Fürstin des Lichts. Daniela Zörner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Daniela Zörner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750229327
Скачать книгу
mit sichtlichem Stolz verkündete, rang ich mir ein „sehr schön“ ab. Heftig fieberte ich nun dem Inneren entgegen.

      Die Eingangshalle war beinahe rund, durchbrochen von einer Freitreppe.

      „Früher logierten hier die Gäste unserer Familie.“

      Zuerst ließ er mich das Gäste-WC besichtigen, dann die traumhaft geräumige Küche. Der Clou war ein nachträglich daran angebauter Wintergarten.

      „Mit Fußbodenheizung, wie übrigens im ganzen Haus.“

      Im Wohnzimmer, „selbstverständlich mit Kamin“, reichten die Fenster auf der Terrassenseite fast von der Decke bis zum Boden. Ein heller, riesiger Raum mit üppig hohen Stuckdecken. Es würde einige Mühe kosten, dem eine gemütliche Atmosphäre zu geben. „Ganz alleine hier leben?“, ging es mir durch den Kopf, „auf über zweihundertvierzig Quadratmetern?“ Konnte das gutgehen? Ergab das Sinn?

      Danach stiegen wir ins Obergeschoss. Rechts führte die erste Tür ab.

      „Dahinter befindet sich jetzt eine kleine Gästewohnung, sie liegt über den ehemaligen Ställen“, beschied er mich mit der Stimme eines Zahnarztes, der mit seinem Bohrer vor einem zugekniffenen Mund herumfuchtelt.

      Der Mann bereitete mir wachsendes Unbehagen. „Konzentriere dich auf das Haus“, zwang ich meine Aufmerksamkeit in eine andere Richtung.

      Urgemütlich mit ihren Schrägen und Erkern, bestand die Gästewohnung aus einem langen Wohnraum und dem dahinter liegenden Bad.

      Zurück auf dem Flur, folgte die Besichtigung weiterer Zimmer mit Bad. Währenddessen textete er mich mit Details aus der Sanierung des Gartenhauses zu, die mich nicht die Bohne interessierten. Er brüstete sich, als wären die Arbeiten von ihm eigenhändig ausgeführt worden. „Wer’s glaubt“, dachte ich und gab trotzdem, fleißig lächelnd, Laute scheinbarer Bewunderung von mir.

      Das Sahnehäubchen, sofern es dessen überhaupt noch bedurfte, verbarg eine Wendeltreppe. Flink ergatterte ich den Vortritt, erklomm vorsichtig das Rondell und schritt wenige Sekunden später in einen achteckigen Raum.

      „Dort befand sich das Observatorium meines Urgroßvaters“, tönte er von der Treppe.

      Wände und Kuppel bestanden komplett aus Glas. „Nachts muss es herrlich sein, hier einfach auf dem Boden zu liegen und in die Sterne zu schauen.“ Schon als Kind konnte ich mich in der Betrachtung des Sternenhimmels verlieren, seine Unendlichkeit schreckte mich nie.

      „Hrmmrmmh.“ Dem Räuspern folgte seine drängelnde Ansage: „Sie sollten noch den Keller, die Garagen und die Außenanlage begutachten.“

      Während wir gemeinsam das Haus umrundeten, fiel mir eine dezente Hecke auf. Unverblümt fragte ich danach.

      „Sie markiert die Grenze Ihres Grundstücks, auf dem Sie selbstverständlich tun und lassen können, was Sie möchten.“

      „Meines Grundstücks? Na bitte!“ Selbstbewusst verkündete ich: „Ich kaufe das Gartenhaus.“

      Er streckte mir seine Hand entgegen, ich schlug ein.

      „Unsere Anwälte regeln dann die Formalitäten.“

      „Sag ihm jetzt bloß nicht, dass du gar keinen Anwalt hast.“ „Einverstanden“, gab ich zurück.

      Zu der ungestümen Freude über das Haus gesellte sich große Erleichterung, endlich aus dem Dunstkreis des Ekeltypen zu gelangen.

      Obwohl erschöpft von meiner Besichtigungstour zuhause angekommen, gönnte ich mir beim mittäglichen Frühstück keine Denkpause. Viel größere Sorge als die Abwicklung des Kaufs bereitete der neue Nachbar in spe. „So ein eiskalter, bornierter Widerling“, schüttelte es mich.

      „Darüber mach dir bitte keine Gedanken, das Problem wird in naher Zukunft verschwinden“, brausten sie.

