»Ich gerne.« Gerd war bereit.
»Und Sie, Frau Hofer?«
»Danke, nett von Ihnen, aber ich treffe mich mit meiner Freundin.«
Gerd und Lauenberg verließen grinsend das Büro. Auf dem Weg zur Kantine sagte Gerd: »Das sah nicht nach zufälligem Mord aus. Der war geplant. Was könnte der Grund sein?«
»Möglich, dass der Tote doch falsch spielte und einer darüber sehr wütend geworden war. Ich fahre heute Abend auf dem Heimweg noch mal in der Kneipe vorbei, um die Männer zu befragen. Wenn die was wissen, finde ich das heraus. Für ein Freibier tun die fast alles«, meinte Lauenberg.
»Einen Versuch ist es wert«, pflichtete Gerd bei.
Gegen 18 Uhr traf Lauenberg in der Gaststätte ein. Er hatte Glück. Die Männer vom Donnerstagabend waren anwesend. Der alte Hans saß mit wachen Augen am Tresen. Zu den Spielern gehörte er nicht. Lauenberg stellte sich vor. Hans wirkte betroffen und wurde gesprächig. Mit erstaunlicher Präzession konnte er den Fremden beschreiben. Paul, ein Mitspieler, versicherte, sich ebenfalls an das Gesicht des Mannes zu erinnern. Lauenberg bat sie, am Montag aufs Präsidium zu kommen, um ein Phantombild zu erstellen. Er hoffte, dass sie den entscheidenden Hinweis geben konnten. Die anderen zwei Männer waren inzwischen eingetroffen. Er spendierte jedem ein Bier und alle waren sofort mit der Speichelprobe einverstanden, die Lauenberg gleich vor Ort entnahm. »Ist Ihnen sonst noch etwas aufgefallen, was uns weiterhelfen könnte?«, fragte er die Anwesenden. »Wie lief denn der Abend ab? Gab es Streit?«
»Streit gab es nie. Es war wie immer. Michael Steiner gewann jedes Spiel«, berichtete Paul. »Das ist leider jetzt vorbei. Wir haben die Hoffnung nie aufgegeben, das erhöhte die Spannung.« Der Mann schüttelte den Kopf. »Er wird uns fehlen«, sagte er und berichtete weiter: »Ein Fremder kam herein und trank eine Cola. Bevor er das Lokal verließ, versprach er, bei nächster Gelegenheit, auf ein Spiel, vorbeizukommen. Michael Steiner hatte ihm die Hand gereicht und ihm versichert, dass er sich freue. Minuten später, nachdem der Mann gegangen war, verabschiedete sich auch Steiner. Da kommen einem doch keine Gedanken, dass der Fremde ein Mörder sein könnte«, sagte er.
»Schon gut. Wir wissen nicht, ob er der Täter ist. Aber wir müssen ihn überprüfen. Wenn Ihnen noch was einfällt, geben Sie bitte Bescheid.«
Die Tür öffnete sich und eine junge Frau trat herein.
»Das ist Frau Vogt, meine Bedienung«, sagte die Wirtin zu Lauenberg.
Sie konnte mit ihren Auskünften nicht weiterhelfen, da sie an jenem Abend, bereits um 21 Uhr nach Hause gegangen war. Auch der Koch hatte von nichts eine Ahnung. »Ich bin in der Küche und bekomme vom Gastraum nicht viel mit«, sagte er.
Lauenberg bedankte sich, legte seine Visitenkarte auf den Tresen, und begab sich auf den Weg nach Hause.
Dass er den Abend alleine verbringen musste, störte ihn weniger. Mit der Psychotherapeutin, Lena von Feldern, war er seit drei Monaten befreundet. Es war eine lockere Beziehung. Er wollte abwarten und nichts übereilen. Mit ihr konnte er über seine Arbeit reden; sie war verschwiegen wie ein Grab. Einzelne Details gab er nicht preis und sie akzeptierte das, sowie er ihre Arbeit. Sie wollten sich heute treffen, doch Lena hatte wegen eines Termins abgesagt. Er dachte an seine Frau; er vermisste sie. Sie hatte ihn verlassen, wegen seiner Arbeit. Zu gefährlich, nie pünktlich zu Hause und wenn, war er müde. Das hielt sie nicht aus. Er konnte sie verstehen.
