenigstens jeder, der gehen konnte, alle Urlauber, alle vom Eisenbahnund Postdienst, von den Sanitäts und Requirierungskommandos zwischen hier und Macon. Wie mußten sich die Komiteedamen freuen! Das Lazarett mußte eine Unsumme von Geld dabei einnehmen.

      Von der Straße herauf erscholl Trommelwirbel. Ein Signalhorn ertönte, eine Baßstimme kommandierte: »Rührt euch!« Darauf erdröhnte die schmale Treppe unter den Tritten der Landwehr und des Landsturms, deren bunte Uniformen sich nun gleichfalls in den Saal ergossen. Hier gab es blutjunge Burschen, die sich gelobt hatten, nächstes Jahr um diese Zeit in Virginia zu sein, falls der Krieg so lange dauerte, und alte weißbärtige Männer, die sich wünschten, jünger zu sein, und doch stolz waren, Uniform zu tragen, stolz in dem Abglanz ihrer Söhne an der Front. Unter den Landsturmleuten aber erblickte man vereinzelt auch Männer in felddienstfähigem Alter, die nicht ganz so unbefangen einhergingen wie die Knaben und Greise. Schon begann es um sie her zu tuscheln und zu fragen, warum sie nicht bei General Lee an der Front seien.

      Wie sollten sie nur alle in diesem Saal Platz finden! Noch ein paar Minuten vorher hatte er so groß und leer ausgesehen, und nun war er gedrängt voll. Warme sommerliche Düfte erfüllten ihn: Eau de Cologne, Riechwasser, Pomade und brennende Wachskerzen, Blumenduft und schwacher Staub von dem Tritt so vieler Füße auf den alten verbrauchten Dielen. In dem Lärm und Durcheinander der Stimmen war fast nichts mehr zu verstehen, und als spürte der alte Levi die freudige Erregung des Augenblicks, brach er »Lorena« mitten im Takt ab, gab ein lautes Klopfzeichen mit dem Bogen, und das 0rchester spielte, als ginge es ums Leben, die »Schöne blaue Flagge«. Hunderte stimmten ein, sangen mit, jubelten das Lied wie einen einzigen Hochruf. Der Hornist des Landstu rms stieg auf die Plattform und fiel ein, gerade als der Refrain begann, und die hohen Silbertöne stiegen über den Massengesang hinaus, daß es allen durch Mark und Bein ging, auf nackten Armen die Gänsehaut ausbrach und die Erregung kalte Schauer das Rückgrat hinunterjagte:

      »Hurra, hurra! Für das Recht des Südens! Für die schöne blaue Flagge, hurra! Nur ein Stern ziert sie, hurra!«

      Dröhnend stimmten sie den zweiten Vers an. Scarlett hörte, während sie mitsang, wie hinter ihr Melanies hoher süßer Sopran ebenso klar und eindringlich wie der Silberklang