Tokeah. Charles Sealsfield. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Charles Sealsfield
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754177082
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genötigt und zum Aufbruche bereit war.

      Der Missionär und das Weib des Kapitäns hatten mit tränendem Auge zugesehen, wie die von Schrecken erstarrte Kleine gleich einem Schlachtopfer lautlos sich binden ließ. Ersterer trat nun zur Trägerin heran und sprach im milden, zitternden Tone:

      »Canondah, du bist immer ein edles Mädchen gewesen; eine Perle. – So empfehle ich denn deiner schwesterlichen Liebe und Sorgfalt diese zarte Pflanze. – Willst du ihr Mutter sein?«

      Die Indianerin nickte.

      »Und dieses Buch«, fuhr der Prediger fort, ihr eine Taschenbibel einhändigend, »sei dir und Rosen ein Andenken an euern Lehrer. Trage ihn, der dich erlöset hat, stets in deinem Herzen.« Dann, seine Hände auf beider Mädchen Häupter legend, gab er ihnen den Segen.

      Beide verließen mit ihrer Bürde und den Indianern nun die Stube; der Häuptling war allein zurückgeblieben.

      »Der Miko der Oconees«, sprach er mit Würde, sich von seinem Sitze erhebend, »hat bezahlt für die Milch, die das weiße Weib seiner Tochter gegeben. Er geht nun. – Sein Pfad ist lang, sein Weg rauh; aber sein Herz ist müde der Weißen. Möge er sie nie wiedersehen.«

      Nachdem er diese Worte gesprochen, wandte er den Anwesenden den Rücken und verließ die Stube.

      Ein langer Atemzug entfuhr gleichzeitig den Gästen. Kapitän Copeland war der erste, der den Gebrauch seiner Zunge wiederfand und sich von seinem Erstaunen wieder erholte. Es ergab sich aus seinen Äußerungen, daß er, im ganzen genommen, nicht ganz unzufrieden war, sich einer Sorge überhoben zu sehen, die ihm, nach seiner Versicherung, mehr schlaflose Nächte verursacht hatte, als irgend etwas in seinem Leben.

      Wir selbst verlassen nun Georgien und die Familie unseres Tauschhändlers, um den Faden unserer Geschichte in einem fernen Lande, und nach Verlauf von mehreren Jahren, wieder anzuknüpfen.

      Drittes Kapitel

      An, nördlichen Ende des Sabinersees und mitten aus den Rohr- und Zypressensümpfen, die sich von dieser Seite her dem See zusenken, erhebt sich zwischen den beiden Flüssen Sabine und Natchez eine schmale Landzunge, die, in demselben Maße, als die beiden Flüsse sich voneinander entfernen, anschwellend, eine sanft aufsteigende Anhöhe bildet, zu deren beiden Seiten die zwei Flüsse ihre klaren und lieblichen Gewässer dem dunkelgrünen Verstecke der Zypressen und des Palmetto und dann dem oberwähnten See zuführen, der selbst wieder dem Busen von Mexiko sich öffnet.

      Beinahe scheint es, als ob die Natur in ihrer Laune den Einfall gehabt hätte, die Grenzscheidung der beiden mächtigen Staaten, die der erstgenannte dieser Flüsse bildet, recht augenscheinlich zu setzen. Ein schwarzer, undurchdringlicher Wald bedeckt das rechte Ufer des Sabine, so dicht verwachsen von ungeheuern Dornen, daß selbst der verfolgte Damhirsch oder Sawannenwolf nur selten tiefer einzudringen vermag. Der Grund ist überzogen mit einem undurchdringlichen Teppiche von Schlingpflanzen, unter deren verräterischer Hülle gefleckte und schwarze Klapperschlangen, Kingsheads und Copperheads sich umherwinden, auf wilde Tauben, Spottvögel, Paroquets oder schwarze Eichhörnchen lauernd. Nur selten ist dieses undurchdringliche Dunkel durch eine Lichtung unterbrochen, und wo eine solche sich findet, ist es ein Chaos modernder Baumstämme, entwurzelt durch einen der häufigen Tornados, und übereinander geschichtet, als ob sie zu einem künstlichen Festungswerke bestimmt wären. Diese wilde Üppigkeit erreicht ihren höchsten Grad in der Nähe der Zypressenniederung, nimmt aber auf der andern Seite des Sumpfes einen sanftern Charakter an, und der verirrte Schiffer sieht sich wie durch einen Zauberschlag in eine der entzückendsten Landschaften Mexikos versetzt, wo die hängende Myrte und der prachtvolle Tulpenbaum und die Palma Christi mit der dunkeln Mangrove wechseln, und auf der schwellenden Anhöhe der Kottonbaum und die Sykomore ihre grünlich silbernen Zweige über einen Wiesengrund des zartesten Grüns ausbreiten. Der ganze Wald ist gleich einem ungeheuern Gezelte, mit dem Jasmin und der wilden Rebe durchwirkt, die aufschießt vom Grunde, sich am Stamme aufhängt und zum Gipfel hinanrankt, wieder herabsteigt, um dem nächsten Stamme sich zuzuwenden und so von der Mangrove zur Myrte, von der Magnesie zum Papaw, vom Papaw zum Tulpenbaum kriechend, eine große, endlose Laube bildet. Der breite Gürtel selbst, auf welchem der Natchez seine Gewässer dem See zusendet, bietet dem Auge ein üppig wallendes Feld säuselnder Palmettos dar, das vom Walde ungefähr eine halbe Meile dem Ufer zuläuft, wo die Mangrove und Zypresse ihre trauernden Zweige tief in die Fluten tauchen. Der Winter nähert sich diesem entzückenden Verstecke nie; aber lang anhaltende schwere Regengüsse füllen während der sogenannten Wintermonate Flüsse und Sümpfe und bereiten so ein furchtbares Tagewerk für die heiße mittägliche Sonne. Dann hört man ein Gebrüll aus dem erstickenden Dunstmeere, dessen grauenerregender Ton Tiere und Menschen ferne hält.

