Sainte-Croix und die Marquise verliebten sich auf den ersten Blick und bald war sie seine Mätresse. Der Marquis, sei es aus Glaube an die eheliche Philosophie, sich nur selten der Lust zu überlassen, oder sei es, weil er selbst damit beschäftigt war, sich zu vergnügen, um zu sehen, was sich vor seinen Augen abspielte, stellte kein eifersüchtiges Hindernis ihrer Intimität dar, und fuhr mit seinen albernen Extravaganzen fort, obwohl sie längst sein Vermögen stark geschmälert hatten: Seine Geschäfte waren so durcheinandergeraten, dass die Marquise, die längst nichts mehr für ihn empfand und sich nach Freiheit für ihre neue Liebschaft sehnte, nach einer Trennung verlangte und sie auch bekam. Daraufhin verließ sie das Haus ihres Ehemannes und ließ zugleich jegliche Diskretion fallen, sie zeigte sich überall in der Öffentlichkeit mit Sainte-Croix. Dieses Verhalten, das durch das Vorbild des hohen Adels vorgelebt wurde, beeindruckte den Marquis de Brinvilliers in keiner Weise, der weiterhin fröhlich weiter seinem Weg in den Ruin folgte, ohne sich Sorgen um das Verhalten seiner Frau zu machen. Nicht so M. de
Dreux d'Aubray: Er hatte die Gewissenhaftigkeit eines staatlichen Würdenträgers. Er war empört über das Verhalten seiner Tochter und fürchtete, dass es seinen guten Namen beflecken würde. Er suchte einen Vorwand und befugte die Verhaftung von Sainte-Croix, wo auch immer der Beauftragte ihn auch aufzufinden vermochte. Wir haben gesehen, wie der Befehl ausgeführt wurde, als Sainte-Croix die Kutsche der Marquise fuhr, die unsere Leser nun mit Sicherheit als die Frau wiedererkannt haben dürften, die sich so sorgfältig verschleiert hatte.
Nun, da man über den Charakter von Sainte-Croix besser Bescheid weiß, ist es leicht sich vorzustellen, wie viel Selbstbeherrschung er aufbringen musste, um seine Wut über die Verhaftung mitten auf der Straße zu unterdrücken; und obwohl er die ganze Fahrt über nicht ein Wort geäußert hatte, war klar zu sehen, dass sich ein Sturm in ihm zusammenbraute, der bald losbrechen würde. Doch er hielt sich zurück, als sich die unheilvollen Tore öffneten und als sie sich wieder verschlossen, wie die Tore der Hölle, die schon so oft demjenigen, der eintrat, bereits an der Schwelle sämtliche Hoffnung raubten, und auch dann, als er die Fragen, die ihm der Gouverneur stellte, beantwortete. Seine Stimme blieb ruhig und als er sich in die Liste der Gefangenen eintrug, unterschrieb er mit ruhiger Hand. Sogleich bat ihn ein Gefängniswärter, der die Befehle des Gouverneurs entgegennahm, ihm zu folgen: nachdem sie zahlreiche Gänge durchschritten hatten, die kalt und feucht waren, in die vielleicht manchmal Tageslicht dringen mochte, doch keine frische Luft, öffnete er eine Tür, und Sainte-Croix war kaum eingetreten, da hörte er bereits, wie sie hinter ihm verschlossen wurde.
Das Schloss knirschte und er drehte sich um. Der Gefängniswärter hatte ihn in einem dunklen Raum gelassen, es gab kein Licht bis auf das Licht des Mondes, das durch ein vergittertes Fenster schien, ungefähr acht oder zehn Fuß über dem Boden, und in dessen Lichtkegel lediglich ein heruntergekommenes Rollbett zu sehen war, sonst blieb der Raum in absoluter Dunkelheit. Der Gefangene blieb einen Moment lang ruhig stehen und horchte; schließlich, als die Schritte in der Ferne verhallt waren und er sich dessen bewusst war, dass er nun völlig allein war, warf er sich auf das Bett und stieß einen Schrei aus, der sich mehr wie das Röhren eines wilden Tieres anhörte als ein menschlicher Laut: Er verfluchte seinen Mitmenschen, der ihn aus seinem freudvollen Leben gerissen hatte, um ihn in einen Kerker zu werfen; er verfluchte seinen Gott, der all dies hatte geschehen lassen; er flehte laut jene Mächte an, die auch immer da sein mochten, um ihm Rache und Freiheit zu gewähren.
