DOG TO GO. Jaqueline Merlin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jaqueline Merlin
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753191362
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ich nicht gewollt hätte, wäre

      sie mir nicht mehr von meinen Fersen gewichen. Den Besitzer-Wechsel machten wir für alle rasch und schmerzlos in einem Café, in das ich ihr Frauchen einlud. Die schnuppernde Nase vorweg, ging uns Püppi voran. Sie hatte Sachen dabei wie Kinder, die auf Reisen gehen: großes Kissen zum Kuscheln, gewohntes Futter, Tüte Leckerli, ihre Laufleine, die sich

      über einen Mechanismus aufreihte, den ich erst lernen musste, dass sie nicht

      in fahrende Autos rannte, ein früheres Spielzeug, jenes geliebte Stofftier, von dem sich ein Erwachsener nicht trennen kann und die Schutzgebühr, die die Kosten des Zubehörs kaum gedeckt hätten; denn ihr Preis war es nicht. Der wäre für mich,- spätestens danach,- unbezahlbar gewesen. Ich wusste von ihr nichts bis auf ihre Herkunft vom Bauernhof, einem Dorf

      in Lübars, der Mitte 40 Jährigen und vielbeschäftigten Großmutter, dem einstmaligen Frauchen, das sie verärgerte, wenn sie im Garten die Wäsche von der Leine zog, dass sie ein nasses Handtuch zusammenrollte und

      es ihr um die Ohren haute. Bei diesem Geräusch sprang Püppi hoch und flitzte in die letzte Ecke. Das alltägliche Geräusch, wenn man kräftig das Handtuch

      ausschüttelte. Sie hieß Püppi, weil sie als Kleine puppenhaft ausgesehen hatte mit den großen Augen, ihrem runden Kopf und dem wunderschönen Gesicht. Auf der Straße lachten sie uns aus, wenn ich „Püppi“ rief. Dem musste Abhilfe geschaffen werden, dachte ich. Bonny, was sie verstand, war der Taufname, sie hörte darauf. Ein lautes Aufheulen, als wir schon

      um die Ecke waren. Bei ihr schien jetzt angekommen zu sein, dass ein neuer Lebensabschnitt begann. Sie hatte sich von Kindheit und Jugend verabschiedet. Ihr langer Ruf zog durch meinen ganzen Körper. Er galt vielleicht auch dem Ex-Frauchen. Alles begann jetzt.

      Bei dieser Geste hätte sich jeder an: „Mit den Wölfen heulen“ erinnert, ohne Ähnlichkeiten mit einem Wolf. Es wirkte komisch, in der kleinen Hündin, die mich erkundet hatte, steckte der Wolf. Gemächlich ging sie

      voran, immer der Nase nach. Das war wie Zeitung lesen, heute digitale Nachrichten erfassen. Oft blätterte oder scrollte sie zurück. Dann blieb

      ich stehen. Ich wusste nicht, welche Seiten die Fortsetzung waren. Sie trottete im Zickzack, als wüsste sie es auch nicht, bis sie diese gefunden hatte. Im Kreis, in der Geraden, parallel, walking on the line, so quer

      über den Rasen zu einem Punkt, an dem sie, wie mit großem Erfolg angekommen zu sein, einen Strahl abließ, was die Antwort auf das war, was wir nicht lesen konnten. Es wirkte unheimlich spannend auf mich.

      Ich durfte dabei nicht stören. Wir gingen über holpriges Kopfsteinpflaster die flache Treppe zum alten Seeufer herunter. Als hätte ich ihr das gesagt, wusste sie, dass ab morgen diese Wegstrecke zum täglichen Gassi gehörte.

      Sie führte in einen kleinen Park mit Kastanien und weiten Grünflächen bis zu dem alten Steg, der auch eine Anlegestelle für Ruder- und Paddelboote, Dampfer, Segelschiffe und Surfer war. Die Holzbretter vom alten Steg waren morsch, das Geländer am Kai verrostet und manche Treppenstufen uneben.

      Die Anwohnerschaft hatte sich über Jahre daran gewöhnt. Das Seeufer war altbacken, nicht verkommen.

      Auf dem Wasser zog die Eleganz weißer Schwäne vorüber. Haubentaucher und Enten übten sich in kurzem Abtauchen nach geworfenen Brotkrumen. Wer schnell war in der abendlichen Beutejagd, bekam die großen Brocken von Besuchern zugeworfen. Andere erhaschten die schwirrenden Mücken, die in Schwärmen die drückende Schwüle im August füllten. Kreischende Möwen hoch über dem See, die sich gelegentlich auf den runden Holzpfosten, die aus dem Wasser ragten, wie zu einer besseren Aussicht niederließen. Am 29. August wünschten wir den Seebewohnern zum ersten Mal „guten Abend“.