      Der Herbst jedoch ist eine prachtvolle Jahreszeit in dieser paradiesischen Gegend und besonders jener Spätherbst, der indianische Sommer genannt, der auch im Norden der großen Republik, gleich dem Abschiedslächeln einer holden Schönen, mit Wonne empfangen wird.

      Es war einer dieser herrlichen Indianer-Herbstnachmittage. Die Sonne, prachtvoll und golden, so wie sie nur in dieser Gegend und zu dieser Jahreszeit zu sehen, neigte sich bereits hinter die Gipfel der Bäume, welche das westliche Ufer des Natchez umgürten, ihre Strahlen spielten bereits in jene Mannigfaltigkeit von Tinten, die im Westen so sehr bewundert werden, und vom Hellgrünen in die Gold-, von der Purpur- in die Orangefarbe verschmelzen, je nachdem die Strahlen von der Myrte, Magnesie, der Palma Christi ober einem der hundert Prachtgewächse zurückgeworfen werden. Kein Wölkchen war am Himmelszelte zu sehen, balsamische Düfte wehten durch die Luft und füllten die Atmosphäre mit einer zitternd elastischen Wollust, die die Sehnen zum üppigen Leben spannt. Die leise Stille war nur selten durch einen plappernden Paroquet oder einen pfeifenden Spottvogel unterbrochen, oder das Geräusche vom Auffliegen einer Schar Wasservögel, die zu Tausenden am breiten Wasserspiegel des Natchez ihr Wesen trieben und zum Winterzuge ihr Gefieder putzten.

      Auf dem schmalen Pfade, den die Natur zwischen dem Walde und dem erwähnten Palmettofelde recht eigentlich selbst gebahnt zu haben schien, sah man eine weibliche Gestalt einem offenen Waldplätzchen zutanzen, das, gebildet durch eine entwurzelte Sykomore, sich am äußersten Ende des Pfades befand. Als sie vor dem Baumstamme angelangt war, lehnte sie sich an einen der Äste, um Atem zu holen. Ihre Hautfarbe verriet indianische Abstammung. Sie war ein gereiftes Mädchen von etwa zwanzig Jahren, mit einem äußerst interessanten, ja edeln Gesichte. Die wohlgeformte Stirn, das schwarze, beinahe schelmische Auge, die fein geschnittenen Lippen, sowie die Umrisse der beweglichen Züge überhaupt, verrieten eine freie, muntere Stimmung, während hinwieder die römische Adlernase ihr einen Anstrich von Entschlossenheit und Selbständigkeit gab, mit denen Haltung und Anzug übereinzustimmen schien.

      Dieser Anzug erhob sich weit über das gewöhnliche Kostüm indianischer Mädchen und zeichnete sich ebenso durch Einfachheit als Geschmack aus. Sie trug ein Kleid von Kaliko ohne Ärmel, das ihr bis auf die Knöchel reichte. Ihre Haare, statt lang und straff herabzuhängen, wie es gewöhnlich bei Indianerinnen der Fall ist, waren in einen Knoten geschlungen, den ein eleganter Kamm am Scheitel festhielt. Ein paar goldene Ohrringe und Brasseletts von demselben Metalle, Halbstiefel von Scharlach und der Alligatorhaut vollendeten das zierliche Äußere dieser interessanten Gestalt. Von ihrem Gürtel herab hing ein ziemlich langes Taschenmesser und in ihrer Hand trug sie einen großen, leeren Handkorb. Ihr Gang konnte nicht Gehen, noch Laufen genannt werden; es war ein drolliges Hüpfen oder vielmehr Springen. Immer nach zehn oder zwölf Sätzen hielt sie inne, blickte auf den zurückgelegten Pfad mit Sorglichkeit zurück und hüpfte wieder vorwärts, um wieder auf dieselbe Weise zurückzuschauen.

      Keuchend hatte sie nun ihren Standpunkt am Kottonbaume genommen, während ihr Auge spähend auf den Pfad gerichtet war.

      »Aber Rosa« – rief sie zuletzt in der indianischen Sprache und mit einem Ausdrucke leichter Ungeduld, während sie wieder zehn oder zwölf Schritte zurücktanzte und sich einem zweiten Mädchen näherte, das die Windungen des erwähnten Pfades nun sichtbar werden ließen.

      »Aber Rosa«, wiederholte sie, »wo bleibst du denn?« und mit diesen Worten sprang sie auf das Mädchen zu, sank auf ihre Schenkel, kreuzte sie und umschloß,