Nun mußte ich gehen, aber da fiel es mir ein zu sagen: ›Soll die Hochzeit hier oder daheim bei dir gefeiert werden? – ›Sie soll hier auf dem Hof stattfinden. Hier ist mehr Platz.‹ – ›Nun mußt du dafür sorgen, daß sie die Hochzeit nicht zu lange hinausschieben,‹ sagte ich. – ›Sie soll in einem Monat sein,‹ sagte sie.
Aber als ich im Begriff war, von Brita fortzugehen, fiel mir ein, daß die Ingmars eine schlechte Ernte gehabt hatten, und ich sagte, offen gestanden, glaube ich nicht, daß sie die Hochzeit in diesem Jahr ausrichten würden. – ›Ja, dann muß ich ins Wasser gehen,‹ sagte Brita.
Einen Monat spater hörte ich, daß die Hochzeit hinausgeschoben sei, und ich fürchtete, daß es nicht gut gehen würde. Da ging ich denn nach Bergskog und sprach mit der Frau des Reichstagsabgeordneten. ›Da unten bei den Ingmars stellen sie es auch, glaube ich, ganz verkehrt an,‹ sagte ich. – ›Ja, wir müssen zufrieden damit sein, wie sie es auch anstellen,‹ sagten sie. ›Wir danken Gott jeden Tag, daß wir unsere Tochter so gut verheiratet haben.‹«
»Mutter braucht sich wirklich nicht so viel Mühe zu machen,« dachte Ingmar Ingmarsson, »denn hier vom Hofe fährt keiner hin, um Brita zu holen. Sie braucht sich wegen der Ehrenpforte nicht so zu ängstigen; so was tut ein Mann nur, um zum lieben Gott sagen zu können: Ich wollte es ja tun. Du konntest doch sehen, daß ich die Absicht hatte. Aber es allen Ernstes zu tun, das ist eine andere Sache.«
»Das letztemal, als mich Brita sah,« fuhr Kajsa fort, »da war es mitten im Winter, als hoher Schnee lag. Ich kam einen schmalen Steig mitten durch den wilden Wald gegangen, und es war schwer zu gehen, denn es hatte angefangen zu tauen, und die Füße glitten einem im Schneeschlamm aus. Da gewahrte ich eine, die im Schnee saß und sich ausruhte, und als ich näherkam, sah ich, daß es Brita war. ›Gehst du allein hier oben im Walde?‹ sagte ich zu ihr. – ›Ja, ich gehe ein wenig spazieren.‹ – Da blieb ich stehen und sah sie an, ich konnte nicht begreifen, was sie da zu tun hatte. – ›Ich bin hier draußen, um zu sehen, ob ich nicht eine steile Felsklippe finden kann,‹ sagte Brita dann. – ›Herr meines Lebens, du willst dich doch wohl nicht da hinabstürzen?‹ sagte ich, denn sie sah aus, als wolle sie nicht länger leben.
›Ja,‹ sagte sie, ›falls ich nur eine Felsklippe finden kann, die hoch und steil genug wäre, so würde ich mich hinabstürzen.‹ – ›Du solltest dich schämen, du, die du es so gut hast.‹ – ›Ja, siehst du, Kajsa, ich bin schlecht.‹ – ›Freilich, das scheint so.‹ – ›Ich bin fest überzeugt, daß ich etwas Schlechtes tue, da wäre es besser, ich stürbe.‹ – ›Was ist das für ein Unsinn, Kind?‹ – ›Ja, ich wurde schlecht, als ich nach dem Ingmarshof hinabzog.‹ Da trat sie ganz nahe an mich heran und sah ganz wild aus den Augen, und dann sagte sie: ›Sie denken nur daran, wie sie mich quälen sollen, und ich denke nur daran, wie ich sie wieder quälen kann.‹ – ›Unsinn, Brita, es sind gute Menschen.‹ – ›Nein, sie denken nur daran, wie sie Schande über mich bringen können.‹ – ›Hast du ihnen denn das nicht gesagt?‹ – ›Ich spreche niemals mit ihnen. Ich denke nur daran, wie ich ihnen Böses zufügen kann. Ich denke daran, ob ich nicht den Hof anzünden soll; ich weiß, er hängt sehr daran. Ich denke auch daran, den Kühen Gift zu geben, sie sind so alt und häßlich und weiß um die Augen, als wenn sie aus seiner Familie stammten.‹ – ›Der Hund, der bellt, beißt nicht,‹ sagte ich. – ›Etwas Böses muß ich ihm antun,‹ sagte sie, ›eher findet meine Seele keinen Frieden.‹ – ›Du weißt selbst nicht, was du sagst,‹ sagte ich. ›Ich glaube, du denkst eher daran, deinem Seelenfrieden ein Ende zu machen.‹
Da fing sie auf einmal an zu weinen. Sie wurde ganz weich und sagte, es sei so schwer für sie mit den bösen Gedanken, die so plötzlich über sie kämen. Da begleitete ich sie nach Hause, und als wir uns trennten, versprach sie, daß sie nichts Böses tun wolle, wenn ich nur meinen Mund halten wollte.
