Aus meinem Leben, 2. Teil. August Bebel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: August Bebel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754942277
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schwieg und Wagener schwieg. Vor der Abstimmung über den entscheidenden § 1 verließ Schweitzer den Saal. Er wagte nicht dafür zu stimmen und wollte nicht dagegen stimmen.

      Diese Vorgänge im Reichstag beschäftigten kurz darauf zwei Versammlungen der Berliner Mitgliedschaft des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins. Schweitzer beantragte hier folgende Resolution:

      »Die Versammlung erkennt an, daß die von Preußen geschaffene Macht die Möglichkeit der Herstellung der deutschen Einheit in sich trägt; zweitens ist sie mit der Fortschrittspartei damit einverstanden (weiter nach links wagte Schweitzer nicht mehr zu gehen. A.B.), daß mit äußerstem Nachdruck und ohne daß man sich um Drohungen der preußischen Regierung kümmere, auf eine freiheitliche Gestaltung Preußens und des Norddeutschen Bundes gedrungen werden muß, da nur hierdurch eine ersprießliche endgültige Lösung der deutschen Sache möglich ist; drittens erklärt sie es für verfehlt, in Gemeinschaft mit der Auffassung des mißgünstigen Auslandes das Vorgehen Preußens im vorigen Jahre zu beurteilen und demgemäß eine Zertrümmerung Preußens und des Norddeutschen Bundes zu erstreben und zu erhoffen.«

      Rückhaltloser konnte man für die Bismarcksche Schöpfung nicht eintreten. Dieser Resolution gegenüber beantragten nun Theodor Metzner und Reimann, zwei Opponenten von Schweitzer:

      »Die Versammlung beschließt, daß Herr v. Schweitzer sowohl im Reichstag als durch seine Verdächtigung der radikalen Partei in der heutigen Versammlung das wenige Vertrauen, das derselbe bisher bei den Berliner Arbeitern genossen, vollständig verloren hat.«

      Eine dritte Resolution brachte der fortschrittliche Maschinenbauer Andreack ein, die forderte:

      »Die Versammlung möge beschließen, daß sie in der deutschen Frage sich nur mit dem Standpunkt der Deutschen Fortschrittspartei einverstanden erklären kann.«

      Und was geschah jetzt? Als Schweitzer merkte, daß die scharfe Opposition, die er fand, seine Resolution zu Fall bringen könnte, zog er, feig wie er immer war, wenn ihm eine Niederlage drohte, dieselbe zurück und erklärte sich für die fortschrittliche Resolution, die dasselbe besage wie die seine. Hofstetten, der den Vorsitz hatte, tat Schweitzer den Gefallen, über die Andreacksche Resolution zuerst abzustimmen und sie für angenommen zu erklären, was seitens der Opposition einen Sturm der Entrüstung hervorrief.

      Schweitzers Diktatur.

      Schweitzer hatte das dringendste Interesse, den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein ganz in die Hand zu bekommen, also dessen Präsident zu werden. Dieses Sehnen verwirklichte sich, als Perl-Hamburg, der Präsidentschaft müde, erklärte, dieselbe niederlegen zu wollen. Es wurde eine außerordentliche Generalversammlung auf den 19. und 20. Mai 1867 nach Braunschweig einberufen, die von 18 Delegierten, die 2500 Stimmen hinter sich hatten, besucht war. Schweitzer vertrat Apolda mit 22 und Limbach in Sachsen mit 30 Stimmen. Der Verein war sehr heruntergekommen. Die beständigen Zerwürfnisse, das Mißtrauen gegen Schweitzer wegen seiner Politik, der ungünstige Ausfall der Wahlen zum norddeutschen Reichstag, trotz aller großsprecherischen Worte Schweitzers, die Krise waren die Hauptursachen dieser Erscheinung. Die Eröffnungsrede Perls war der Ausdruck der vorhandenen Mutlosigkeit. Die Hoffnung, die man noch in Leipzig gehegt, Ordnung in den Verein zu bringen, hätte sich nicht erfüllt; die finanziellen Verhältnisse des Vereins seien sehr ungünstig, nur wenige Orte zahlten Beiträge usw. Im weiteren Verlauf der Verhandlungen bat Perl, von seiner Wiederwahl als Präsident abzustehen; er könne die Opfer nicht mehr tragen, die ihm diese Stellung auferlege. Schweitzer kritisierte Perls Geschäftsführung, doch wolle er, wie er sagte, ihm nicht persönlich zu nahe treten. Er erklärte, die Generalversammlung sei entscheidend für den Verein, nach Tölcke sollte er sogar die Präsidentschaft gefordert und gedroht haben, falls er nicht gewählt werde, ließe er mit der nächsten Nummer den »Sozialdemokrat« eingehen. Er versprach Garantien zu geben, daß die Verwaltungsgeschäfte korrekt erledigt würden, da er wisse, daß man ihm mißtraue. Die Versammlung war unschlüssig, was sie tun sollte; so ließ man auf Vorschlag Brackes eine Pause eintreten, um sich zu verständigen. Nach dieser schlug Tölcke Schweitzer als Präsidenten vor. Es wurde darauf mehrseitig wieder geltend gemacht, daß gegen Schweitzer Mißtrauen vorhanden sei; auch sei es ein Unding, daß der Präsident des Vereins und der Redakteur des Vereinsorgans ein und dieselbe Person sei. Tölcke suchte die Bedenken zu beschwichtigen. Schweitzer erklärte, er wisse, daß man Mißtrauen gegen ihn habe; er werde das Amt nur annehmen, wenn man ihm Vertrauen entgegenbringe. Er beantragte eine zweite Pause zur Verständigung. Nach dieser erklärten mehrere Delegierte, ihr Mißtrauen gegen Schweitzer fallen zu lassen. Er wurde alsdann, nachdem er auf einen Vorhalt Tölckes noch mitgeteilt, er werde sich selber wählen, mit 2385 gegen 97 Stimmen und 41 Enthaltungen Präsident des Vereins. Er hatte, um sich Vertrauen zu erwerben, auf dieser Generalversammlung ein radikales Programm vorgelegt und annehmen lassen. Jetzt gab er auch die sogenannten Garantien für sein ferneres Wohlverhalten, indem er durch Handschlag sämtlichen Delegierten gegenüber sich feierlich verpflichtete, alles zu tun, was in seinen Kräften stehe, den Verein vorwärtszubringen. Umgekehrt verpflichteten sich die Delegierten ebenfalls durch Handschlag Schweitzer gegenüber, treu zur Organisation und zum Präsidenten zu stehen. Also eine Art Ballhausschwur, wie ihn die französische Nationalversammlung 1789 leistete, nur mit dem Unterschied, daß der Regisseur der Schwurszene in Braunschweig, Schweitzer, wußte, daß es sich um eine Posse handelte. –

