Rapsblütenherz. Marie Wendland. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Wendland
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754137314
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      Marie Wendland

      Rapsblütenherz

      Roman

      Impressum

      Texte: © Copyright by Marie Wendland

      Umschlag: © Copyright by Marie Wendland

      Verlag: Marie Wendland

      c/o AutorenServices.de

      Birkenallee 24

      36037 Fulda

      [email protected]

      Druck: epubli - ein Service der neopubli GmbH, Berlin

      Über die Autorin

      Marie Wendland ist das Pseudonym einer Autorin aus dem schleswig-holsteinischen Lauenburg. Sie liebt das Wasser; die Elbe, an der ihre Heimatstadt liegt, genauso wie die nordischen Meere, sodass es sie so häufig wie möglich an die Nord- oder Ostsee zieht. Durch ihre Freude am Lesen ist sie zum Schreiben gekommen. Rapsblütenherz ist nach Bei Ebbe geht das Meer nach Hause ihr zweiter Roman.

      Der Lewat-Hof

Titel

      Prolog

      Für einen Moment flogen sie.

      Schwerelos. Losgelöst von Raum und Zeit. Endloses Blau wölbte sich über Hamburg-Klein Flottbek und ein Flugzeug zog mit gedämpftem Dröhnen Kondensstreifen in den klaren Frühlingshimmel, weiß und flauschig wie Zuckerwatte. Aber sie hörte nichts. In diesem Moment existierte nichts außer ihr und ihrem Pferd.

      Dann setzte die Stute wieder auf dem satten Grün auf und preschte im eleganten Galopp weiter. Sie spürte die unbändige Kraft des Pferdes, das immer schneller nach vorne drängte. Der Turnierplatz gehörte nur ihr, alle Augen waren auf sie gerichtet. Kaum merklich bewegte sie die Zügel, aber die Stute reagierte sofort. Reiterin und Pferd waren eine Einheit. In der strahlenden Sonne glänzten rot und weiß die Stangen des nächsten Hindernisses, darunter glitzerte der Wassergraben. Ein leichter Schenkeldruck genügte, damit sie schneller wurden, schneller und immer schneller. Dann lösten sich die Hufe vom Gras und wieder flogen sie. Die Zeit schien erneut stehen zu bleiben und die Reiterin nahm jetzt ganz deutlich die Zuschauer wahr, Hunderte. Sie sah bunte Sonnenschirme und blitzende Kameras. Trotz der Anspannung lächelte sie: Ein perfekter Tag!

      Als das Pferd wieder landete, spritzten kleine Erdbrocken auf. Der Wassergraben aber lag wie ein ebenmäßiger Spiegel unter ihnen. Sie wusste, dass sie es geschafft hatten, noch bevor das Publikum in Applaus ausbrach. Aber sie fixierte schon konzentriert das nächste Hindernis. Noch dreimal fliegen, dann waren sie am Ziel. Die Zuschauer jubelten, als Musik aus den großen Lautsprechern drang. Der Lohn für eine fehlerfreie Runde. Der Pferdekopf mit den gespitzten Ohren schien unter ihr fröhlich im Takt zu wippen. Der Blick der Reiterin ging zur Uhr und ihr Lächeln vertiefte sich. Sie klopfte ihrer Stute liebevoll den Hals. Unter dem warmen, glänzenden Fell spürte sie die Energie pulsieren, die sie bis hierher getragen hatte. Niemand würde sie heute mehr einholen.

      Während sie im leichten Galopp den Springplatz verließ, schien sie vor ihrem inneren Auge bereits ihr nächstes Ziel zu sehen.

      Kapitel 1

      Glück

      So fühlt sich Glück an.

      Der Moment, in dem du weißt, dass du gewonnen hast. Dass sich die harte Arbeit gelohnt hat.

      Johanna blickte von ihrem Notizbuch auf, das an der Brüstung des Springplatzes lehnte, und schaute der Reiterin nach, die gerade unter dem Jubel der Menge das Gelände verließ. Das Hamburger Springderby zu gewinnen, wahrscheinlich eines der glamourösesten Turniere des Reitsports überhaupt, musste einfach ein überwältigendes Gefühl sein. Für einen Augenblick hatte Johanna sich vorgestellt, sie wäre es gewesen, die dort über den Rasen flog, aber auch wenn sie zu Schulzeiten Reitunterricht genommen und sich gut geschlagen hatte, war sie keine Spitzenreiterin. Trotzdem kannte sie dieses berauschende Gefühl des Erfolgs, dieses Glück. Sie las noch einmal die Zeilen, die sie gerade geschrieben hatte und nickte. Wenn Erfolg so glücklich machte, dass man fast süchtig davon wurde, dann war Glück planbar. Ein tröstlicher Gedanke. Man musste nur hart genug dafür arbeiten. Und das tat Johanna. Jeden Tag, seit der ersten Klasse.

