Don Quijote. Miguel de Cervantes. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Miguel de Cervantes
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754175439
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packten sie mit größtmöglicher Schnelligkeit ihren Tieren die Traglasten wieder auf, verfolgten ihren Weg und ließen die beiden Abenteuergierigen in übler Verfassung und noch üblerem Gemütszustand liegen.

      Der erste, der wieder zu sich kam, war Sancho Pansa, und da er sich neben seinem Herrn hingestreckt sah, sagte er mit schwacher, kläglicher Stimme: »Señor Don Quijote! Ach, Señor Don Quijote!«

      »Was willst du, Freund Sancho?« versetzte Don Quijote mit demselben schwächlichen, jammervollen Ton wie Sancho.

      »Ich möchte, wenn’s möglich wäre«, antwortete Sancho Pansa, »daß mir Euer Gnaden ein paar Tropfen von jenem Tranke des Schwerenbrast gäbe, wenn Ihr ihn hier zuhanden habt; vielleicht nützt er ebenso für zerschlagene Knochen wie für Hieb- und Stichwunden.«

      »Hätt ich ihn hier, ich Unseliger, was ginge uns dann ab?« entgegnete Don Quijote. »Aber ich schwöre dir, Sancho Pansa, auf fahrenden Ritters Wort, ehe zwei Tage ins Land gehen, wenn es das Glück nicht anders fügt, wird er in meinem Besitz sein, oder ich müßte keine Hand mehr regen können.«

      »So? In wieviel Tagen meinen denn Euer Gnaden, daß wir die Füße rühren können?« versetzte Sancho.

      »Soviel mich angeht, muß ich sagen«, antwortete der wohlzerdroschene Ritter Don Quijote, »daß ich diesen Tagen eine Frist nicht bestimmen kann. Aber ich trage Schuld an allem, ich durfte nicht zum Schwerte greifen gegen Leute, die nicht wie ich zum Ritter geschlagen sind; und so glaube ich, daß zur Strafe für diese Übertretung der Gesetze des Rittertums der Gott der Schlachten verstattet hat, daß mir diese Züchtigung zuteil geworden. Deshalb, Sancho Pansa, ist es gebührlich, daß du wohl auf das merkest, was ich dir jetzt sagen will; denn es ist hochwichtig für unser beider Wohlfahrt: wenn du nämlich siehst, daß solches Gesindel uns eine Unbill zufügt, so warte nicht ab, daß ich zum Schwert greife, denn das werde ich unter keinerlei Umständen tun, sondern lege du Hand ans Schwert und züchtige sie gehörig nach Herzenslust. Kommen ihnen aber Ritter zu Hilfe und Beistand, so werde ich dich zu verteidigen und sie aus aller Macht zu befehden wissen; denn du wirst schon an tausend Merkzeichen und Proben gesehen haben, wieweit die Gewalt dieses starken Armes reicht.«

      Mit solcher Hoffart hatte den armen Herrn die Besiegung des mannhaften Biskayers erfüllt.

      Aber die Anweisung, die Don Quijote ihm gegeben, gefiel dem Knappen keineswegs so sehr, daß er eine Antwort darauf hätte unterlassen mögen. Und so sagte er: »Edler Herr, ich bin ein friedfertiger Mann, sanftmütig, geruhigen Sinnes, und weiß mich über jede Unbill hinwegzusetzen; denn ich habe Frau und Kinder zu ernähren und zu erziehen. Und so bitte auch ich Euer Gnaden, wohl darauf zu merken, denn vorschreiben kann ich ja nichts: daß ich unter keinerlei Umständen je zum Schwert greifen werde, weder gegen Bauern noch gegen Ritter, und daß ich von jetzt ab, bis ich vor Gott erscheine, jede Ungebühr verzeihe, die man mir angetan hat oder antun wird, einerlei ob der mir sie angetan oder antut oder antun wird, vornehm oder gering, reich oder arm, adelig oder bürgerlich ist, ohne irgendeinen Stand oder Beruf auszunehmen.«

      Als sein Herr ihn so reden hörte, entgegnete er: »Ich möchte nur, daß ich Atem genug hätte, um ohne Beschwer reden zu können, und daß der Schmerz an der Rippe hier sich ein klein wenig lindern wollte, um dir klarzumachen, in welchem Irrtum du befangen bist. Gib acht, du sündiger Tropf: Wenn der Wind des Glückes, der uns bisher so zuwider war, sich zu unsern Gunsten dreht und uns die Segel unsres Wunsches schwellt, auf daß wir sicher und ohne Gegenwind noch Hindernis an einer der Insuln landen, die ich dir versprochen habe, wie würde es um dich stehen, wenn ich sie unterwürfe und dich zu ihrem Herrn einsetzte? Du wirst mir dieses ja zur Unmöglichkeit machen, weil du weder Ritter bist noch es werden willst und weil du weder Mut noch Willen hast, zugefügte Unbilden zu rächen und dein Fürstentum zu verteidigen. Denn du mußt wissen, in neu eroberten Reichen und Provinzen sind die Gemüter der Eingeborenen nie so ruhig noch so völlig auf seiten des neuen Herrn, daß man nicht stets besorgen müßte, daß sie irgendwelche Neuerung vornehmen wollen, um die Zustände wieder zu ändern und aufs neue, wie man sich ausdrückt, ihr Glück zu versuchen. Notwendig also muß der neue Besitzer den Verstand haben, sich richtig zu benehmen, und tapfern Mut, um bei jedem Vorkommnis zu Angriff und Abwehr bereit zu sein.«