      Auf der Generalversammlung des Vereins in Berlin – 23. bis 25. September 1867 – wiederholte Schweitzer: daß in politischen Fragen der Verein mit der Fortschrittspartei gehen könne. Das verhinderte allerdings nicht, daß, als um dieselbe Zeit in Düsseldorf eine Nachwahl für den Reichstag stattzufinden hatte, bei der in der engeren Wahl der fortschrittliche Kandidat, Redakteur der »Rheinischen Zeitung«, Bürgers, und ein konservativ-nationalliberaler Kandidat sich gegenüberstanden, Schweitzer im »Sozialdemokrat« die Mitglieder des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins aufforderte, für den letzteren zu stimmen, worauf Bürgers durchfiel. Neben dem, daß er damit Bismarck einen Gefallen erwies, kühlte er seine Rache wegen der Anklage der »Rheinischen Zeitung«, er habe aus hochkonservativen Kreisen Geld für den »Sozialdemokrat« genommen.

      Ein anderer für Schweitzer wenig ehrenvoller und seinen Charakter beleuchtender Vorgang war die Auseinandersetzung mit seinem bisherigen Freunde Hofstetten. Hofstetten hatte seine Mittel für die Gründung des »Sozialdemokrat« hergegeben. Diese Mittel waren Mitte 1867 verbraucht und Hofstetten ein armer Mann. Anfang 1868 versuchte Schweitzer Hofstetten nach Wien zu schieben, woselbst er ein sozialdemokratisches Blatt gründen sollte. Hofstetten kam aber in Wien übel an und eilte nach Berlin zurück. Jetzt verschloß Schweitzer ihm den Wiedereintritt in die Redaktion des Blattes, er bestritt auch, daß Hofstetten noch irgendwelche Ansprüche habe, und setzte ihn vor die Tür, wobei er sich auf einen Vertrag stützte, den er dem gutmütigen und nicht gerade scharfsinnigen Hofstetten abgedrungen hatte. Als Hofstetten im Frühjahr 1869 auf der Generalversammlung des Vereins in Barmen-Elberfeld eine lange Anklagerede gegen Schweitzers Verhalten ihm gegenüber hielt, entrüsteten die mitgeteilten Tatsachen den Delegierten Heinrich Vogel – der gegenwärtig noch in Charlottenburg lebt – so, daß er erklärte, Schweitzer habe Hofstetten gegenüber wie ein ordinärer Bourgeois gehandelt, eine Charakterisierung, die bei Schweitzers Anhängern einen Sturm der Entrüstung hervorrief und nachher Vogels Ausschluß aus dem Verein zur Folge hatte. Hofstetten klagte auch Schweitzer an, daß er das Geld mit vollen Händen zum Fenster hinausgeworfen habe; woher er es erhielt, wisse er nicht. Als er Schweitzer wegen seiner verschwenderischen Lebensweise Vorhalt gemacht, habe dieser geantwortet: Darüber sei er ihm keine Rechenschaft schuldig, er habe seine Schulden nicht zu bezahlen. Darin hatte Schweitzer sicher recht, aber die Tatsache an sich ist sehr beachtlich. Ende 1867 hatte das Blatt erst 1200 Abonnenten, deckte also bei weitem noch immer nicht seine Kosten; es war also die Frage sehr wohl gerechtfertigt: Woher kommt das Geld für das Blatt und die verschwenderische Lebensweise Schweitzers? Das ewige Schuldenmachen hatte doch seine Grenze. Auch wollten die Gläubiger ab und zu Geld sehen. Eine Erbschaft, die er nach dem Tode seines Vaters Ende 1868 machte, war so geringfügig, daß sie einen Tropfen auf einen heißen Stein bedeutete. Dabei hielt Schweitzer sich während des Reichstags eine Equipage mit galonierten Dienern.

      Gustav Mayer, dessen Buch über Schweitzer ich oben erwähnte, hielt es für zweckdienlich, sich bei Paul Lindau,