“Was war denn?“ wollte ich wissen.
Nabir antwortete: „Ach nichts besonderes, er wollte nur nicht in den >Schlampenladen>.“
“In was für einen Laden?“ verstand ich überhaupt nichts mehr.
Nabir erklärte: „Na in den Laden, wo ihr eure Hochzeit gefeiert habt. Also gehen wir ins >Mamas<. Ich find es nur zu teuer, aber das macht euch ja nichts aus. Ihr müsst ja nicht so aufs Geld achten, wie ich. Ihr habt’s ja.“
“Du musst es ja wissen, was wir haben oder nicht.“ Sagte ich ironisch. Dabei dachte ich: ´Damit meinst du wohl mich. Sady kannst du kaum meinen. Schön mal deine Einstellung zu hören. Wahrscheinlich ist das auch die Meinung meines Mannes.´
“Wieso eigentlich Schlampenladen?“ fragte ich, als wir uns auf der Terrasse des Lokals niederließen.
“Wegen der Kellnerinnen. Da hat er recht. Alles Schlampen.“ Bestätigte Nabir die Behauptung meines Ehemannes.
Das interessierte mich doch sehr, deshalb bat ich um Erklärung, wieso eine Frau, die als Kellnerin ihren Lebensunterhalt verdiente, als Schlampe angesehen wird.
Es sei in Ägypten nicht üblich, dass junge Mädchen oder Frauen arbeiten. Die wären dazu da, den Fortbestand der Familie zu sichern, zu heiraten, Kinder zu gebären und sich um Haus und Familie zu kümmern. Wenn eine junge Frau schon berufstätig sein wolle, dann nicht in solch einem Beruf und hier im Tourismus Gebiet. Männer bedienen und zum Trinken animieren, hieße, dass sie auch weitergehen, sich betatschen lassen und für Geld ficken würde.
Ich war platt. Das durfte doch nicht wahr sein. Was für eine miese Einstellung. Unterstellen einer Kellnerin einfach, wenn sie kellnert, prostituiert sie sich auch. Ohne jede Grundlage geschweige denn Beweise. Unglaublich.
“So, nette Einstellung.“ Sagte ich empört. „Und was bitte, denkt ihr dann über die Touristinnen? Die alleine hier hin kommen und sich in einen Ägypter verlieben? Sind das in euren Augen auch Schlampen?“ dabei sah ich Nabir herausfordernd an.
Er grinste, wusste genau, worauf ich hinaus wollte, sagte selbstsicher: „Manche! Nicht alle. Guck mal, hier gibt es ganz andere moralische Vorstellungen und auch Gesetze, als in Deutschland. Ich kenne den Unterschied. Hab lange genug in Deutschland gelebt. Hier ist aber eines auch nicht anders als bei euch, verheiratet zu sein ist normal, ständiger Wechsel des Partner nicht. Da hast du die Antwort. Alles Weitere kannst du dir selbst denken“
Das reichte mir nicht, ich bohrte weiter: „Aber du hast es eben so hingestellt, als wäre jede Kellnerin eine Hure. Das kann doch nicht dein Ernst sein.“
Er schüttelte den Kopf, erklärte bestimmt: „Ich weiß worauf du hinaus willst. Hier denken die Leute eben anders als bei euch. Ein anständiges Mädchen bleibt so lange zu Hause, bei der Familie, bis es verheiratet wird. Und wenn es unbedingt arbeiten will, dann in einem soliden Beruf, unter den Augen der Familie. Vor fremden Männern mit dem Arsch wackeln oder tanzen, gilt bei uns als unanständig. So ist das nun mal hier. Bei euch ist eine andere Welt, andere Vorstellungen von Sitte und Moral. Da ist ein Geschäft, wie du es hast, nicht so schlecht angesehen wie hier. Hier wäre es undenkbar, dass sich eine Tänzerin auszieht. Die Bauchtänzerinnen haben schon keinen guten Ruf, Striptease ist hier unmöglich. So ist das.“
Sady hatte verständnislos von einem zum anderen geblickt, so dass Nabir unser Gesprächsthema ins arabische übersetzte. Sady nickte nur. Ich verzichtete auf weitere Diskussionen. Was hätte ich auch dazu sagen können? Andre Länder – andre Sitten.
Meine Bitte, den kurzen Heimweg zu Fuß zu gehen, akzeptierte mein Mann.
Zu Hause machten wir einen gemütlichen Abend. Erstaunlicherweise war nicht sein erster Griff der Fernsehknopf. Er wählte eine CD mit romantischen italienischen Songs, voller Rhythmik und Gefühl. Während er duschte, holte ich den Champagner aus dem Kühlschrank und zog meinen Traini drüber. Absichtlich blieb ich auf dem Sessel, als er es sich auf der Couch gemütlich machte. Ich wollte reden, nicht bumsen und über dem Sex alle Disharmonien vergessen. Versöhnung im Bett und danach waren die Probleme die gleichen, sah ich nicht als sinnvoll an.
