Was nun?
Sie hatte in den letzten Tagen viele Anzeigen geschaltet, doch wie lange würde es dauern, bis sich der erste Kunde meldete? Vielleicht musste sie mehr tun, Firmen und Anwälte ansprechen und ihre Dienste anbieten?
Das Klingeln des Telefons durchfuhr sie wie ein freudiger Stromschlag.
„Detektei Peters, Laura Peters am Apparat.“
„Guten Morgen, können Sie mir Informationen zu einer bestimmten Person beschaffen? Und was kostet das?“ Die Frauenstimme am anderen Ende klang atemlos und gehetzt.
„Darf ich zuerst Ihren Namen erfahren?“
„Mein Name ist Jennifer Koscewskij. Ich möchte gerne mit dem Chef sprechen.“
„Am Apparat. Frau Koscewskij, was kann ich für Sie tun?“
„Hm, für eine Frau ist das vielleicht nicht der richtige Job ...“
„Frau Koscewskij“, unterbrach Laura hastig, diesen ersten Auftrag wollte sie sich auf keinen Fall entgehen lassen, „Frauen haben durchaus Vorteile bei der Ermittlungsarbeit. Wir wirken viel harmloser als unsere männlichen Kollegen. Und sollte es hart auf hart kommen, werden meine Mitarbeiter mit jeder Situation souverän fertig.“ Jetzt improvisierte sie ungeniert über die tatsächlichen Gegebenheiten hinaus. „Sagen Sie mir doch, worum es geht.“
Ihre Gesprächspartnerin zögerte einen Moment.
„Es geht um meinen Ex-Mann. Vor zwei Monaten hat er sich aus dem Staub gemacht, ist einfach untergetaucht. Für die Kinder und mich macht er keinen Cent locker, aber für seine Geliebte hat er Geld. Doch das könnte ihm so passen. Ich möchte wissen, wo er wohnt und für wen er arbeitet. Können Sie das für mich herausfinden?“
„Natürlich. Was halten Sie davon, wenn wir uns treffen? Sie können mir dann alle Einzelheiten erzählen.“
***
Jennifer Koscewskij klingelte überpünktlich. Kritisch schaute sie sich im Vorraum der Agentur um, dann musterte sie Laura vom Scheitel bis zur Sohle. Laura hatte währenddessen ebenfalls Gelegenheit, sich einen Eindruck zu verschaffen. Ihre Besucherin war einen halben Kopf kleiner als sie, um die dreißig, mit blondgesträhnten Haaren. Das Parfüm war aufdringlich, das Lächeln wirkte angestrengt und nervös. Laura bot ihr etwas zu trinken an, doch Jennifer Koscewskij lehnte ab. Sie hatte es eilig und wollte gleich zur Sache kommen. Drei Jahre war sie mit ihrem Ex glücklich verheiratet gewesen, der dreijährige Sohn war ein gemeinsames Kind, die zwölfjährige Tochter hatte sie mit in die Ehe gebracht. Doch dann hatte er sich plötzlich von ihnen getrennt, eine Begründung hatte er nicht gegeben.
„Das hört sich natürlich nicht schön an.“ Laura blickte von ihren Notizen auf und versuchte, mitfühlend auszusehen. „Was können wir jetzt für Sie tun?“
„Ich möchte diesen Arsch drankriegen und an die Wand klatschen! Bevor er uns verlassen hat, redete er ständig davon, dass er bald sehr reich sein würde. Richtig aufgeregt war er. Und jetzt behauptet er, er hätte kein Geld. Doch das glaube ich nicht. Sie müssen mir helfen. Finden Sie heraus, wer die Schlampe ist, mit der er rummacht. Wahrscheinlich überschüttet er sie mit teuren Geschenken und wir wissen nicht, wie wir über die Runden kommen sollen.“
„Sind Sie sicher, dass er eine andere Frau hat?“
„Allerdings. Letzten Samstag haben wir die beiden zufällig an der Rheinpromenade gesehen. Ein blutjunges Ding, keine zwanzig Jahre alt, kaum älter als meine Tochter. Er hatte den Arm um sie gelegt, dass er sich nicht schämt! Das lasse ich mir nicht bieten! Ich will wissen, womit er sein Geld verdient und wer seine Freundin ist. Übernehmen Sie das für mich?“
„Gern.“ Laura beugte sich geschäftig vor und legte ein frisch ausgedrucktes Auftragsformular auf den Tisch. „Auf eine Sache muss ich Sie allerdings hinweisen: Wir übernehmen keine Aufträge, die mit schweren Verbrechen im Zusammenhang stehen, also zum Beispiel mit Mord, Entführung oder Körperverletzung. Sollten Sie uns darüber im Vorfeld nicht aufgeklärt haben, haben wir das Recht, die Arbeit einzustellen und das Honorar zu behalten.“ Sie sah ihre Besucherin ernst an, um sicherzugehen, dass sie verstanden hatte.