      »Bei dem Vorkommnis von heute«, antwortete Sancho, »hätte ich wohl den Verstand nebst dem tapfern Mut besitzen mögen, worüber Euer Gnaden sprechen; aber ich schwör’s auf armen Mannes Wort, mir steht der Sinn mehr nach einem Pflaster als nach Unterhaltung. Seht zu, gnädiger Herr, ob Ihr Euch aufrichten könnt, und dann wollen wir Rosinante auf die Beine helfen, wiewohl er’s nicht verdient. Nie hätt ich so was von Rosinante geglaubt; denn ich hielt ihn für einen keuschen, so friedfertigen Jungen wie mich selbst. Freilich, mit Recht sagt man, es braucht geraumer Zeit, um die Leute kennenzulernen, und nichts Gewisses gibt’s in diesem Leben. Wer hätte gedacht, daß nach jenen so gewaltigen Schwerthieben, wie sie Euer Gnaden dem Unglücksmann, dem fahrenden Ritter von dazumal, versetzt hat, gleich darauf mit der Eilpost dieses gewaltige Unwetter von Prügeln kommen sollte, das sich über unsre Rücken entladen hat?«

      »Jedenfalls muß der deinige, Sancho«, entgegnete Don Quijote, »auf solche Ungewitter eingerichtet sein; jedoch der meinige, von Jugend auf an feine Leinwand und Batist gewöhnt, muß natürlich den Schmerz dieses Mißgeschicks weit mehr fühlen; und wäre es nicht darum, daß ich denke – was sage ich, denke? –, daß ich mit völliger Gewißheit weiß, wie solche Unannehmlichkeiten von dem Waffenhandwerk unzertrennlich sind, so möchte ich gleich vor lauter Ingrimm des Todes sein.«

      Darauf entgegnete der Schildknappe: »Werter Herr, da solcherlei Unannehmlichkeiten doch einmal die Ernte sind, die das Rittertum einheimst, so sagt mir, ob solche Ernten sehr häufig oder ob sie an ihre bestimmten Zehen gebunden sind, wo sie eintreffen? Denn mich wahrlich will’s bedünken, daß nach zwei Ernten wir für eine dritte nicht mehr nützlich sind, wenn Gott uns nicht mit seinem unendlichen Erbarmen beisteht.«

      »Du mußt dir zu Gemüte führen, Freund Sancho«, erwiderte Don Quijote, »daß das Leben der fahrenden Ritter tausend Gefahren und Widerwärtigkeiten ausgesetzt ist und daß es darum nicht mehr noch minder in allernächster Möglichkeit steht, daß die fahrenden Ritter Könige und Kaiser werden, wie die Erfahrung an vielen und verschiedenen Rittern gezeigt hat, von deren Erlebnissen ich sichere Kunde habe. Und wenn der Schmerz es zuließe, könnte ich dir gleich von etlichen erzählen, die durch die Kraft ihres Armes allein zu den hohen Stufen emporgestiegen sind, wovon ich dir gesagt, und diese selben haben sich vorher und nachher in allerhand Nöten und Trübsalen befunden. Denn der tapfere Amadís von Gallien sah sich in der Gewalt seines Todfeindes Arcalaus, des Zauberers, von dem es für erwiesen gilt, daß er dem guten Ritter, als er ihn gefangen und an eine Säule in seinem Hof gebunden hatte, zweihundert Streiche und mehr mit dem Zaum seines Rosses aufmaß. Ja, es gibt einen Autor, der in geheimen Geschichten zu Hause ist und in nicht geringem Ansehen steht, der sagt, daß derselbe den Sonnenritter in einer gewissen Burg mittels einer gewissen Falltüre, die unter seinen Füßen zusammenstürzte, gefangennahm, und wie er hinabfiel, fand er sich in einem Abgrund tief unter der Erde an Händen und Füßen gebunden, und da gab man ihm eines jener Klistiere, wie man sie nennt, von Schneewasser und Sand, woran er beinahe des Todes geworden wäre; und wenn ihm nicht in dieser großen Not ein Zauberer, sein treuer Freund, Hilfe gebracht hätte, so wäre es dem armen Ritter gar übel ergangen. Sonach kann ich denn wohl unter soviel fürtrefflichen Männern auch mitgehen; denn größer sind die Unbilden, die sie erlitten haben, als die wir jetzt erleiden; und ich will dich nur gründlich belehren, daß Hiebe und Stiche, die man mit Werkzeugen empfängt, die zufällig zur Hand sind, die Ehre nicht kränken; dies steht im Gesetz des Zweikampfs mit ausdrücklichen Worten geschrieben. Wenn also ein Schuhmacher jemanden mit dem Leisten schlägt, den er in der Hand hat, so kann man, obwohl dieser wirklich aus einem Stück Holz geformt ist, darum noch keineswegs sagen, der damit Geschlagene sei geholzt worden. Dies tue ich dir kund, damit du nicht etwa denkst, daß wir, obschon in diesem Streite weidlich zerschlagen, deshalb eine Ehrenkränkung erlitten; denn die Waffen, die jene Leute führten und womit sie uns zerdroschen, waren nichts andres als die Knüppel, die sie in der Hand führten, und keiner von ihnen, soviel mir in der Erinnerung ist, hatte Stoßdegen; Schwert oder Dolch.«

      »Mir ließen sie keine Zeit, auf so