Gerade in jenem Moment, als ob er ihn mit seinen Worten aus den Tiefen der Erde beschworen hätte, trat langsam ein Mann in den blauen Lichtkegel, der durch das Fenster fiel, ein Mann, dünn und blass, ein Mann mit langem Haar in einem schwarzen Wams, der sich dem Bett näherte, auf dem Sainte-Croix lag. Mutig, wie dieser war, schien ihm diese Erscheinung die passende Antwort auf seine Gebete zu sein (und zu jener Zeit glaubte man noch immer an die Macht von Beschwörung und Zauberei), und so zweifelte er nicht daran, dass der Erzfeind der Menschheit, der immer zur Stelle ist, seine Gebete erhört hatte und nun zu ihm gekommen war. Er setzte sich in seinem Bett auf, griff automatisch an die Stelle, an der sich bis vor zwei Stunden normalerweise der Griff seines Schwertes befand, fühlte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten und kalter Schweiß sein Gesicht herunterlief, als sich das seltsame, fantastische Wesen ihm Schritt für Schritt näherte. Schließlich blieb die Erscheinung stehen, der Gefangene und er standen sich für einen Moment gegenüber, Auge in Auge; dann sprach der mysteriöse Fremde mit einer düsteren Stimme.
„Junger Mann“, sagte er, „du hast zum Teufel gebetet, um Rache an den Männern zu üben, die sich gefangen genommen haben, um Unterstützung gegen jenen Gott zu erhalten, der dich verlassen hat. Ich habe die Mittel und reiche dir hiermit die Hand. Hast du den Mut, sie anzunehmen?“
„Zuallererst“, fragte Sainte-Croix, „wer sind Sie?“
„Warum möchtest du wissen, wer ich bin“, fragte der Unbekannte, „in dem Moment, da ich auf deinen Ruf erscheine, um dir zu bringen, was du ersehnst?“
„Wie dem auch sei“, sagte Sainte-Croix, der die Worte, die er vernahm, noch immer einem übernatürlichen Wesen zuschrieb, „wenn jemand ein Abkommen dieser Größenordnung eingeht, zieht man es doch wohl vor, zu wissen, mit wem man verhandelt.“
„Nun, wenn du es denn wissen musst“, sagte der Fremde, „ich bin der Italiener Exili.“
Sainte-Croix erschauderte von Neuem, als seine Gedanken von der übernatürlichen Erscheinung langsam abwichen und er die grausamen Realität erkannte. Der Name, den er soeben vernommen hatte, hatte zu jener Zeit schreckliche Berühmtheit erlangt, nicht nur in Frankreich, auch in Italien war der Name bekannt. Exili war aus Rom verjagt worden, mehrmals der Vergiftung angeklagt, jedoch schien er seine Vergehen nie zu bereuen. Danach war er nach Paris gegangen und auch dort geriet er ins Auge der Strafbehörden, genauso wie in seinem Heimatland; doch weder in Paris noch in Rom wurde der Schüler von René und Trophana für schuldig erklärt. Auch wenn die Beweise fehlten, waren diese Ungeheuerlichkeiten so anerkannt, dass man keine Skrupel hatte, ihn gefangen zu halten. Ein Haftbefehl war gegen ihn erlassen worden: Exili wurde abgeholt und in der Bastille einquartiert. Er hatte ungefähr sechs Monate dort verbracht, als Sainte-Croix zum selben Ort gebracht wurde. Zu der Zeit gab es viele Insassen und der Gouverneur schloss den neuen Gast zu dem alten in denselben Raum und brachte somit Exili und Sainte-Croix zusammen, nicht ahnend, dass sie ein Paar von Dämonen waren. Unsere Leser werden den Rest verstehen. Sainte-Croix war vom Gefängniswärter in einen sehr dunklen Raum verbracht worden, sodass er in der Dunkelheit seinen Zellennachbarn nicht hatte sehen können: Er hatte sich seinem Wutanfall hingegeben, seine Flüche hatten Exili seinen Gemütszustand offengelegt, der sofort die Möglichkeit beim Schopfe packte, einen hingebungsvollen und starken Adepten zu gewinnen, der, wenn er erst einmal aus dem Gefängnis entlassen werden würde, ihm auch die Türen wieder öffnen könnte, oder zumindest Rache für ihn nehmen könnte, im Falle, dass er lebenslänglich eingesperrt sein sollte.
Der Widerwille, den Sainte-Croix seinem Mitgefangenen gegenüber verspürte, währte nicht lang, und auch der gerissene Meister hielt seinen Schüler für geschickt. Sainte-Croix, eine seltsame Mischung aus gut und böse, hatte nun seine schwerste Lebenskrise erreicht, in der nur seine helle oder seine dunkle Seite mit all ihren Kräften Oberhand gewinnen konnte. Höchstwahrscheinlich hätte er den Weg zu Gott gefunden, wenn er in diesem Moment einer engelhaften Persönlichkeit begegnet wäre; nun hatte er aber einen Dämon getroffen, der ihn zu Satan geleitete.
Exili war kein einfacher Giftmischer: Er war ein hervorragender Künstler, wenn es um Gifte ging, vergleichbar mit den Medici oder Borgias. Für ihn war das Töten