      Sie reagierten unfreundlich. Die Lebewesen, die ihre Augen nicht seitwärts tragen, waren gefürchtet im Antlitz ihrer selbst. Enten und Taucher stoben auseinander. Schwäne zeigten lautstarken Flügelschlag, womit sie die Gefahren andeuteten. Manche schwammen mit lang vorgestrecktem Hals auf Püppi los und fauchten sie an. „Feind in Sicht“, gaben sie kund. „Verschwinde!“ ergänzten die Mutigen unter ihresgleichen. Püppi beeindruckte es weniger als mich. Es belustigte sie. Buntes Treiben erweckte Neugierde in ihr, wie weit man dabei gehen kann. Doch als dieser Schwan herausgeflogen kam, wie ein Stier auf Bonny losging, verbellte sie ihn stark und trottete weiter. Seitdem zeigte er Respekt. Es folgte keine Wiederholung in den nächsten sieben Jahren, dafür fraßen sie zusammen ihr Brot. Ich dachte, wenn eine Kommunikation so leicht wäre wie bei Tieren, würde es ruhiger zugehen.

      Wir zogen weiter zu den Anglern. „Kurz vor Sonnenuntergang beißen die Fische am besten!“

      „Hauptsache, Ihre Süße da beißt nicht, oder vertreibt sie mir ganz.“ Wir kannten uns seit der aufregenden Jahrtausendwende mit viel Geschwätz darum, die langweiliger war als die folgende Jahreswende. Hier am See konnte man über alles reden, man war besser informiert, als die vor einem Bildschirm. Der lustige Rentner hielt Bonny seine flache Hand vor die Nase. „Na, riechst du hier auch meine?“ Sie schmunzelte ihn an. „Da ist nichts drin! Sie will lieber eine volle Hand, anstatt Ihrer flachen, leeren!“

      „Also wie meine, genauso verwöhnt. Wo haben Sie denn Ihre Süße her? Wollten Sie denn keine Hündin mehr?“ “Keine ihrer Vorgänger, nun bin ich klüger. Bonny wollte mich, nicht ich sie, drum eben.“ „Das hätte ich Ihnen auch sagen können.“ “Sie haben es nicht!“ “Sie haben mich nicht danach gefragt.“

      Es zuckte an der Angel. Unser Freund kurbelte an einer Schnur und zog den großen Fisch an Land. „Bonny ist ein wahrer Glücksbringer.“ “Das hoffe ich auch. Die Tibets waren es schon im Kloster. Die Hütehunde in den tibetischen Klöstern wurden vor hundert Jahren als „Glücksbringer“ verschenkt. Der Fisch zappelte wild. Wir verabschiedeten uns und gingen im Dämmerlicht in Richtung Zuhause.

      Rocky, ein schwarzer Labrador als Rüde im Parterre, bekam von unserer Ankunft nichts mehr mit. Es war gut, dass er außer Haus war. Sonst hätte er hier am ersten Abend mit Streit begonnen. Rocky hatte Vorstandsrecht, bewachte unser Haus seit zwei Jahren, stand kurz vor einem Greisenalter.

      Sein Herrchen war genauso betagt, hatte schon einen Schlaganfall erlebt, war schwerbehindert. Ich mochte ihn mit Rocky nicht, es war mir unklar, ob dieses Verhalten mit zu seiner Krankheit gehörte, die ich nicht kannte. Er blieb mir fremd, als Rocky sich behauptete, zeigte ihm Bonny kontra.

      Bonny schloss nur mit den Menschen Freundschaft, die auch zu mir gut waren ohne Falschheiten. Sie hatte ein ausgeprägtes Gefühl für Lügner. Entweder zeigte sie ihnen eine kalte Schulter, oder sie verbellte sie sehr, dass sie noch gehässiger wurden. Sie ließ sich von ihnen nicht irritieren.

      Ich ging Konfrontationen aus dem Weg. Bonny hatte ein dickes Fell. Sie beschützte mich seitdem. Sie fand jederzeit und überall Sympathisanten, beim Einkauf, bei Freunden, im Lokal, am Seeufer. Wir wurden am Ort schnell bekannt als unzertrennliche Zwillinge, die sich einander toll ergänzten. Kam ich einmal irgendwo ohne Bonny rein, sah man mich an, als stünde ich kopflos da. „Und wo ist Ihr Hund?“ “Sie meinen, Bonny.“ “Sie hat sich bei mir nicht vorgestellt.“ “Ich komme von einem Arzt.“ „Das ist ja kein Wunder, wenn sie ohne die Bonny herausgehen. Werden Sie mal schnell wieder gesund für euch beide!“ Ich hatte eineinhalb Jahre vor der Ankunft von Bonny eine Lungen- und Brustfellentzündung überstanden.

      Am ersten Abend stemmte ich sie mit meinen lang ausgestreckten Armen hoch und merkte, wie sie endlich nachgab. Unter ihr waren weiße Fliesen. Sie thronte über mir mit einem Abstand von zwei Metern. Ich wusste mir nicht mehr anders zu helfen, nach einer Stunde kam mir spontan die Idee.

      Es war, als würde aus einem prall gepumpten Fahrradschlauch seicht die Luft entweichen, als hätte man vorsichtig an ihrem Ventil gedreht. Bonny besaß Willenskraft. Ich wollte nicht jeden Tag Kämpfe mit ihr ausfechten. Ich zeigte, dass ich stärker war, „Aus und Basta“ mit dem Spiel. Das galt nicht für immer in allen Situationen, wie ich erneut bald feststellen musste.

      Bonny hatte ein geflochtenes Weidenkörbchen mit eingenähtem Kissen, worin sie schlummerte, wie ein kleines