»Nein, Herr Gevatter«, entgegnete der Barbier, »denn dieser, den ich hier habe, ist der weitberühmte Don Belianís.«
»Der freilich«, versetzte der Pfarrer, »mit dem zweiten, dritten und vierten Teile, bedarf einiges Rhabarbers, um seinen übermäßigen Jähzorn abzuführen, und es ist unerläßlich, aus ihnen all jenes von der Burg des Ruhms und andere Ungereimtheiten von größerem Belang fortzuschaffen. Dazu wird ihnen dieselbe Frist gewährt wie für gerichtliche Vorladungen über See, und je nachdem sie sich bessern sollten, je nachdem wird ihnen Gnade oder Recht widerfahren. Und Ihr mittlerweile behaltet sie, Gevatter, in Eurem Hause, aber lasset niemand sie lesen.«
»Dem stimme ich bei«, sagte der Barbier. Und ohne sich mehr mit dem Durchsehen von Ritterbüchern langweilen zu wollen, wies der Pfarrer die Haushälterin an, sie solle alle die großen Bände nehmen und sie in den Hof werfen. Dies war nicht tauben Ohren gepredigt; denn die alte Jungfer hatte ohnehin noch größere Lust, die Bücher zu verbrennen, als ein ganzes Stück Leinwand für den Weber zurechtzumachen, und wäre es auch noch so groß und fein; sie ergriff etwa acht auf einmal und warf sie zum Fenster hinaus.
Da sie zu viele zusammen nahm, fiel ihr eins zu den Füßen des Barbiers nieder; den überkam das Verlangen zu sehen, von wem es sei, und er fand, daß es besagte: Geschichte des berühmten Ritters Tirante des Weißen.
»Helf mir Gott!« sprach der Pfarrer mit lautem Aufschrei. »So wäre denn Tirante der Weiße auch hier? Gebt mir ihn her, Gevatter, denn ich meine, ich habe in ihm einen Schatz von Vergnügen und eine Fundgrube von Zeitvertreib gefunden. Hier finden sich Don Kyrieleisón von Montalbán, der tapfere Ritter, und sein Bruder Tomás von Montalbán und der Ritter Fonseca und der Kampf, den der Haudegen von Tirante gegen den Bullenbeißer bestand, und die klugen Einfälle des Fräuleins Meineslebenslust, nebst der Liebesmühe und der Heimtücke der Witwe Geruhsam, und die Frau Kaiserin, so in den Schildknappen Hippolyt verliebt ist. Ich sag Euch in Wahrheit, Herr Gevatter, daß es in seiner Art das beste Buch der Welt ist. Hier wenigstens essen doch die Ritter und schlafen und sterben in ihrem Bette und machen Testamente vor ihrem Tode, nebst andern Dingen, deren alle übrigen Bücher dieser Sorte ermangeln. Trotz alledem, sage ich Euch, verdiente der Verfasser, da er absichtlich so große Albernheiten geschrieben, daß man ihn, wenn auch nicht wie die andern zum Feuertode, doch wenigstens für zeitlebens auf die Galeeren schicken sollte. Nehmt ihn fort nach Hause und leset ihn, und Ihr werdet sehen, daß alles, was ich Euch von ihm gesagt habe, Wahrheit ist.«
»So soll’s geschehen«, sagte der Barbier. »Aber was werden wir mit diesen kleinen Bänden anfangen, die noch übrig sind?«
»Diese«, versetzte der Pfarrer, »dürften nicht Ritterbücher, sondern Dichtwerke sein.«
Er schlug eines auf und sah, daß es Die Diana von Georg von Montemayor war, und sagte, in der Meinung, alle übrigen seien von derselben Art: »Diese verdienen nicht, verbrannt zu werden wie die andern; denn sie stiften nicht solchen Schaden und werden ihn nie stiften, wie ihn die Rittergeschichten angerichtet haben; sie sind Bücher von Verständnis und Einsicht, die keinem Dritten schaden können.«
»Ach, Herr Pfarrer«, versetzte die Nichte, »immerhin könnte Euer Gnaden sie verbrennen lassen wie die andern; denn es wäre nicht zu verwundern, daß meinen Oheim, wenn er von der Ritterkrankheit genesen, beim Lesen dieser Bücher die Lust ankäme, ein Schäfer zu werden und singend und musizierend durch die Wälder und Wiesen zu wandeln und, was noch schlimmer wäre, ein Dichter zu werden, was, wie die Leute sagen, eine unheilbare und ansteckende Krankheit sein soll.«