Der Stadtverkehr war zähflüssig. Er war froh, als er endlich in die Garage fuhr. Seufzend murmelte er: »Wie schön, dass morgen Sonntag ist, und ich meinen ersten freien Tag habe.« Gerd konnte ihn jederzeit verständigen. Später rief er Lena an und plauderte eine Weile mit ihr.
Kapitel 4
Montag 10. April 2018
Am Montagmorgen brachte Lauenberg die Speichelproben eigenhändig ins Labor. Kurz darauf trafen Paul und der alte Hans ein. Auch die Wirtin war mitgekommen, da die beiden Männer nicht motorisiert waren. Anfangs konnten sie sich nicht über das Aussehen des Fremden einigen. Paul meinte, er hätte dunkle Haare, Hans versicherte, sie seien dunkelblond gewesen. Die Wirtin plädierte ebenfalls für dunkelblond. So ging das eine Weile, bis Lauenberg ärgerlich wurde. »Ich bitte Sie, meine Herrschaften, entweder Sie haben den Mann gesehen und können ihn beschreiben oder nicht.«
Endlich war eine Zeichnung erstellt; die Zeugen nickten zufrieden.
»Vielen Dank, Sie können gehen.« Lauenberg fand das Phantombild gelungen und bat Gerd, es an die Presse weiterzuleiten mit einem kleinen Text, den der Chef verfasst hatte.
Es klopfte. Dr. Manderbach trat mit einer jungen hübschen Frau ein. »Darf ich Ihnen Kommissarin, Ellen Kraft vorstellen?«
Lauenberg trat neugierig näher. »Freut mich, guten Einstieg. Kollegin Schneider hat Sie bereits angekündigt. Ich bin selbst erst seit gut einer Woche hier tätig.«
»Sie sind Hauptkommissar Lauenberg, nehme ich an?«
»So ist es und das ist ihr Schreibtisch. Frau Schneider, hat ihn für sie bestens aufgeräumt.«
Sie nickte und blickte auf die Phantomzeichnung. »Alle Achtung, die ist aber gelungen.«
»Das finde ich auch«, entgegnete Lauenberg. »Das ist Gerd Schröder, Kriminalassistent und Computer-Experte«, stellte er ihn vor, »er kann der Witwe einen Besuch abstatten und ihr die Zeichnung zeigen. Vielleicht kennt sie den Mann. Ich werde Sie derweil über den Fall und die bisherigen Ergebnisse instruieren.«
»Gute Idee«, stimmte Ellen Kraft zu. »Darf ich den Grund erfahren, warum die Kollegin Schneider Sonderurlaub macht?«
Lauenberg schaute sie nachdenklich an. Er wusste nicht, was er sagen sollte und entschied sich für die Wahrheit. »Ihre Tochter büffelt für die Abi-Prüfung und Frau Schneider, die alleinerziehend ist, steht ihr bei. Sie kommt bald zurück.«
»Aha«, war alles, was Ellen Kraft dazu erwiderte.
Lauenberg gefiel die Antwort nicht.
Das Telefon klingelte. Es war Andreas Hauser. »Die entnommenen Speichelproben sind in der Datei nicht gelistet und keine von ihnen sind mit diesem Bluttropfen identisch. Auch auf der Kleidung des Toten wurde nichts dergleichen gefunden. Das wollte ich nur sagen.«
»Danke, Herr Hauser, das habe ich auch nicht anders erwartet. Umso mehr Leute wir ausschließen können umso besser.«
»Was können wir tun?« Ellen Kraft schaute fragend.
»Wir warten auf Gerd. Mal sehen, was die Witwe zu dem Phantombild gesagt hat. Trinken wir derweil einen Kaffee.«
Als Gerd nach einer Stunde zurückkam, schauten sie ihm neugierig entgegen.
Er schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, sie kennt den Mann nicht. Wenn Sie mich fragen, sie sagt bei allem, was man fragt: Weiß ich nicht, kenne ich nicht. Irgendwie merkwürdig.«
»Danke, das ist mir auch aufgefallen«, stimmte ihm Lauenberg zu. »Kann sich alles noch ändern.«
»Wie gehen wir vor?«, fragte Gerd.
Lauenberg grinste. »Strategisch.«
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