Spieltheoretisch betrachtet, dürfte zu erkennen sein, dass sich schon bei wenigen Faktoren (Spielkarten) eine nicht überschaubare Zahl von Ausgangsverteilungen ergeben. Beim Skatspiel sind das ca. 2,8 Billionen unterschiedliche (ohne Wiederholungen) mögliche Kartenverteilungen. Der Spielverlauf, abhängig vom eingegangenen Risiko, entscheidet über den Gewinn.
Mag sein, dass das Beispiel primitiv und angreifbar erscheint. Ich behaupte dennoch ableitend, die für die Evolutionsentwicklung einer Gesellschaft wirkenden Faktoren gehen gegen unendlich und kein Computer wird diese Entwicklung jemals vorausberechnen können.
Aber der Mensch möchte das. Er neigt deshalb immer zu einer von ihm konstruierten Ordnung.
„[…] und die bloße Erkenntnis, dass es eine andere Art von Ordnung gibt, erfordert etwas Nachdenken. […]. Wir können niemals durch bewußte Anordnung der einzelnen Moleküle einen Kristall aufbauen. Aber wir können die Voraussetzungen schaffen, unter denen sich der Kristall bilden wird.“1
Betrachten wir den Aktionismus in der gegenwärtigen Politik, dann dürfte klar werden, dass mit Zunahme des Regelwerkes ein Ordnungsrahmen entsteht, der unüberschaubar wird und der das System erstarren lässt. Es erstickt an übermächtiger Bürokratie, zunehmender Zentralisierung der Macht mit direkten Eingriffen in den Markt und durch Subventionen in alle Richtungen. Bedient werden damit immer nur Partikularinteressen. Ist das noch Ordnungsrahmen oder schon Zentralverwaltung? Die Akteure sehen das unterschiedlich. Die Tendenz der Beseitigung ordnungsliberaler Strukturen ist zunehmend. Es gibt Gedanken, man könne mit fortschreitender Erkenntnis alles wunschgemäß schaffen. Nicht wenige sagen, man könne den besten Weg für die gesellschaftliche Entwicklung berechnen. Dieser Versuch wäre dann das Diktat einer „neuen Ideologie“. Der Begriff dafür wird nicht lange auf sich warten lassen, „Ökosozialer Kapitalismus“ oder „Demokratischer Öko-Sozialismus“. Die Politik hat viel Phantasie.
Ob Energiewende, Dieselfeldzug oder Braunkohle, Euro und Finanzkrise, BER, Stuttgart, Ausschreibungen und Subventionen, Abgaben, Steuern, Zuschüsse, Pflege, Rente und diverse Versicherungen, Wohnungsbau, Bundeswehr, Bahn usw., die Regelwut befördert neue Regeln und die Regeln neue Lücken und die neuen Regeln immer mehr Bürokratie. Lösungsansätze durch Wettbewerb der Ideen sind gut, aber Bürokratie folgt starren Regeln und Bürokratie führt weg vom Wettbewerb zu Verstaatlichung, Planwirtschaft und Sozialismus.
Freie Meinungsäußerungen werden bereits wieder überkritisch beäugt. „Befreiung von der Erbringung der Arbeitsleistung bei Fortzahlung der Bezüge“, heute eine nicht unübliche Methode im öffentlichen Dienst, politisch gewollte Ergebnisse zu erreichen.
Es gibt ein grundlegendes Problem bei der Ausübung politischer Macht unter dem Mantel der Demokratie.
Das Volk hat durch Wahlen und teilweise auf der Straße deutlich gemacht, dass irgendetwas aus dem Ruder läuft, ohne erklären zu können, was genau das ist und wo die Ursachen zu suchen wären. Wahlergebnisse haben den Beginn einer Kurskorrektur zumindest schon angemahnt.
Das Chaos in der Umweltpolitik und die nicht endende Finanzkrise ist nur der Auftakt dessen, was da noch kommt. Der CDU-Parteitag, die Rede von Friedrich Merz, dürfte ein Signal gewesen sein, zu ahnen, wo das Problem liegt. Dennoch wird der Werbung für die Innovationskraft des Marktes mit Misstrauen begegnet. Wenn eine Abgeordnete ihre Wahl nur damit begründen kann, zwischen Frau und Mann gewählt zu haben und andere erschrocken antworten: „Interviews sollten doch hier im Saal nicht stattfinden“, wo ist dann die theoretische Tiefe in dieser Partei, die der Freiburger Schule verschrieben war, geblieben. Es ist eben einfacher, mit Kampfparolen zu punkten als mit dem Versuch, ordnungsliberale Marktwirtschaft noch oder wieder salonfähig zu erklären und damit Wohlstandsgewinn zu verbinden. Dennoch, die liberalen Flügel scheinen etwas gemerkt zu haben, endlich, und das lässt hoffen. Das Erwachen dauert und die Zeit, die vergeht, wird die Kosten der Korrektur enorm erhöhen.