      Sie dachte kurz an das kleine Mädchen mit den Zöpfen und der großen lilafarbenen Schultüte, das vor über zwanzig Jahren eingeschult worden war. Dass sie damals einen schlabberigen Pullover mit einem Katzenkopf aus Pailletten darauf und einen Tüllrock angehabt hatte, wusste sie nur noch von Fotos. Und auch sonst hatte sie an dieses Kind, dessen Willen so stark gewesen war, dass es durchgesetzt hatte, am ersten Schultag in so einem Aufzug zu erscheinen, kaum noch Erinnerungen. War das wirklich sie gewesen?

      Ein Raunen ging durchs Publikum und Johanna richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Turnierplatz, auf dem der nächste Reiter sein Glück versuchte, aber bereits zwei Hindernisse gerissen hatte. Wahrscheinlich war er nicht gut genug vorbereitet, hatte eben nicht hart genug gearbeitet. Johanna dehnte ihren verspannten Nacken und hielt dabei ihre zierliche Nase in die Sonne. Zum Glück musste sie heute ausnahmsweise nicht arbeiten! Da Sonntag war, mochte das nicht weiter verwundern, aber für Johanna gab es immer genug zu tun. Dabei dachte sie nicht nur an das Putzen, Waschen und Bügeln, für das ihre Mitbewohnerin einfach kein Händchen hatte (nicht dass diese nicht bereit gewesen wäre, ihren Teil beizutragen, aber Johanna legte Wert darauf, dass sie ihre Blusen mehrfach tragen konnte und nicht nach einem Waschgang an ein Kleinkind vererben musste). Nein, auch neben diesem bisschen Haushalt versuchte sie stets, ihre Zeit sinnvoll zu verbringen: Einige Vorbereitungen für die kommende Arbeitswoche (oder Nacharbeiten, wenn sie ihr Pensum nicht geschafft hatte), ausgewählte Lektüre, damit sie immer auf dem Laufenden blieb, und dreimal pro Woche vierzig Minuten Joggen (was sie besonders hasste, da es absolut nichts brachte).

      Aber heute, an diesem gestohlenen Tag, arbeitete Johanna dank sorgfältiger Planung nicht und hatte fast kein schlechtes Gewissen dabei. Es war ihr persönlicher Glückstag, der jedes Jahr nur ihr gehörte. Sie fieberte schon seit Monaten diesem einen Sonntag im Mai entgegen, an dem sie in die gleichermaßen entspannte und energiegeladene Atmosphäre des Derbyparks eintauchen konnte. Beim Zusehen konnte sie vom Triumph träumen, ohne den Schmerz einer Niederlage ertragen zu müssen. Wie aufs Stichwort hörte sie ein Krachen und sah, wie die Stangen eines breiten Oxers unter dem Gewicht des Pferdes brachen, das gerade mitten in das Hindernis stürzte. Der Braune schnaubte nervös, der behäbige, rotgesichtige Reiter fluchte. Er würde heute nicht zu den Erfolgreichen gehören. Selber Schuld.

      Johanna wandte sich ab. Sie war sich sicher, den besten Ritt dieser Springprüfung bereits gesehen zu haben. Zeit, etwas zu essen. Sie schlug ihr Notizbuch zu und strich über den neonpinken Einband. Moritz konnte es nicht leiden, wenn sie es bei ihm herausholte und die Farbe seine Wohnung verschandelte, wie er sich ausdrückte. Wahrscheinlich zog er sie vor allem deswegen regelmäßig mit ihrer Vorliebe fürs Tagebuchschreiben auf, aber meistens war ihr das egal, was vielleicht der Beweis dafür war, dass sie doch aus dem Tüllrock-Mädchen hervorgegangen war. Und überhaupt schrieb sie gar kein Tagebuch. Es waren mehr einzelne Einfälle, lose Gedanken, die zwischen To-Do-Listen, Einkaufszetteln und Telefonnummern ein hübsches Notizbuch nach dem anderen füllten. An den unteren Rand des Einbands hatte sie ihren Namen gequetscht: Johanna Herzog. Dass sie diesen nicht besonders mochte, war kaum zu übersehen. Sie wusste, dass ihre Eltern sich größte Mühe bei der Auswahl ihres Vornamens (für den Nachnamen konnten sie ja schließlich nichts) gegeben hatten. Es sollte ein Name sein, der für Intelligenz stand und gute Karrierechancen versprach. Johanna wusste zwar nicht, ob sie als Chantal zufriedener geworden wäre, aber jedes Mal, wenn sie ihren Namen las, klang er für sie nach eingebildeter Ziege. Dass sie in der elften Klasse Brechts „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ gelesen hatten, das zwar niemand kapiert, ihr aber trotzdem jede Menge blöde Sprüche eingebracht hatte, trug naturgemäß wenig zur Verbesserung der Lage bei. Ihre Freunde nannten sie Hanna, das war erträglich, auch wenn sie fand, dass sie eigentlich keine Hanna war. Moritz sagte