Der Krieg der Welten. H. G. Wells. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: H. G. Wells
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753196732
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die Tageszeitungen nahmen schließlich von diesen Störungen Kenntnis. Populäre Aufsätze über die Vulkane des Mars tauchten auf; erst hier und da, dann überall. Ich entsinne mich, wie die satirische Zeitschrift »Punch« in einer politischen Zeichnung glücklichen Gebrauch von ihnen machte. Aber unmerklich zogen die Geschosse, welche die Marsleute auf uns abgefeuert hatten, Richtung Erde und sausten jetzt mit einer Schnelligkeit von vielen Meilen durch den leeren Weltraum, Stunde um Stunde und Tag für Tag, näher und näher. Es scheint mir heute fast unglaublich seltsam, dass wir von dieser rasenden Gefahr bedroht unseren winzigen Geschäften nachgehen konnten, wie wir es damals taten. Ich erinnere mich noch, wie Markham jubelte, als er sich für die Illustrierte, die er in jenen Tagen herausgab, eine neue Fotographie des Planeten gesichert hatte. Menschen von heutzutage können sich kaum die Unternehmungslust vorstellen, die im Zeitungswesen des 19. Jahrhunderts herrschte. Was mich betraf, so war ich damals sehr damit beschäftigt, Radfahren zu lernen; überdies war ich für eine Anzahl von Zeitschriften tätig, in denen ich Untersuchungen über die wahrscheinliche Entwicklung moralischer Ideen bei fortschreitender Zivilisation veröffentlichte.

      Eines Nachts (das erste Geschoss kann damals kaum 10.000.000 Meilen entfernt gewesen sein) machte ich mit meiner Frau einen Spaziergang. Es war sternenhell, und ich erklärte ihr die Zeichen des Tierkreises; ich zeigte ihr den Mars, einen kleinen Lichtpunkt, der sich zum Zenit hin bewegte und auf den so viele Teleskope gerichtet waren.

      Die Nacht war warm. Auf unserem Heimweg zog eine Gruppe von Ausflüglern aus Chertsey oder Isleworth singend und musizierend an uns vorbei. Die Fenster in den oberen Stockwerken der Häuser wurden hell, als die Leute zu Bett gingen. Vom fernen Bahnhof kam das Geräusch rangierender Züge, ein Klirren und Poltern, von der Entfernung fast zur Melodie gesänftigt. Meine Frau machte mich auf den Glanz der roten, grünen und gelben Signallichter aufmerksam, die wie in einem Netzwerk gegen den Horizont hingen. So sicher erschien alles, so ruhig.

       Note 1

      eine englische Meile = 1,61 km, also 225.400.000 KM; der Übers.

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       Note 2

      56.350.000 KM, der Übers.

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      2. Der fallende Stern

      Dann kam die Nacht des ersten fallenden Sterns. Er war am frühen Morgen gesehen worden, wie er über Winchester hin nach Osten schoss, eine Flammenlinie hoch in der Atmosphäre. Hunderte müssen ihn gesehen und für eine gewöhnliche Sternschnuppe gehalten haben. Albin machte auf einen grünlichen Strich hinter ihm aufmerksam, der einige Sekunden lang geglüht habe. Denning, unsere größte Autorität für Meteoriten, stellte fest, dass die Höhe seiner ersten Erscheinung ungefähr 90 oder 100 Meilen betrug. Er glaubte, dass er ungefähr 100 Meilen östlich von ihm auf die Erde gefallen sei.

      Ich war zu dieser Stunde zu Hause und schrieb in meinem Arbeitszimmer. Und obwohl meine Flügelfenster gegen Ottershaw blickten und die Vorhänge aufgezogen waren (in jenen Tagen liebte ich es, den nächtlichen Himmel zu betrachten), sah ich jedoch nichts von alledem. Und doch muss dieses seltsamste aller Dinge, das je aus fremden Sphären auf die Erde fiel, gerade niedergegangen sein, während ich dort saß. Und hätte ich nur aufgeblickt, ich hätte es vorbeifliegen sehen können. Manche, die es sahen, behaupten, dass sein Flug von einem zischenden Geräusch begleitet war. Ich selbst bemerkte nichts. Viele Leute in Berkshire, Surrey und Middlesex müssen es fallen gesehen haben, und sie werden es allenfalls für einen Meteoriten gehalten haben. Niemand scheint sich in jener Nacht die Mühe genommen zu haben, nach der gefallenen Masse zu suchen.