Noch möchte man politisch mit behördlicher Unterstützung erzwingen, wie der Einzelne und die Gesellschaft zu ticken hat. Dabei wird eine vom Bild der Regierenden abweichende Meinung bekämpft. Da erfindet man den „Europagegner“. Das sind diejenigen, die den europäischen Zentralismus anmahnen. Und da ist ja noch die AfD, alles „Rechtspopulisten“. Der grüne und linke Populismus ist zwar auch ein „schwammiger“ Begriff, wird aber als positiver betrachtet, u.a. nachzulesen in einer der neueren Dissertationen der „Politikwissenschaft“.
Die Marktwirtschaft wird hier in Sachsen nicht abgelehnt, eher begrüßt. Wo liegt das Problem? Fragt man, erhält man Antworten, wie z. B. Marktwirtschaft ist das nicht mehr. Leistungsgesellschaft, wo? Arbeitsplätze, lukrativ nur im öffentlichen Dienst und nur über Beziehung, alles subjektiv, kein Markt und ansonsten überwiegend schlechte Bezahlung. Die Zuwanderung der nicht produktiven Konsumenten verschärft das noch. Man könnte die Palette der Antworten fortsetzen und die fällt brutal aus, geprägt von Wut über die Situation. Zufriedenheit wächst hier mit der Mobilität und der Arbeit anderswo. Aber auch in den alten Bundesländern sieht es nicht nach Glanz und Gloria aus.
Die Theorie, besser Demagogie von Marx und der sich darauf gegründete Versuch des „bürokratischen“ Sozialismus oder wie man ihn jetzt auch nennt, „Staatssozialismus“, ist gescheitert. Der sozialisierte „bürokratisch-marktwirtschaftliche“ Kapitalismus, den wir zu installieren begonnen haben, ist letztlich auch eine Art Sozialismus und wird wenn „weiter so“ unwirtschaftlich im Chaos enden. Das neue Schlagwort der links-grünen Sammelbewegung ist der „Demokratische Sozialismus“. Ob demokratisch oder national, bisher ist jede Form gescheitert, auch die mit dem grünen Attribut wird scheitern. Sozialismus ist Sozialismus. Die Grundlage ist immer eine aus Werturteilen konstruierte Gesellschaft. Das Scheitern ist sowohl theoretisch als auch praktisch bewiesen.
Ich beende das Vorwort mit einem Zitat einer für mich beeindruckenden Rede von Prof. Dr. Dr. Harald Kunz zu den Lehren aus dem Zusammenbruch des Ostens, in der er an Beispielen staatlicher Eingriffe u. a., durch Mangel an Einsicht und durch Misstrauen in die Evolutionskraft des Marktes, verdeutlichte, dass, je länger politische Machtausübung Partikularinteressen folgt, desto wahrscheinlicher es ist, dass dieser Weg ein Irrweg wird und die Korrektur Geld, viel Geld und auch Zeit, unter Umständen viel Zeit kostet.
Er warnte wie folgt:
„Lassen wir es nicht noch einmal so weit kommen. Setzen wir mit Wirtschafts- und Ordnungspolitik einen Schritt früher an, als dies üblicherweise für notwendig gehalten wird, nämlich bei den Entscheidungsträgern. Sie müssen in ein System von Handlungsbeschränkungen und Machtbegrenzungen eingebettet werden, die dazu führen, daß die Politiker in ihrem eigenen Interesse im Zweifel der allgemeinen Regel vor der konkreten Maßnahme den Vorzug geben, so daß ihre persönlichen Unzulänglichkeiten und Neigungen, aber auch ihre u.U. falschen Weltbilder, nicht allzu sehr zum Nachteil der Bevölkerung ausschlagen.[… ][und weiter mit den Worten von Franz Böhm (Freiburger Schule)]:
Für die Marktwirtschaft kann man arbeiten, von der Marktwirtschaft kann man leben, mit der Marktwirtschaft kann man Mangel überwinden und Produktivkräfte aktivieren … Aber man kann für die Marktwirtschaft nicht auf die Barrikaden steigen, wenn man sich nicht lächerlich machen will. Für sie ein gutes Wort einzulegen, gehört jedenfalls nicht gerade zum guten Ton in der geistigen Welt. [schließt er seinen Vortrag mit der Frage ab:]
Oder vielleicht doch, nachdem sich der Konstruktivismus, namentlich der sozialistische, durch seine praktischen Misserfolge so sichtlich abgenutzt hat?“2
Hat er das? Vom Ergebnis überrascht, werden die Akteure auch diesmal sagen:
„Das haben wir bewusst so nicht gewollt.“
Jede machtpolitisch erzwungene Intervention in das Marktgeschehen, auch die durch den Mantel der Demokratie gesicherte, führt zu Ergebnissen, die ungewollt schlechter sind als der Zustand davor. Und durch erneute, mit Korrekturen begründete