Da dachte ich viel darüber nach, mit wem ich sprechen könnte,« sagte Kajsa. »Es kam mir so schwierig vor, zu so großen Leuten zu gehen wie Ihr ...«
In demselben Augenblick läutete die Essensglocke auf dem Stalldach, die Mittagsruhe war vorüber. Mutter Märta unterbrach Kajsa geschäftig. »Sagt mir doch, Kajsa, glaubt Ihr, daß es jemals zwischen Ingmar und Brita wieder gut werden kann?« – »Was?« sagte die Alte ganz erstaunt. – »Ich meine, wenn sie nun nicht nach Amerika führe, glaubt Ihr dann, daß sie ihn nehmen würde?« – »Wie kann ich das wissen. Nein, das würde sie wohl nicht tun.« – »Sie sagte wohl nein?« – »Ja, das würde sie wohl tun.«
Ingmar saß dadrinnen auf dem Bett, die Beine hingen über dem Bettrande. »So, da hast du bekommen, was du nötig hast, Ingmar, nun glaube ich doch, daß du morgen hinfährst,« sagte er und schlug mit der geballten Faust auf die Bettstelle. »Daß Mutter nur glauben kann, daß sie mich dazu kriegen könne, zu Hause zu bleiben, wenn sie mir zeigt, daß Brita mich nicht lieb hat.«
Er schlug einmal über das andere Mal auf die Bettstelle, als ob er in Gedanken etwas Hartes niederschlage, das ihm Widerstand leistete. »Nun will ich die Sache doch noch einmal versuchen. Wir Ingmars fangen wieder von vorne an, wenn etwas schief gegangen ist. Kein richtiger Mann kann sich darein finden, daß ein Frauenzimmer aus Groll über ihn verrückt wird.«
Nie hatte er so tief empfunden, was für eine Niederlage er erlitten hatte. Er brannte vor Sehnsucht nach Genugtuung auf irgendeine Weise.
»Es müßte doch verteufelt zugehen, wenn ich Brita nicht lehren könnte, glücklich auf dem Ingmarshofe zu werden,« sagte er.
Noch einmal schlug er auf die Bettstelle, indem er aufstand, um an seine Arbeit zu gehen.
»Ich bin fest überzeugt, daß der große Ingmar Kajsa hierher geschickt hat, um mich zu der Fahrt nach der Stadt zu veranlassen.«
IV.
Ingmar Ingmarsson war in die Stadt gekommen und ging langsam den Weg nach dem großen Amtsgefängnis hinauf, das stolz auf einem kleinen Hügel über den städtischen Anlagen aufragte. Er sah sich nicht um, sondern schleppte sich, die schweren Augenlider gesenkt, mühselig dahin, als sei er ein uralter Mann. Er hatte in Veranlassung des Tages die schöne Tracht seiner Gegend abgelegt und einen schwarzen Tuchanzug und ein Manschettenhemd angezogen, das er schon ganz zerknittert hatte. Ihm war sehr feierlich zumute, aber doch noch ängstlich und widerwillig.
Ingmar kam auf den kiesbestreuten Platz vor dem Gefängnis, da sah er einen Schutzmann, der die Wache hatte und fragte ihn, ob Brita Erikstochter heute entlassen werden sollte. – »Ja, ich glaube wohl, daß da heute eine freikommt,« sagte der Schutzmann. – »Es ist eine, die wegen Kindesmord gesessen hat,« klärte ihn Ingmar auf. – »Jawohl, ja, die kommt heute vormittag heraus.«
Ingmar ging nicht weiter, sondern stellte sich an einem Baum auf und schickte sich an zu warten. Auch nicht eine Minute wandte er den Blick von dem Eingang ab. »Durch dieses Tor sind wohl manche hineingegangen, die es nicht allzu gut gehabt haben,« dachte er. »Ich will keine großen Worte machen,« sagte er weiter, »aber vielleicht hat es mancher, der da hineingegangen ist, kaum so schwer gehabt wie ich, der ich hier draußen stehe.«
»Ja, ja, nun hat der große Ingmar mich doch hierher gebracht, um mir die Braut aus dem Gefängnis zu holen,« sagte er dann; »aber ich kann nicht sagen, daß der kleine Ingmar