      Sehr früh am Morgen des nächsten Tages jedoch erhob sich der arme Ogilvy, der die Sternschnuppe gesehen hatte. Er war überzeugt, dass irgendwo auf der Gemeindeweide zwischen Horsell, Ottershaw und Woking ein Meteorit liegen musste, und verließ mich in der Absicht, ihn zu suchen. Tatsächlich fand er ihn bald nach der Dämmerung nicht weit entfernt von den Sandgruben. Durch den Einschlag des Projektils hatte sich ein enormes Loch gebildet. Sand und Kieselsteine waren mit großer Wucht in alle Richtungen über die Heide geschleudert und hatten Haufen aufgetürmt, die anderthalb Meilen weit zu sehen waren. Östlich brannte das Heidekraut, und ein dünner blauer Rauch stieg in der Dämmerung auf.

      Er verweilte am Kraterrand, den der Körper sich gegraben hatte und starrte die seltsame Erscheinung an, vor allem verblüfft über die ungewöhnliche Form und Farbgebung. Leise kam ihm der Gedanke, dass diese Erscheinung vielleicht kein Zufall sei. Der frühe Morgen war wunderbar ruhig, und die Sonne, die gerade auf die Fichten vor Weybridge schien, war schon warm. Er erinnerte sich nicht, an jenem Morgen Vögel gehört zu haben. Kein Lüftchen regte sich. Der einzige Laut kam von den schwachen Bewegungen aus dem Inneren des glimmenden Zylinders. Er war ganz allein auf der Heide.

      Da plötzlich bemerkte er, unwillkürlich zurückschreckend, wie ein Stück der grauen, aschenartigen Kruste, die den Meteoriten bedeckte, sich von der kreisrunden Kante des Endes ablöste. Sie fiel in flockenweise ab und rieselte auf den Sand. Plötzlich sprang ein großes Stück ab und fiel mit einem so scharfen Klang zur Erde, dass ihm fast das Herz stockte.

      Eine Minute lang konnte er kaum erfassen, was das zu bedeuten hatte. Und obwohl die Hitze übermäßig groß war, kletterte er in den Krater hinab dicht an den Klumpen heran, um ihn näher zu betrachten. Selbst dann glaubte er noch, dass auch dies mit der Abkühlung des Körpers erklärbar sei. Aber mit dieser Annahme war es nicht zu vereinbaren, dass die Asche nur von dem Ende des Zylinders abfiel.

      Da bemerkte er, dass der kreisförmige Schlussteil des Zylinders sich sehr langsam um seine Achse drehte. Die Bewegung war so allmählich, dass er sie nur dadurch erkannte, weil ein schwarzer Strich, der noch vor fünf Minuten in seiner Nähe sichtbar war, jetzt auf der anderen Seite der Scheibe stand. Selbst jetzt verstand er kaum, was das zu bedeuten hatte, als er einen gedämpften, kratzenden Laut hörte und zugleich sah, wie der schwarze Strich sich um etwa einen Zoll voran bewegte. Da überkam es ihn wie ein Blitz. Der Zylinder war künstlich hohl mit einem Ende, das sich abschraubte! Etwas im Inneren des Zylinders schraubte den Schlussteil ab!

      »Großer Gott!« rief Ogilvy, »da innen ist ein Mensch da innen sind Menschen! Halb zu Tode geröstet! Die zu entkommen suchen!«

      Und auf einmal, mit einem raschen Gedankensprung, verband er die Erscheinung mit dem Lichtblitz auf dem Mars.

      Der Gedanke an das eingeschlossene Geschöpf war für ihn so schrecklich, dass er nicht an die Hitze dachte und an den Zylinder heranstürzte, um die Drehung zu beschleunigen. Zum Glück aber hielt ihn die langsame Ausstrahlung davon ab, sich an dem noch glühenden Metall die Hände zu verbrennen. Einen Augenblick lang stand er unschlüssig da, dann wandte er sich ab, stieg aus dem Krater heraus und lief Hals über Kopf nach Woking.

      Es mochte damals etwa gegen sechs Uhr gewesen sein. Er begegnete einem Fuhrmann und versuchte, ihm sein Erlebnis begreiflich zu machen. Aber was er berichtete, dazu sein Aufzug, das war alles so wüst seinen Hut hatte er in dem Krater verloren -, dass der Mann ihn ignorierte und einfach weiterfuhr. Genau denselben Misserfolg hatte er bei einem Wirt in der Nähe der Brücke über den Horsell, der eben die Tür seiner Schenke aufsperrte. Der Mann hielt ihn für einen entsprungenen