Jennifer Koscewskij nickte ungeduldig, schnappte sich den Vertrag und unterschrieb ihn ungelesen. Dann kramte sie in ihrer Handtasche und warf ein Foto auf den Tisch.
„Damit Sie wissen, nach wem Sie suchen: Das ist er. Sein Name ist Józef Koscewskij. Sie können das Bild für den Auftrag behalten und danach wegwerfen. Ich habe keine Verwendung mehr dafür.“
Laura sah sich das Porträt an. Józef Koscewskij war ein bulliger Mann in mittleren Jahren mit schütterem Haar, der unbewegt in die Kamera blickte. Er hatte die Arme vor dem Körper verschränkt, an der Hand trug er einen klobigen Goldring. Keiner, der besonders sympathisch wirkte, aber auch keiner, der gefährlich aussah.
Die beiden Frauen vereinbarten, dass erste Ergebnisse bis Ende der Woche vorliegen sollten. Laura sah ihrer Besucherin aus dem Fenster hinterher, bis sie aus ihrem Blickfeld verschwunden war. Der erste Auftrag.
Wunderbar!
Schwungvoll setzte sie sich an den Schreibtisch und gab den Namen der Zielperson in den Computer ein. Ein Józef Koscewskij veröffentliche Kinderbücher, ein anderer verkaufte Gebrauchtwagen in Norddeutschland. Alles keine brauchbaren Ergebnisse. Sie überlegte, was sie als Nächstes tun sollte und entschied sich, zu Jennifer Koscewskijs Adresse zu fahren.
Es konnte nicht schaden, mehr über ihre Auftraggeberin zu erfahren.
***
Laura fuhr zügig durch das Villenviertel von Bad Godesberg, durchquerte das beschauliche Rüngsdorf und erreichte den Ortseingang von Mehlem. Wegen der direkten Rheinlage und des wunderschönen Blicks auf den Drachenfels gehörte der frühere Luftkurort lange zu den bevorzugten Wohngegenden Bonns. Doch seit die Botschaften nach Berlin gezogen waren, hatte sich das Erscheinungsbild des Ortes verändert, die Nähe der großen Moschee und der König-Fahd-Akademie war unübersehbar. Prachtbauten aus Gründerzeit und Jugendstil waren in schlechtem Zustand und verbreiteten eine morbide Stimmung.
Vernachlässigung, Verfall und Gleichgültigkeit schienen sich immer weiter auszubreiten.
Das Navi lotste Laura in ein Wohngebiet mit schmucklosen 70er-Jahre-Häusern, in dem Jennifer Koscewskij mit ihren Kindern wohnte. Laura hatte Glück und fand einen Parkplatz gleich am gegenüberliegenden Straßenrand, von dem aus sie die Wohnung der Familie gut im Blick hatte.
In der Nähe des Eingangs belagerten lärmende Jugendliche einen Mülltonnenverschlag. Bier trinkend und rauchend riefen sie den Passanten Unflätigkeiten hinterher und lachten grölend, wenn diese ihre Schritte beschleunigten. Das vertrocknete Rasenstück vor dem Mietshaus war übersät mit Zigarettenkippen und Scherben. Graffitis in schwarz verlaufener Farbe schrien aggressive Sex- und Fäkal-Botschaften von der Hauswand und die meisten Namensschilder waren aus dem großen Klingelbrett herausgebrochen worden.
Die Haustür öffnete sich und ein untersetzter Mann verließ das Gebäude.
Hätte Laura noch Zweifel bezüglich seiner Identität gehabt, so wurden sie zerstreut, als direkt hinter ihm seine Ex-Frau aus dem Haus trat. Wie eine Furie