»Dieses Mädchen redet die Wahrheit«, sagte der Pfarrer, »und es wird gut sein, diese Gelegenheit und Veranlassung zum Straucheln unsrem Freunde vor den Füßen wegzuräumen. Und da wir mit der Diana Montemayors angefangen haben, so bin ich des Erachtens, daß man sie nicht verbrenne, sondern ihr alles wegschneide, was von der weisen Felicia und dem verzauberten Wasser handelt, sowie die meisten Verse in längeren Silbenmaßen, und es verbleibe ihm in Gottes Namen die Prosa und die Ehre, der erste in solcherlei Werken zu sein.«
»Dies folgende«, sagte der Barbier, »ist der zweite Teil der Diana, gewöhnlich Die zweite Diana von dem Salmantiner geheißen, und dieses ist ein andres, das denselben Titel trägt und dessen Verfasser Gil Polo ist.«
»So soll die des Dichters aus Salamanca«, antwortete der Pfarrer, »die Anzahl der zum Sturz in den Hof Verurteilten begleiten und vermehren, und die des Gil Polo soll aufbewahrt werden, als wenn sie von Apollo selbst wäre; und geht weiter, Herr Gevatter, denn es wird allgemach spät.«
»Dieses Buch«, sagte der Barbier, indem er ein anderes aufschlug, »heißt Die zehen Bücher von den Schicksalen der Liebe, verfaßt von Antonio de Lofraso, einem sardinischen Dichter.«
»Bei den Weihen, die ich empfangen«, versetzte der Pfarrer, »ich sag Euch, daß, seit Apollo Apollo ist und die Musen Musen und die Poeten Poeten, ein so unterhaltendes und närrisches Buch wie dies nicht geschrieben worden, und in seiner Weise ist es das beste und erlesenste von allen, die in dieser Dichtungsart ans Licht der Welt getreten sind; und wer es nicht gelesen hat, darf wohl glauben, daß er nie etwas Ergötzliches gelesen hat. Gebt mir es her, Gevatter, denn diesen Fund schätze ich höher, als wenn man mir einen Chorrock aus florentinischen Stücken geschenkt hätte.«
Er legte es mit absonderlichem Vergnügen beiseite, und der Barbier fuhr fort: »Diese folgenden sind Der Schäfer von Iberien, die Nymphen und Hirten des Henares und die Genesung von der Eifersucht.«
»Wohl, da ist nichts weiter zu tun«, sagte der Pfarrer, »als sie dem weltlichen Arm der Haushälterin zu übergeben, und man frage mich nicht nach dem Warum; denn das hieße, niemals zu Ende zu kommen.«
»Dieses, das jetzt kommt, ist Filidas Schäfer.«
»Der ist kein Schäfer«, sagte der Pfarrer, »sondern ein höchst geistreicher Hofmann; man hebe es auf als ein kostbares Juwel.«
»Dieses große, das hier kommt«, sagte der Barbier, »betitelt sich Schatz von Gedichten verschiedener Art.«
»Wenn ihrer nicht so viele wären«, bemerkte der Pfarrer, »würden sie in höherem Werte stehen; es wäre erforderlich, ihm das Unkraut auszujäten und es von einigen ordinären Sachen zu reinigen, die sich unter seinen großartigen Schönheiten finden. Es soll aufbewahrt werden, weil sein Verfasser mein Freund ist, und aus Rücksicht auf andere, bedeutsamere und erhabenere Werke, die er geschrieben.«
»Dieses ist«, fuhr der Barbier fort, » Das Liederbuch des Lopez Maldoñado.«
»Auch der Verfasser dieses Buches«, entgegnete der Pfarrer, »ist ein großer Freund von mir, und in seinem Munde setzen seine Verse jeden, der sie hört, in bewunderndes Erstaunen, und so süß ist die Lieblichkeit seiner Stimme, daß, was aus seiner Kehle klingt, tief in die Seele dringt. Er ist etwas weitschweifig in den Hirtengedichten, aber des Guten kann man nie zuviel bringen; hebt es bei den auserwählten auf. Aber was für ein Buch ist jenes, das danebensteht?«
»Die Galatea von Miguel de Cervantes«, sagte der Barbier.
»Viele Jahre ist es her, daß dieser Cervantes mir sehr befreundet ist, und ich weiß, daß er erfahrener ist im Leid als im Lied. Sein Buch hat einiges von guter Erfindung, legt einiges an und führt nichts durch. Man muß den zweiten Teil abwarten, den er verspricht; vielleicht wird er durch nachträgliche Besserung das milde Urteil völlig verdienen, das ihm jetzt versagt wird; und mittlerweile haltet ihn eingesperrt in Eurer Wohnung, Herr Gevatter!«
»Einverstanden«, antwortete der