Szene 5
(Man hört HANK schon von draußen, noch bevor er überhaupt an die Tür klopft.)
HANK: (off) Ah, wie wär’s mit einer Melodie für Elodie? Nein? Gut, wir sehen uns beim Beachvolleyball. Und was ich da von dir sehen will – nein, nicht deinen knackigen Arsch. Ein knackiges Lächeln. Das hier ist ein Ort der guten Laune, und wenn ich’s euch einprügeln muss. (es klopft)
KATE: Herein.
HANK: (tritt auf) Was zieht die denn für ne Fresse?
KATE: Hat wohl was nicht verdaut.
HANK: Dabei war es noch nichtmal ihr Mann. Mein Beileid übrigens.
KATE: Danke, Hank.
HANK: (öffnet die Minibar) Hm. (schließt sie wieder)
KATE: Was führt dich hierher?
HANK: Soll ich ehrlich sein?
KATE: Bist du das sonst nicht?
HANK: Ich bin Animateur, ich sag den Leuten, was sie hören wollen. „Der Sport bekommt Ihnen, Mrs. Hammett.“ „Der neue Badeanzug steht Ihnen, Mrs. Chandler.“ „Seit man Ihr Gesicht geliftet hat, sehen Sie zehn Jahre jünger aus, Mrs. Christie.“ Lügen gehört zum Geschäft.
KATE: Schade.
HANK: Inwiefern?
KATE: Ich dachte eben noch, wie gut du in deinem Beruf bist.
HANK: Der Beste. (er versteht) Oh, du meintest das nicht als Kompliment.
KATE: Kann man nicht sagen.
HANK: Oh, sagen kann man alles, meine Liebe. Und wenn man es richtig macht, dann glauben es einem die Leute sogar,
KATE: Warum verkaufst du dann keine Gebrauchtwagen... oder führst irgendwo Friedensverhandlungen?
HANK: Zu wenig Knete, zu wenig Weiber.
KATE: Das glaub ich dir aufs Wort. Also was führt dich her?
HANK: Hatte ich dir schon gratuliert? Äh, konduliert?
KATE: Nur das letztere. Glaubst du, beides wäre angemessen?
HANK: Du weißt, dass ich deinen Mann kannte.
KATE: Ja.
HANK: Dann... lass ich das einfach mal offen. Bist du denn traurig? Du wirkst nicht traurig.
KATE: Ganz ehrlich, bei all der Hektik hatte ich noch keine Zeit für Trauer.
HANK: Meinst du, die kommt noch?
KATE: Wir haben viele Jahre miteinander verbracht.
HANK: Dann könnte es auch Freude sein. Und Befreiung.
KATE: Ich fang erstmal mit Trauer an und arbeite mich dann langsam da hin.
HANK: Das klingt vernünftig. (holt sein Handy raus) Es stört dich doch nicht.
KATE: Was?
HANK: (geht Richtung Bad) Ich wollte noch ein Abschiedsbild mit ihm machen. Du weißt, wie sehr er Photos geschätzt hat.
KATE: Ich weiß nicht...
HANK: Ich stell’s auch nicht online, wenn du das meinst. Jedenfalls nicht sofort. (geht ins Bad) Na, Alter, hast es dir ja ganz schön gemütlich gemacht. Oh. Hi! Sie müssen die Polizistin sein. Nett, Sie kennenzulernen. Es stört Sie doch nicht, oder? Nur ein kleines Selfie. Selfie mit Leiche. Das wär n guter Titel für nen Kriminalroman. (Klicken) Na, das sieht doch super aus. Ich darf ihn doch anfassen, oder? (Klicken) Super. Und jetzt mit Arm um die Schulter. (Klicken) Er macht das gut, oder? Ähm, wo Sie schonmal hier sind, Sie würden wohl nicht vielleicht... Ah, klasse. Und Cheeeeeese! (Klicken) Besten Dank. Wollen Sie auch mal? Soll ich Sie, mit ihm, für die Akten? Nein? Gut, wenn Sie Ihre Meinung ändern, sagen Sie bescheid. (tritt auf) So hab ich ihn noch nie erlebt.
KATE: So tot?
HANK: So ruhig. Das steht ihm gut, glaub mir. Wär er immer so gewesen...
KATE: Wäre er jetzt noch am Leben?
HANK: Schon möglich. Er sieht so merkwürdig aus.
KATE: Wie meinst du das?
HANK: Dem Anlass.... unangemessen gekleidet.
KATE: Du meinst, weil er in der Badewanne liegt und einen Schlafanzug an hat.
HANK: Ganz genau. Wirkt irgendwie unpassend.
KATE: Ich bin sicher, wäre er noch am Leben, es wäre ihm wirklich unangenehm.
HANK: Wahrscheinlich hätte er sich bei der Mördergewerkschaft beschwert. Also so ginge das nicht. Umbringen wäre ja eine Sache, aber auf eine so unschickliche Weise? Er hätt bestimmt n Rabatt rausgeschlagen.
KATE: Oder darauf bestanden, dass er nochmal umgebracht wird, aber diesmal anständig.
HANK: Ja, so war er. Bis auf das… Anständig! Schickes Kleid übrigens.
KATE: Ach ja?
HANK: Tut mir leid, Gewohnheit. Ja, du kannst anziehen, was du willst...
KATE: Es steht mir alles?
HANK: Nein, ich meine, du kannst anziehen, was du willst, du bist alt genug. (deutet Richtung Bad) Und du hast niemanden mehr, der dir da reinredet.
KATE: Du hattest wohl keine hohe Meinung von ihm.
HANK: Es gab nur eine Person, die eine wirklich hohe Meinung von ihm hatte.
KATE: Er selbst?!
HANK: Genau! Wirst du ihn vermissen?
KATE: Dafür müsste man ihn erstmal von hier entfernen.
HANK: Stimmt. (deutet Richtung Bad) Gehört die jetzt zur Standardeinrichtung?
KATE: Die Leiche? Oder die Polizistin?
HANK: Beides?
KATE: Ich hoffe nicht.
HANK: Tja, dann. (will zur Tür) Heute gibt es ein paar schöne Ausflüge.
KATE: Ich glaube, ich hab schon was anderes vor.
HANK: Beachvolleyball?
KATE: Trauern. Wenn man mich mal lässt.
HANK: Sei ehrlich, das willst du doch gar nicht. Schätzchen, dein Mann ist tot. Zeit, das Leben zu genießen. Wir sehen uns! (ab)
Szene 6
MISSES: (kommt aus dem Bad.) Hm.
KATE: Wie geht es meinem Mann?
MISSES: Wie geht es Ihrer Ehe.
KATE: Wie lange sind Sie schon verheiratet, Inspektor?
MISSES: 17 Jahre.
KATE: Gab es da nie Schwierigkeiten?
MISSES: Nicht während der Ehe.
KATE: Sondern?
MISSES: Vorher.
KATE: Wie das?
MISSES: Uns fehlte das Geld zum Heiraten.
KATE: Aber?
MISSES: Es... ergab sich eine Lösung. Seitdem sind wir glücklich verheiratet.
KATE: Meinen Glückwunsch.
MISSES: Danke.
KATE: Ich wünschte, meine Ehe wäre auch so verlaufen.
MISSES: Aber das ist sie offensichtlich nicht.
KATE: Kann man nicht sagen, nein. Sonst hätten Sie mehr Trauer von mir erlebt. Vielleicht sogar Tränen – und nicht welche der Freude.
MISSES: Sie wissen, wie Sie das wirken lässt?
KATE: Wie ein kaltherziges Miststück?!
MISSES: