Tom Jones. Henry Fielding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Henry Fielding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754175279
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Körper, sondern auch ihren Verstand zu verführen und zu verderben trachtet?«

      Hier zeigte Hannchen große Reue und Herr Alwerth, nachdem er einige Minuten stillgeschwiegen fuhr folgendergestalt fort:

      »Ich habe Ihr dies sagen wollen, gutes Kind, nicht um Ihr das, was geschehen, unwiderruflich geschehen ist, vorzurücken, sondern Sie auf die Zukunft zu warnen und zu stärken. Und auch diese Mühe würde ich mir nicht gegeben haben, wenn ich nicht einigermaßen eine gute Meinung von Ihrem Verstande hätte, ungeachtet des fürchterlichen Fehltritts, den sie begangen hat; und wenn ich nicht einige Hoffnung zu Ihrer herzlichen Reue hätte, die ich auf die Offenherzigkeit und Aufrichtigkeit Ihres Geständnisses gründe. Wenn ich mich darin nicht irre, so will ich sorgen, Ihr von dieser Schaubühne Ihrer Schande weg und an einen Ort zu verhelfen, wo Sie als unbekannt die Strafe vermeiden kann, welche, wie ich gesagt habe, auf Ihr Verbrechen in dieser Welt folgt; und ich hoffe, durch aufrichtige Reue werde Sie das viel drückendere Urteil von sich ablehnen, was darüber für jene Welt verkündigt ist. Führe Sie sich in Zukunft gut auf, Kind, so soll Sie kein Mangel wieder auf eben die Abwege verleiten; und glaube Sie mir, schon in dieser Welt ist mehr Freude bei einem unschuldigen und tugendhaften Wandel als bei einem liederlichen und lasterhaften Leben.«

      »Was Ihr Kind betrifft, so laß Sie sich darüber keinen Gedanken beunruhigen; ich will dafür auf eine bessere Weise sorgen, als Sie nur hoffen kann. Und nun bleibt nichts weiter übrig, als daß Sie mir bekenne: wie der böse Mann heißt, der Sie verführt hat? Denn mein Unwille gegen diesen wird weit größer sein, als Sie bei dieser Gelegenheit gegen sich selbst erfahren hat.«

      Hier erst hub Hannchen die Augen von der Erde in die Höhe und begann mit bescheidenem Blick und ehrerbietiger Stimme wie folgt:

      »Sie zu kennen, bester Herr Alwerth, und ihre menschenfreundliche Güte nicht zu lieben, wäre ein Beweis von gänzlichem Mangel an Verstand und Güte des Herzens bei jedermann. Bei mir aber würde es die höchste Stufe von Undankbarkeit anzeigen, wenn ich von dem hohen Grade der Güte, welche Sie bei dieser Gelegenheit auszuüben geruhet haben, mich nicht tief im Innersten meines Herzens gerührt fände. Ich weiß, Sie ersparen mir die Schamröte, Ihnen meine Reue über das Vergangene nochmals zu wiederholen. Meine künftige Aufführung wird meinen Vorsatz viel besser zu Tage legen, als alle meine Versprechungen, die ich hier thun könnte. Erlauben Sie mir, gnädiger Herr, Sie zu versichern, daß mir Ihre Vermahnung tiefer ans Herz gegangen ist, als das großmütige Erbieten, womit Sie solche beschlossen haben. Denn, wie Sie zu sagen belieben, sie ist ein Beweis, daß Sie von meinem Verstande eine gute Meinung haben.« –

      Hier hielt sie ein paar Minuten inne, weil ihre Thränen häufig herabrollten und fuhr dann weiter fort:

      »Wirklich, gnädiger Herr, Ihre Güte überwältigt mich; aber ich will streben, diese gütige Meinung zu verdienen; denn wenn ich den Verstand besitze, den Sie so gütig sind, mir zuzutrauen, so können solche Warnungen bei mir nicht verloren gehen. Ich dank' Ihnen herzlichst, gnädiger Herr, für Ihren gefaßten liebreichen Vorsatz zu gunsten meines armen hilflosen Kindes; es ist unschuldig und ich hoffe, es soll lange genug leben, um sich für alle die Wohlthaten, die es von Ihnen empfangen wird, dankbar zu erzeigen. Aber nun, gnädiger Herr, muß ich Sie auf meinen Knien anflehen, verschonen Sie mich mit dem Befehl, Ihnen den Vater meines Kindes zu nennen. Ich verspreche heilig, Sie sollen ihn eines Tages erfahren. Ich bin aber unter den feierlichsten Zusagungen und Versprechungen der Ehe und den heiligsten Eiden und Gelübden der Religion gebunden, seinen Namen, für jetzt noch, zu verschweigen, und Ihre Gesinnungen sind mir zu wohl bekannt, als daß ich besorgen könnte, Sie wollten von mir verlangen, ich solle meine Ehre oder meine Religion aus den Augen setzen.«

      Herr Alwerth, dem die geringste Erwähnung dieser heiligen Worte schon hinlänglich war, um höchst bedächtlich zu verfahren, besann sich einen Augenblick, ehe er antwortete, und dann sagte er zu ihr: sie habe unrecht gethan, gegen einen schlechten Menschen solche Gelübde einzugehen. Da es aber geschehen, könne er nicht drauf dringen, daß sie wortbrüchig werden sollte.

      Er sagte, es sei nicht aus persönlicher Neugierde, daß er nach ihm gefragt habe, sondern um den Kerl zu strafen; wenigstens, damit er nicht unwissenderweise solchen Leuten Wohlthaten zufließen ließe, die es nicht verdienten.

      Was diese Punkte betreffe, so beruhigte ihn Hannchen durch die feierlichsten Beteuerungen, der Mann sei ganz und gar außer seinem Wirkungskreise und so wenig seiner Macht unterworfen, als er, nach aller Wahrscheinlichkeit, jemals der Gegenstand seiner Mildthätigkeit werden würde.

      Hannchen hatte sich durch ihr treuherziges Betragen bei diesem würdigen Manne so viel Zutrauen erworben, daß er ihr ganz willig glaubte, was sie ihm sagte; denn da sie die Niederträchtigkeit verachtet hatte, sich selbst durch eine Lüge zu entschuldigen, und in ihrer gegenwärtigen Lage lieber sein ferneres Mißfallen auf sich laden, als ihrer Ehre und Zusage dadurch untreu werden wollte, daß sie einen andern verriete, so besorgte er sehr wenig, daß sie sich gegen ihn einer Falschheit schuldig machen würde.

      Er entließ sie also mit der Versicherung, er würde sie bald von dem Orte entfernen, wo sie so viele Zungen wider sich gereizt hätte, und beschloß mit noch einigen hinzugefügten Vermahnungen, in welchen er Reue und Besserung empfahl, und sagte: »Bedenke Sie wohl, Kind, dort oben ist noch einer, dessen Gnade Sie sich noch wieder zu erbitten hat, und dessen Wohlwollen für Sie weit wichtiger ist, als das meinige.«

Achtes Kapitel.

      Dialog zwischen Mesdames Brigitta und Deborah; der zwar unterhaltender, aber nicht so lehrreich ist als der vorige.

      Als Herr Alwerth sich mit Hannchen Jones nach seinem Arbeitszimmer verfügt hatte, wie wir oben gesehen haben, begab sich Fräulein Brittjen mit der guten Haushälterin auf einen Posten, der zunächst an besagtes Studierzimmer stieß, woselbst sie, vermittelst eines Schlüsselloches, die lehrreiche Vermahnung des Herrn Alwerth zugleich mit Hannchens Antworten in ihre Ohren fließen ließen, und wirklich sich von allem, was im vorigen Kapitel vorkommt, aufs genaueste unterrichteten.

      Dieses Loch in der Thüre des Studierzimmers ihres Bruders war Fräulein Brittjen ebenso gut bekannt, und von ebenso öfterem Gebrauche, als vor alten Zeiten das berüchtigte Loch in der Mauer der Thisbe. Dies hatte so seinen mancherlei guten Nutzen: denn auf diese Weise ward Fräulein Brittjen oft mit ihres Bruders Wünschen bekannt, ohne ihm die Mühe zu machen, ihr solche erst zu sagen. Wahr ist's, diese Vertraulichkeit hatte auch ihr Unangenehmes, und sie hatte bisweilen Ursache, mit der Thisbe beim Shakespeare auszurufen: »O böse, böse Mauer!« Denn da Herr Alwerth ein Friedensrichter war, so kamen in den Verhören über uneheliche Geburten und dergleichen zuweilen gewisse Dinge vor, die etwas sehr Beleidigendes für keusche jungfräuliche Ohren an sich haben, besonders wenn die Jungfrauen das Alter von vierzig erreichen, wie es der Fall mit Fräulein Brittjen war. Indessen hatte sie bei solchen Gelegenheiten den Vorteil, ihr Erröten vor den Augen der Männer zu verbergen, und De non apparentibus et non existentibus eadem est ratio. Auf deutsch: Wenn man ein Frauenzimmer nicht erröten sieht, so ist's so gut, als ob sie gar nicht errötet.

      Beide zarte Jungfrauen beobachteten ein genaues Stillschweigen während des ganzen Auftritts zwischen Herrn Alwerth und der armen Sünderin; sobald er aber geendigt und der Inquisitor so weit entfernt war, daß er nichts mehr hören konnte, gab Jungfer Deborah dem Drange ihres Herzens Raum und ergoß sich in Ausrufung über die gütige Nachsicht ihres Herrn und besonders darüber, daß er das Mädchen durchwischen lassen, ohne den Namen des Kindes Vaters zu nennen, den sie, wie sie mit einem Eide beteuerte, heraus haben wollte, noch ehe die Sonne zur Ruhe ginge.

      Bei diesen Worten entfaltete Fräulein Brigitta ihre Gesichtszüge in ein Lächeln (bei ihr eine sehr ungewöhnliche Sache); nicht daß ich wollte, mein Leser solle sich einbilden, es sei dies eins von jenen mutwilligen Lächeln gewesen, wovon sie Homer glauben machen will, es käme von der Venus her, wenn er diese die lächelliebende Göttin nennt; auch war es keins von jenen Lächeln, welche Ihro Gnaden Seraphina aus ihrer Loge im Schauspielhause umherwirft, und wofür Venus ihre Unsterblichkeit hingeben würde, wenn sie es nachmachen könnte. Nein! es war vielmehr eins von jenen Lächeln, wovon man glauben könnte, es sei von den