      Ausdrücklich wollte ich keinesfalls wissen, wie und warum. „Das Haus ist so groß, nachts werde ich mich dort bestimmt fürchten“, gab ich kleinlaut zu bedenken.

      „Was hast du in dem Haus gefühlt?“

      Verblüfft ging ich der seltsamen Frage nach. „Der Mann, irgendwie fühlte sich seine Nähe falsch an, dunkel, jede Empfindung in dem Gebäude überschattend.“ Dann dachte ich an das Observatorium. „Ja, ein wunderschöner Moment reinen Glücks!“

      „Du wirst in dem Haus glücklich sein, das versprechen wir dir.“

      Nicht jedes zukünftige Ereignis steht in den Sternen, wie ich später auf die harte Tour lernen musste.

      Ausgeschlafen startete ich in den Dienstag. Langsam wurde mir klar, was mit dem Haus alles auf mich zukam. Umzüge empfand ich, wie wohl viele Menschen, grundsätzlich als Albtraum. Diesmal musste obendrein ein riesiges Haus mitsamt Küche eingerichtet werden. Das klang nach einem Fulltimejob. „Echt ein Segen, keinen Job mehr zu haben.“ Bei diesem Gedanken fiel mir zum ersten Mal auf, dass niemand vorbeikam, anrief oder Emails schickte, niemand mich vermisste. Warum war mir das entgangen? Haltlose Leere kaperte mein Herz, noch bevor mein Verstand harten Gesangsunterricht verpasst bekam.

      „Lilia, die Menschen, die du kanntest, gehören der Vergangenheit an.“

      Mein Magen begriff schneller als mein Verstand, beförderte den Tee knapp, aber wenigstens in die Spüle. Heftiger Schwindel ließ mich den Beckenrand umklammern. Mit Gummiknien schleppte ich mich schwer atmend zum Küchenstuhl hinüber. „Aber meine Freunde… Ihr könnt doch nicht einfach mein Leben zerstören!“

      „Du wirst neue Freunde finden“, flötete ihr Chor.

      Das traf mich steinhart. Wenn auch wenige an der Zahl, hing ich unendlich an ihnen. Tränen schwammen in meinen Augen und ich versuchte, gegen meinen rebellischen Magen anzuschlucken. Tief greifender Abschiedsschmerz, mindestens wie bei einer Beerdigung, presste mein Herz zusammen.

      Die Sternelben versuchten singend Trost zu spenden.

      Sämtliche Brücken in die Vergangenheit kippten wie Dominosteine. „Bin ich wirklich bereit, alles und vor allem mich selbst aufzugeben?“

      „Du gibst dich nicht auf, du bist auf dem Weg zu dir selbst.“

      „Mein Selbst entwickelt sich zu einer absolut Fremden“, erwiderte ich tonlos.

      Wie hoch würde der Preis dieser mysteriös-verrückten Geschichte steigen? Unruhig tigerte ich durch die Wohnung, mochte mich für keinen nächsten Schritt entscheiden. Echt paradox, dass mich das beiderseits herrschende Schweigen nervös machte. „Am besten raus hier und einen ersten Streifzug durch Möbelhäuser unternehmen.“

      Echter Widerstand ging anders.

      Im Möbelhaus kam ich nie an. In beunruhigend verworrene Gedanken versunken, fand ich mich vor Santa Christiana wieder. Dummerweise war die Tür diesmal verschlossen.

      „Hallo, möchten Sie in die Kirche?“ Von dem Pfarrhaus kam ein Priester herüber und sah mich neugierig an.

      „Ja, das wäre schön. Ich dachte, sie sei immer offen“, antwortete ich und blickte ebenso neugierig zurück.

      Der Priester musste etliche Jahre jünger als ich sein. „Nein stopp, jetzt natürlich etwa fünfzehn Jahre älter.“ Sein freundliches, offenes Gesicht, mit den Lachfältchen um seine Augen, flößte mir ansatzweise Vertrauen ein.

      „Ich bin Lilia.“

      Er ergriff die ausgestreckte Hand. „Pater Raimund. Kommen Sie, ich schließe auf. Schätze dürfen Sie in unserer bescheidenen Kirche allerdings kaum erwarten.“

      Ehrlich währt am Längsten. „Nein, ich weiß, mir geht es um die Stille.“

      In der Kirche empfing uns bittere Kälte. War mir das