Ich gab mir alle Mühe, die Sprachbarriere zu überwinden, ihm mit Hilfe von Gesten und Zeichen, halb deutsch, halb englisch meinen Standpunkt zu erklären. Dass ich eine andere Vorstellung von Ehe und Sex habe, für mich Sex ohne Vor –und Nachspiel, mit Kondom, reiner Trieb ohne echte Gefühle sei. Ein Kondom zu benutzen, sicher eine wichtige Vorsichtsmaßnahme sei, aber bei Eheleuten ein völlig überflüssiger Gefühlshemmer. Zur Ehe Liebe, Nähe und Zärtlichkeit gehöre und auch des Partners Wünsche zu berücksichtigen, nicht nur stur die Eigenen durchzusetzen. Ich es nun an der Zeit fände, dass er sich für meine sexuellen Vorlieben interessiere, versuche meinen Vorstellungen näher zu kommen. Nur so habe unsere Beziehung auf Dauer eine Chance.
Er hörte schweigend zu, nickte, nahm mich bei der Hand und wollte mich ins Schlafzimmer ziehen, als mein Handy klingelte. Na bravo, der unpassende Moment.
Es war Helge, der mich um geschäftlichen Rat ersuchte. Ein Stammgast hatte weder genügend Geld, noch seine Scheckkarte dabei, bekäme angeblich bei mir immer Kredit, ob er das auch machen könne. Als er den Namen des Gastes nannte, sagte ich sofort zu. Ohne Limit. Wunderte mich jedoch, das Mario das nicht wisse, worauf ich erfuhr, dass Mario zu Hause sei, erst Morgen seinen Dienst antrete. Er habe ja Verständnis, dass die beiden Turteltäubchen, nach einwöchiger Trennung gewissen Nachholbedarf hätten, aber andrerseits würde Sandra jetzt hier gebraucht.
“Wie bitte? Wie soll ich das denn verstehen? Heißt das, die ist nicht da?“ verlangte ich zu wissen.
“Nö.“ Sagte er, „die ist vor Marios Wohnung mit ausgestiegen. Wusste ich vorher auch nicht, sonst hätte ich die gar nicht mitgenommen.“
“Was, was, was? Wie versteh ich denn das? Hast du die etwa mit zum Flughafen genommen? Mitten in der Geschäftszeit? Fährst du mit ner Tänzerin spazieren?“ fragte ich empört.
“Na ja, war ja noch früh, da ist eh nichts los, da wollte ich ihr das nicht abschlagen. Aber wenn ich das vorher geahnt hätte, glaub mir, dann hätte ich die nicht mitgenommen.“ Wurde er ein wenig kleinlaut.
“Ich fass es nicht. Wie konntest du nur? Jetzt hast du den Salat. Du brauchst sie und die beiden amüsieren sich. Mensch, Helge, ruf sie an, sie soll ihren Arsch in den Laden bewegen. Bei dem Gast brauchst du alle Weiber, die wir haben. Und mehr. Sonst geht uns ein super Umsatz flöten.“ drängte ich ärgerlich.
“Ja glaubst du, das hätte ich noch nicht versucht? Mehrmals. Aber ich kann keinen der Beiden erreichen. Die haben die Handys ausgeschaltet. Was soll ich denn machen?“ erwiderte er säuerlich.
“Na bravo. Die kriegen beide was zu hören, das sag ich dir. Genau über das Thema haben wir noch vor ein paar Tagen gesprochen. Da hat Mario mir noch hoch und heilig versichert, dass es wegen seiner neuesten Affäre keinen Ärger geben wird. Der kann was erleben! Ich habe ihn gewarnt. Ok, was soll ich von hier aus machen? Nichts. Aber lass mich zurück sein. Dann räum ich den Stall auf, darauf kannst du Gift nehmen. Also, mach’s Beste draus. Tschüss.“
Sady hatte mich mit großen Augen angesehen, streichelte über meinen Arm und meinte: „Be quiet, darling. Whats happen?“
Ärgerlich winkte ich ab, wie hätte ich das erklären können? „Because my business.“ sagte ich nur.
Die zärtliche Stimmung war hin. Noch nicht mal im Urlaub blieb ich von geschäftlichen Problemen verschont. Scheiß Weiber! Ich hatte es immer schon gehasst, mit Weibern zu arbeiten. Diese Probleme wie Konkurrenzneid, Geltungssucht, Wehleidigkeit und andere Zicken-Macken, gab es bei Männern nicht. Gott, war das ein Scheiß Geschäft. In solchen Augenblicken sehnte ich mich nach meiner Kasinozeit zurück. Da hatte ich hauptsächlich mit Männern zusammen gearbeitet, die wenigen Frauenjobs waren nur die Servicearbeiten gewesen. Bei Neueinstellung